Computerspiel fördert gesunde Ernährung
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Donnerstag, 8. Juni 2017
In sieben Minuten zu einer gesünderen Ernährung: Psychologen der Universität von Exeter haben ein Computerspiel entwickelt, mit dem bereits bei jungen Kindern die Lebensmittelauswahl günstig beeinflusst werden soll. Erste Ergebnisse geben Anlass zur Hoffnung.
„Iss das Gemüse, das ist gesund.“ Solche gut gemeinten Sätze verpuffen bei Kindern meist wirkungslos oder bewirken sogar das Gegenteil. Doch wie lassen sich Gemüsemuffel zu einer gesünderen Ernährungsweise motivieren, ohne dabei den Familienfrieden zu gefährden?
Wissenschaftler der Universitäten von Exeter und Gent arbeiten an einer Lösung. Gemeinsam entwickelten sie ein Computerspiel, welches das Belohnungssystem quasi „umprogrammiert“. „Der Anblick von Lebensmitteln wie Schokolade kann Belohnungszentren im Gehirn aktivieren und zugleich die Aktivität in Bereichen der Selbstkontrolle reduzieren“, erläutert die federführende Wissenschaftlerin Lucy Porter. „Unser Training motiviert Menschen, neue Assoziationen zu entwickeln – wenn sie ungesunde Nahrung sehen, stoppen sie.“
Mit dem Computerspiel wird die Entscheidung für gesunde Lebensmittel trainiert. Es zeigt in zufälliger Reihenfolge Bilder von gesunden und weniger gesunden Lebensmitteln, wobei jedes Bild zusätzlich mit einem glücklichen oder traurigen Smiley versehen ist. Die Aufgabe der Kinder besteht darin, immer dann die Leertaste zu drücken, wenn sie einen lachenden Smiley sehen. Im Vordergrund steht der Spaß am Spiel, die Bilder der gesunden Lebensmitteln prägen sich dabei unbewusst und ohne zusätzliches Lernen ein. „Viele Gesundheitsförderungsprogramme verlassen sich auf Bildung und Willenskraft und erfordern viel Zeit, Personal und Geld. Unser Spiel dagegen umgeht diese Probleme, indem ein kostenfreies, einfachen Werkzeug entwickelt wurde, das Familien zuhause verwenden können“, betont Porter.
Zusammen mit ihren Kollegen hat die Wissenschaftlerin eine Versuchsreihe gestartet, in der der Einfluss des Computerspiels auf die Lebensmittelauswahl bei 236 4- bis 11-jährigen Kindern getestet wurde. Die Kinder spielten dabei unterschiedliche Varianten des Spiels, ohne den eigentlichen Zweck des Spiels zu kennen. Direkt im Anschluss daran tätigten sie einen fiktiven Einkauf. Innerhalb von einer Minute sollten sie eine begrenzte Anzahl von auf Karten abgebildeten Lebensmitteln in ihren Einkaufswagen legen. Als Belohnung winkte die Aussicht, eines der ausgesuchten Lebensmittel mit nach Hause nehmen zu können.
„Wir haben keine totale Kehrtwende zugunsten der Wahl gesunder Optionen gesehen, aber ihr Anteil erhöhte sich bei Kindern, die das Gehirntraining absolviert hatten, von 30 Prozent auf über 50 Prozent der eingekauften Lebensmittel „, sagt Porter. „Das Alter hat keinen Einfluss darauf, ob das Spiel funktioniert oder nicht, was bedeutet, dass auch Kinder, die erst vier Jahre alt sind, von dem Spiel profitieren können.“ Zu einem ähnlichen Ergebnis führte bereits eine frühere Studie, bei der eine App entwickelt wurde mit dem Ziel, Erwachsene bei der Vermeidung ungesunder Lebensmittel und der Gewichtsreduktion zu unterstützen.
Die Kinder einer Kontrollgruppe spielten dasselbe Computerspiel, allerdings bestand bei ihnen kein Zusammenhang zwischen der Art des Smileys und dem Gesundheitswert der abgebildeten Lebensmittel. In einer zweiten Kontrollgruppe wurden andere Bilder (keine Lebensmittel) verwendet. Bei beiden Kontrollgruppen zeigte sich kein Effekt des Computerspiels auf die Lebensmittelauswahl während des fiktiven Einkaufs.
„Es ermutigt zu sehen, dass dieses Computerspiel das Potenzial besitzt, die Lebensmittelauswahl von kleinen Kindern und Erwachsenen gleichermaßen zu verbessern“, freut sich die Seniorautorin der Studie Dr. Natalia Lawrence. „Wie wir alle wissen, ist es unglaublich wichtig, gesunde Essgewohnheiten von klein auf zu fördern; Kinder in Großbritannien essen durchschnittlich dreimal mehr Zucker als empfohlen und nicht genug Obst und Gemüse. Dieses Spiel ist ein Versuch, auf einfache und relativ lustige Art das Gleichgewicht wieder herzustellen.“ Und ihre Kollegin Lucy Porter ergänzt: „Dieses einfache Spiel erledigt die ganze harte Arbeit für sie. Es geht nicht darum, etwas bewusst zu lernen, es geht darum, mit automatischen Antworten zu arbeiten. Dieses Spiel wird nicht die Wirkung von Junk-Food-Werbung oder Produktpromotionen beseitigen, aber es könnte den Menschen ein bisschen Kontrolle zurückgeben.“
Als Teil der Forschung kann das Computerspiel nun auch von Zuhause aus gespielt werden. Die Wissenschaftler interessieren sich in diesem Zusammenhang dafür, ob sich die Lebensmittelauswahl auch unter diesen Bedingungen günstig verändert und was Eltern und Kinder von dem Spiel halten. Unbekannt ist auch noch, wie lange der günstige Effekt auf die Lebensmittelauswahl anhält.
Quellen einblenden
- Universität Exeter (2017): Computer game could help children choose healthy food. Pressemitteilung vom 17.05.2017
- L. Porter, C. Bailey-Jones, G. Priudokaite et al. (2017): From cookies to carrots; the effect of inhibitory control training on children’s snack selections. Appetite, Online-Vorabveröffentlichung
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 8. Juni 2017 um 06:07
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Und trotzdem haben Eltern heutzutage nunmal mehr zu tun als ihren Kindern beizubringen, dass sie die Einzigen sind, die keine tolle Schokolade zum Mittag bekommen dürfen, auch wenn jeder andere im Kindergarten es darf.
Ich finde die Idee super und ein Anstieg von 30 auf 50% ist schon nicht zu unterschätzen!
Es ist schon sehr interessant, dass es nun dazu auch ein Computerspiel gibt… Aber meiner Meinung nach ist das unnötig.
Gesunde Ernährung müssen Kinder von Ihren Eltern lernen!
Eltern stehen in der Pflicht, ihren Kindern sowas beizubringen.