Handschuhe an der Bedientheke: Wo ist Hygiene sinnvoll?
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Dienstag, 3. April 2012
Fleisch und Wurstwaren sind empfindliche Lebensmittel. Zur Vermeidung von Lebensmittelinfektionen ist Hygiene im Umgang mit ihnen das A und O. Kritische Bereiche sind insbesondere Bedientheken, an denen die Ware den Käufern präsentiert wird. Woran erkennen Sie die hygienische Arbeitsweise eines Betriebes? Viele achten darauf, ob das Verkaufspersonal Handschuhe trägt…
Die Verwendung von Handschuhen hat für Verbraucher keine Vorteile, wie ein gemeinsames Forschungsprojekt des Instituts für Arbeitssicherheit, der Fleischerei-Berufsgenossenschaft und der Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel zeigte. Ausschlaggebend sind vielmehr die Vermeidung des direkten Kontakts mit der Ware, die regelmäßige Reinigung von Arbeitsgeräte und -flächen sowie weitere Maßnahmen.
Entgegen der weitverbreiteten Meinung ist der Gebrauch von Einmalhandschuhen an Ladentheken nicht gesetzlich vorgeschrieben. Hierzu ein Zitat aus der europäischen Verordnung zur Lebensmittelhygiene (EG 852/2004): „Personen, die in einem Bereich arbeiten, in dem mit Lebensmitteln umgegangen wird, müssen ein hohes Maß an persönlicher Sauberkeit halten; sie müssen geeignete und saubere Arbeitskleidung und erforderlichenfalls Schutzkleidung tragen.“ Die Verwendung von Einmalhandschuhen wird dennoch häufig in Fleischereifachgeschäften und Lebensmittelläden praktiziert, da die Kunden dies erwarten.
Für das Verkaufspersonal hat das Tragen von Einmalhandschuhen gravierende Nachteile. Die Haut wird darin permanent feucht und warm gehalten und quillt auf. Hierdurch wird die Barrierefunktion der Haut gestört. Sie fängt an zu jucken, rötet sich und wird schuppig. Hautrisse und Bläschen können sich bilden. Nicht selten entstehen mit der Zeit ernstzunehmende Hauterkrankungen, z. B. Hautekzeme oder Allergien. Im Extremfall kann dies sogar zur Berufsunfähigkeit führen.
Dabei ist die Verwendung von Handschuhen nicht entscheidend für einen hygienischen Umgang mit Lebensmitteln, wie eine Untersuchung des Instituts für Arbeitssicherheit, der Fleischerei-Berufsgenossenschaft und der Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel zeigte. Das Tragen von Handschuhen ist nur dann von Vorteil, wenn die Handschuhe stets aus frisch geöffneten Verpackungen stammen und wenn sie alle fünf Minuten gewechselt werden. Unter praxisorientierten Bedingungen bringt das Tragen von Einmalhandschuhen keinen hygienischen Vorteil und sollte daher unterbleiben, so das Fazit der Fleischerei-Bundesgenossenschaft aus den Untersuchungsergebnissen. Hinzu kommt, dass durch das Tragen von Handschuhen eine „gewisse Fahrlässigkeit“ entstehe, so Dr. Anette Kolk vom Institut für Arbeitsschutz: Man verliert das Gefühl, wann die Hände klebrig sind und wann man sie waschen muss.
Viel wichtiger sind andere Hygienemaßnahmen. Hierzu gehören die Vermeidung des direkten Kontakts mit den Lebensmitteln durch die Verwendung von Gabeln, Greifzangen, Folien und Tüten, regelmäßige Hygieneschulungen des Personals sowie die gründliche Reinigung von Arbeitsflächen und Arbeitsmaterialien. Ein besonderes Augenmerk sollte hier auf die verwendeten Schneidbretter gelegt werden, denn diese sind bereits nach kurzer Verwendungszeit dicht mit Keimen besiedelt. Deshalb wird empfohlen, sie häufig zu reinigen, am besten in einer Spülmaschine mit integriertem Programm zur Keimreduzierung. Falls dies nicht möglich ist, sollten sie nach der Reinigung mit einem bakteriziden Präparat behandelt und gut an der Luft getrocknet werden. Wenn das Personal dann regelmäßig und richtig die Hände reinigt und auf saubere Arbeitskleidung geachtet wird, kann auf Einmalhandschuhe verzichtet werden – im eigenen Interesse und letztendlich auch der Umwelt zuliebe.
Quellen einblenden
- VERORDNUNG (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene.
- Fleischerei-Berufsgenossenschaft (2007): Untersuchungen zur Hygiene beim Tragen feuchtigkeitsdichter Handschuhe an Frischetheken. Schlussfolgerungen für eine saubere und gesunde Haut beim sicheren Umgang mit Lebensmitteln.
- Booth, A. (2012): Einweghandschuhe: Hygienefalle an der Fleischtheke. Bericht auf hr-online.de.
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 3. April 2012 um 06:05
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Ich habe eine Frage. Ist es korrekt, dass die Bedienung in der Metzgerei zuerst das Fleisch schneidet, abwiegt etc. Und dann, ohne die Hände zu waschen, Wurst anfasst und dann noch das Geld an der Kasse zu nehmen?
Vielen Dank für Ihre Auskunft!
Es hat schon was humorisches wenn eine Verkäuferin mit Handschuhen damit auch das Geld annimmt und dann direkt den nächsten Kunden bedient …
Ich erlebe ständig das Verkäuferinnen die Ware mit Händen anfassen, anschließend wird Geld kassiert und dann der nächste Kunde bedient. Auch lackierte Fingernägel sind keine Seltenheit. Ein Fall hatte ich, da hatte eine Verkäuferin sogar schwarz lakierte Nägel. Die Hygieneregeln werden leider sehr oft nicht ernst genommen.