Schützen Nüsse vor Gewichtszunahme und Adipositas?
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Dienstag, 10. Dezember 2019
In verschiedenen großen US-amerikanischen Gesundheitsstudien nahmen Menschen, die Nüsse verzehrten, über die Jahre weniger an Gewicht zu und hatten seltener Adipositas als Nuss-Abstinente. Eigentlich paradox, enthalten Nüsse doch viel Fett und dementsprechend viel Energie.
Im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte ist der Nussverzehr in den USA angestiegen. Nüsse sind aufgrund ihres hohen Gehalts an ungesättigten Fettsäuren, Vitaminen, Mineralstoffen und Ballaststoffen ernährungsphysiologisch wertvoll, besitzen allerdings auch eine hohe Energiedichte. Da liegt die Frage, ob sich der verstärkte Konsum von Nüssen (inklusive Erdnüssen) in den USA auf die Gewichtszunahme der Bevölkerung ausgewirkt hat, nahe.
Um diese Frage zu beantworteten, werteten Wissenschaftler um die Assistenzprofessorin Deirdre Kay Tobias von der Harvard University T H Chan School of Public Health die Daten von drei renommierten Kohortenstudien aus:
- Health Professionals Follow-up-Studie: 27.521 Männer, Alter bei Studienbeginn 40-75 Jahre, 1986-2010
- Nurses Health Study: 61.680 Frauen, Alter bei Studienbeginn 35-55 Jahre, 1986-2010
- Nurses Health Study II: 55.684 jüngere Frauen, Alter bei Studienbeginn 24-44 Jahre, 1991-2011
Alle Probanden wurden im Abstand von jeweils vier Jahren per Food Frequency Questionnaire zu ihrem aktuellen Lebensmittelkonsum befragt. Die Probanden machten ferner in regelmäßigen Abständen Angaben zu Lebensstilfaktoren wie Rauchen, körperlicher Aktivität und dem Konsum alkoholischer Getränke. Für die aktuelle Auswertung stand die Veränderung des Gewichts der Probanden im Vordergrund, welche die Wissenschaftler über einen Zeitraum von 20 bis 24 Jahren dokumentierten.
Im Beobachtungszeitraum nahmen alle Probanden durchschnittlich 0,32 Kilogramm pro Jahr zu. Damit lagen die Probanden unter dem US-Durchschnitt von 0,45 Kilogramm pro Jahr beziehungsweise 18 Kilogramm in 40 Jahren. Im Studienzeitraum hat sich der Nusskonsum der Männer auf fast eine halbe Portion Nüsse pro Tag fast verdoppelt (eine Portion Nüsse entspricht 28 Gramm). Auch die Frauen nahmen mindestens doppelt so viele Nüsse zu sich wie früher, allerdings lag ihr Verzehr am Ende der Studien mit 0,31 Portionen täglich nach wie vor unter jenem der Männer.
Alle Nüsse hatten einen gemeinsamen Effekt: Ein häufiger Verzehr führte zu einer vergleichsweise geringeren langfristigen Gewichtszunahme und einem geringeren Adipositasrisiko. Bereits eine zusätzlich verzehrte halbe Portion Nüsse pro Tag war mit einer 0,19 Kilogramm geringeren Gewichtszunahme im 4-Jahres-Intervall verbunden, wobei der Effekt bei Walnüssen (-0,37 Kilogramm/4 Jahre) am stärksten und bei Erdnüssen (-0,11 Kilogramm/4 Jahre) am schwächsten ausgeprägt war. Das Ausmaß dieses erfreulichen Ergebnisses war stark davon abhängig, welche Lebensmittel gegen Nüsse ausgetauscht wurden. Am meisten profitierten Personen, die zuvor Pommes frites anstelle von Nüssen gegessen hatten (Reduktion der Gewichtszunahme um 4 Kilogramm in 4 Jahren), gefolgt von Kartoffelchips, rotem Fleisch und Wurstwaren (-0,5 bis -0,7 Kilogramm Gewichtszunahme in vier Jahren). Probanden, die bislang keine Nüsse verzehrt hatten, ihren Nusskonsum aber auf mindestens eine halbe Portion pro Tag erhöhten, hatten im 4-Jahres-Intervall ein 16 Prozent geringeres Adipositasrisiko als Probanden, die vollständig auf Nüsse verzichteten.
Kritiker von epidemiologischen Untersuchungen wie dieser mögen einwenden, dass Beobachtungsstudien nicht dazu geeignet sind, kausale Zusammenhänge zu beweisen. Lässt sich die geringere Gewichtszunahme der Probanden, die häufig Nüsse verzehrten, tatsächlich ursächlich auf den Nusskonsum zurückführen oder pflegen diese Probanden auch sonst einen gesünderen Lebensstil? Zwar wurden einige Lebensstilfaktoren in der Analyse aufgenommen, doch alle (möglichen) Störgrößen lassen sich kaum berücksichtigen. Wie der Name der einzelnen Studien nahelegt, arbeiteten alle Probanden im Gesundheitswesen, wodurch die Vermutung naheliegt, dass diese Personen verglichen mit der Allgemeinbevölkerung ein größeres Interesse an Gesundheitsfragen haben. Hinzu kommt, dass die Wissenschaftler sich auf Selbstangaben der Probanden verließen, die nicht unbedingt der ganzen Wahrheit entsprechen. Und, last but not least, wurden zwei der Studienautoren finanziell von der Peanut Institution und der California Walnut Commission unterstützt. Die Autoren selbst sehen hier keinen Interessenkonflikt, da die Sponsoren weder das Studiendesign noch die Datenerhebung, die Interpretation der Ergebnisse oder die Entscheidung zur Publikation des Manuskripts beeinflusst hätten.
Nichtsdestotrotz gibt es verschiedene Erklärungsansätze für den Zusammenhang zwischen dem Konsum von Nüssen und einer geringeren langfristigen Gewichtzunahme. Durch das erforderliche gründliche Kauen von Nüssen tritt die Sättigung früher ein, sodass insgesamt weniger verzehrt wird. Die Sättigung wird zudem dank des hohen Ballaststoffgehalts von Nüssen verstärkt, welcher die Magenentleerung verlangsamt. Außerdem binden die Ballaststoffe von Nüssen im Darm Fettsäuren, die mit dem Stuhl ausgeschieden werden, sodass weniger Energie aufgenommen wird. Je nach Nussart kann auf diesem Wege der Energieverlust über den Stuhl laut Assistenzprofessorin Tobias um 5 bis 20 Prozent gesteigert werden.
Quellen einblenden
- X. Liu, Y. Li, M. Guasch-Ferrè et al. (2019): Changes in nut consumption influence long-term weight change in US men and women. BMJ Nutrition, Prevention & Health, Online-Vorabveröffentlichung
- BMJ (2019): Boosting daily nut consumption linked to less weight gain and lower obesity risk. Pressemitteilung vom 23.09.2019
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 10. Dezember 2019 um 08:35
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