Essstörungen - Krankheitsbild

Auftreten und Häufigkeit

Essstörungen gehören zu den psychosomatischen Erkrankungen und äußern sich in einem gestörten Verhältnis zum Essen und dem eigenen Körper. Die Betroffenen essen nicht mehr, um ihren Hunger zu stillen oder um soziale Bindungen zu pflegen, sondern benutzen das Essen bzw. das Nicht-Essen als Mittel um Probleme zu bewältigen.

Die Erfahrung, über das Essen Kontrolle über den Körper oder auch über Mitmenschen zu erlangen, führt zu einer Ersatz-Befriedigung, das Wieder-Erlebenwollen zu einer Sucht. Dies spiegelt sich auch in den Bezeichnungen "Magersucht" und "Ess-Brech-Sucht" wider. Die Gedanken kreisen schließlich nur noch um das Essen.

Frauen sind dabei weit häufiger betroffen als Männer, deren Anteil unter den Personen, die an einer Essstörung leiden, zwischen 5 und 10 % liegt, in der letzten Zeit allerdings zunimmt. Eine Essstörung beginnt meist etwa zwischen dem 14. und 25. Lebensjahr.

Man unterscheidet verschiedene Formen von Essstörungen:

  • Anorexie (Magersucht) - Beginn meist in der Pubertät, früherer oder späterer Krankheitsbeginn möglich
  • Bulimie (Ess-Brech-Sucht) - Auftreten im frühen Erwachsenenalter
  • Binge-Eating Disorder - alle Altersgruppen
  • Sonstige Essstörungen - alle Altersgruppen

Während das Krankheitsbild der Magersucht bereits im 17. Jahrhundert beschrieben wurde, wurde der Begriff der Bulimia nervosa erst Ende der 70er Jahre geprägt.

Säulendiagramm Prävalenz Essstörungen

Quelle: Amerikanische Gesellschaft für Ernährung (ADA) 2011

Ursachen

Im Allgemeinen wird angenommen, dass Essstörungen multifaktoriell bedingt sind. An der Entstehung einer Essstörung sind begünstigende, auslösende und aufrechterhaltende Faktoren beteiligt. Zu den begünstigenden Faktoren zählen neben gesellschaftlichen und biologisch-genetischen Faktoren auch familiäre Interaktionen und die jeweilige Persönlichkeit.

So treten Essstörungen häufiger in den Industriestaaten auf und hier besonders in sozial und finanziell gut gestellten Familien. Mädchen bzw. Frauen sind öfter betroffen als Jungen bzw. Männer. Grund hierfür ist wohl das in den westlichen Industriestaaten geltende Schönheitsideal, mit dem die Mädchen in der Pubertät, also einer Zeit, in der es oft zu einer deutlichen Gewichtszunahme kommt, konfrontiert werden. Dabei wird Schlankheit immer wieder mit Attraktivität, beruflichem und privatem Erfolg assoziiert. Durch die Medien wird diese Tendenz weiter gefördert. Dies führt dazu, dass vor allem Mädchen mangelndes Selbstwertgefühl durch übertriebenen Schlankheitswahn kompensieren wollen.

Ein Risikofaktor für die Entstehung einer Essstörung ist eine nachteilige Selbstwahrnehmung. Auch Magen-Darm-Beschwerden erhöhen ebenfalls die Anfälligkeit dafür, eine Essstörung zu entwickeln. Außerdem zählen sexueller Missbrauch und allgemeine psychische Erkrankungen zu den möglichen Risikofaktoren.

Besondere Risikogruppen

Leistungssportler

Als besonders gefährdet gelten Leistungssportler, die Sportarten ausüben, bei denen das Gewicht von Bedeutung ist. Essstörungen scheinen hierbei vor allem bei Sportarten aufzutreten, für die ein schlanker Körperbau von Vorteil ist oder bei denen eine Einteilung in Gewichtsklassen vorliegt. Dazu zählen z. B. Langstreckenläufer, Ringer und Tänzer. Bei Sportlerinnen kann ein Energiemangel den Menstruationszyklus und die Knochendichte nachteilig beeinflussen. Dadurch kann es zur sogenannten "weiblichen Trias" (engl.: female triad) kommen, die die drei Symptome Amenorrhoe, Essstörung und Osteoporose umfasst.

Heranwachsende Diabetiker

Die Pubertät ist eine sensible Phase, was Essstörungen angeht. Die Heranwachsenden machen in dieser Zeit körperliche, psychologische und soziokulturelle Veränderungen durch, was vielfach Unsicherheiten auslöst. Besonders gefährdet sind jugendliche Typ 1-Diabetikerinnen. Sie versuchen bisweilen über unterlassene Insulingaben ihr Gewicht zu vermindern. Dadurch riskieren sie ernste Stoffwechselentgleisungen, die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität stark beeinträchtigen können.

Folgen

Unbehandelt können durch Essstörungen körperliche, psychische und soziale Störungen entstehen. Die Betroffenen möchten ihre Erkrankung verheimlichen, belügen sich selber und andere bzgl. ihres Essverhaltens. Hieraus entstehen Scham und Schuldgefühle mit der Konsequenz des Rückzugs aus dem sozialen Leben. (Zu den körperlichen Folgen siehe einzelne Essstörungen).

Schwerere Fälle müssen stationär behandelt werden. Bei schwerem Krankheitsverlauf kann eine Essstörung - manchmal auch durch Suizid - tödlich enden. Das Risiko für einen tödlichen Ausgang ist besonders hoch bei Patienten mit Magersucht.

Wegen möglicher fataler Folgen ist ein frühzeitiges Eingreifen angeraten. Da durch eine Essstörung Psyche, Ernährungsverhalten und körperliche Gesundheit gleichermaßen in Mitleidenschaft gezogen werden, erfolgt eine Behandlung idealerweise in Zusammenarbeit von Ärzten, Psychologen und Ernährungsfachkräften.

Unterschied zwischen Ess-Brech-Sucht und Magersucht

Es gibt immer wieder Berichte über Überschneidungen zwischen den beiden Krankheitsbildern Anorexie und Bulimie. So kann eine Bulimie als Folge einer Magersucht, und umgekehrt - jedoch seltener - eine Anorexie aus einer Ess-Brech-Sucht resultieren. Während bei einer Anorexie die Esskontrolle übermäßig stark ausgeprägt ist, fehlt diese bei einer Bulimie weitestgehend. In den folgenden Kapiteln werden die beiden Essstörungen differenziert dargestellt.