20 Prozent Steuer auf ungesunde Lebensmittel
Autor/in: Sabrina Rauth,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Mittwoch, 30. Mai 2012
In einigen Ländern gibt es sie bereits, eine Steuer auf ungesunde Lebensmittel. Dänemark hat eine Fettsteuer eingeführt, Ungarn eine Junk-Food-Steuer und Frankreich eine Steuer auf gesüßte Getränke. Nun berichtet Peru, eine Steuer auf ungesunde Lebensmittel zu planen und auch Irland überlegt sich ähnliches. Doch greifen diese Maßnahmen tatsächlich? Und was genau sollte dazu besteuert werden? Einzelne Inhaltsstoffe, bestimmte Lebensmittel oder mehrere Inhaltsstoffe bzw. ganze Lebensmittelgruppen?
Oliver Mytton und seine Kollegen von der Oxford Universität in Großbritannien suchten nach Antworten auf diese Fragen. Begründet durch ihre Forschungen halten sie die Besteuerung einzelner Inhaltsstoffe oder Lebensmittel für wenig empfehlenswert. Eine möglichst breit angesetzte Steuer wäre ihrer Meinung nach nützlicher. Werde zum Beispiel nur Zucker besteuert, könnte in der Folge der Fettkonsum steigen. Werden gesättigte Fettsäuren besteuert, folge ein höherer Verzehr Kohlenhydrat- und Salz-reicher Lebensmittel. Die Forscher sprechen in diesem Zusammenhang von einer „Quer-Preis-Elastizität der Nachfrage“. Sie gehen davon aus, dass die Muster des Lebensmittelverzehrs in hohem Maße verflochten sind. Mytton und sein Team sprechen sich deshalb für eine weit greifende Steuer auf ungesunde Lebensmittel bzw. diverse Inhaltsstoffe aus. Eine Ausnahme davon machen die Forscher dennoch: zuckerhaltige Getränke. Diese zu besteuern betrachten sie, unabhängig von den weiteren getroffenen Maßnahmen, als durchaus sinnvoll.
20 Prozent sollte der Steuersatz auf ungesunde Lebensmittel betragen, meint die Gruppe um Mytton. Dann würde sich der Verzehr zugunsten einer gesünderen Nahrungsaufnahme ändern. Wenn nun ungesunde Lebensmittel teurer würden, stiegen die Gesamtausgaben für Lebensmittel. Damit die höheren Ausgaben nicht durch einen Rückgang des Verzehrs der bisweilen weniger beliebten gesunden Lebensmittel ausgeglichen würden, sollten letztere gleichzeitig billiger gemacht werden. Sonst könnte das Gegenteil des eigentlich Beabsichtigten eintreten.
Die Forscher befürworten außerdem gleichzeitig einen gesundheitsbezogenen Ansatz. Dieser konzentriere sich auf Gesundheit als Ganzes und fokussiere nicht nur einen einzelnen Aspekt wie Adipositas. Eine derart ausgerichtete Steuer sei sinnvoller, weil die Last durch ernährungsassoziierte Erkrankungen jene, die ausschließlich der Fettleibigkeit zugeschrieben wird, übersteige.
Doch wie wirksam ist eine Besteuerung tatsächlich? Gibt es dafür Belege? Laut Mytton zeigte eine US-amerikanischen Studie, dass der Verkauf von gezuckerten Getränken in einer Kantine um 26 Prozent sank, nachdem diese mit 35 Prozent (0,34 Euro pro Getränk) besteuert wurden. Die Frage, ob die Kantinen-Besucher dafür andernorts mehr Softdrinks konsumierten, blieb jedoch offen.
Zwei Studien, die in den USA durchgeführt wurden, konnten keinen Zusammenhang zwischen dem Einführen einer Lebensmittelsteuer und dem Auftreten von Adipositas herstellen. Möglicherweise war der gewählte Steuersatz von ein bis acht Prozent zu niedrig, um in der Bevölkerung gesundheitliche Konsequenzen zu bewirken.
Modell-Studien lassen vermuten, dass ein Steuersatz von 20 Prozent auf gezuckerte Getränke in den USA den Anteil Adipöser um 3,5 Prozent senken würde. In Großbritannien könnte nach Modell-Studien eine Steuer von 17,5 Prozent auf ungesunde Lebensmittel 900 bis 2700 Todesfälle pro Jahr verhindern.
Entgegen diesen Hinweisen hält die Lebensmittelindustrie solche Lebensmittelsteuern für unwirksam und darüber hinaus für unfair. Sie würden der Industrie schaden und Jobverluste zum Ergebnis haben, so die Begründung. Mytton und sein Team machen darauf aufmerksam, dass die Tabakindustrie vergleichbare Argumente gegen die Tabaksteuer hervorgebracht hätte. Sie sind sich sicher, dass eine Steuer einen Beitrag zum Erhalt der Gesundheit leisten könne. Wie die Steuern dafür am besten eingeführt und durchgesetzt werden sollten, sei aber noch nicht bis ins Letzte geklärt.
Quellen einblenden
- Mytton OT, Clarke D, Rayner M: Taxing unhealthy food and drinks to improve health. BMJ 2012;344:e2931
- ResearchGate: Oliver Mytton
- Cowen L (MedWire News, 17.05.2012): ‘Fat tax’ needs to be at least 20% to improve health
- BMJ Group: 20% “fat tax” needed to improve population health
- Wanjek C (LiveScience, 15.05.2012): 20% ‚Fat Tax‘ Needed to Fight Obesity
- University of Oxford (16.05.2012): Oxford experts call for a sugary drinks tax in the UK
Zum Weiterlesen
- Roberts M (BBC News Health, 29.01.2013): Call for soft drink sugar tax in Budget
verfasst von Sabrina Rauth am 30. Mai 2012 um 06:17
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Man sollte eher überlegen, den Markt dieser Lebensmittel zu reduzieren! Und wo ich das eigentliche Problem sehe sind die versteckten Zucker und Salzfallen in Lebensmitteln. Dosenmais, salatdressing? Gesund? Leider nein. Das ist eine Unverschämtheit, wie man hinters Licht geführt wird. LG
Ich sehe so etwas kritisch. Ein generelles Umdenken bezüglich der Ernährung halte ich für langfristig zielführender. Leider nehmen Lebensmittel in Deutschland heute keinen hohen Stellenwert ein.