Antibiotika-resistente Bakterien auf Gemüse
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Dienstag, 21. Juni 2011
Während hierzulande insbesondere im Norden Deutschlands nach sämtlichen möglichen Ursachen der EHEC-Infektionen gesucht wird, berichten auch unsere Nachbarn aus den Niederlanden von Bakterienfunden auf Gemüse.

Dort entdeckte ein Team von Wissenschaftlern verschiedener Universitäten Erreger der Spezies Escherichia Coli und Klebsiella auf Gemüse. Keime dieser Arten kommen natürlicherweise auch in der menschlichen Darmflora vor. Die Besonderheit der nachgewiesenen Keime bestand jedoch darin, dass sie ein Enzym namens ESBL enthalten, das Antibiotika unwirksam werden lässt. Doch wie gelangen diese Keime ins Gemüse? Ähnlich wie bei EHEC wird eine Übertragung über die Düngung der Felder mit in der Tiermast anfallender Gülle und Mist vermutet. In der konventionellen und insbesondere in der industriellen Tiermast werden auch vorbeugend viele Antibiotika eingesetzt. Einen Großteil davon (ca. 90 Prozent) scheiden die Tiere unverändert wieder aus. In Fleischproben nachgewiesene ESBL-Keime legen nahe, dass die zum Verzehr bestimmten Tiere bereits Träger Antibiotika-resistenter Keime sind. Beide, Antibiotikarückstände sowie die Keime, können demnach mit der Düngung an Pflanzen weitergegeben werden.

Auch Menschen bleiben von den Bakterien nicht verschont: In den Niederlanden werden sechs bis sieben Prozent aller Krankenhauspatienten positiv auf ESBL-Keime in ihrer Darmflora getestet. Da die Keime auch in deutschen Fleischproben nachgewiesen werden konnten, wird davon ausgegangen, dass die Lage hier mit jener in den Niederlanden vergleichbar ist.
Prof. Dr. Jan Klytmans, der an den Untersuchungen in den Niederlanden beteiligt ist, empfiehlt, nicht aus Angst vor einer Erkrankung auf Gemüse zu verzichten. Er hält es allerdings durchaus für möglich, dass resistente Keime über den Verzehr in die Darmflora gelangen und dort für Wochen, Monate, vielleicht sogar Jahre nachweisbar bleiben. In der Regel geschehe dies aber, ohne den Menschen krank zu machen. Anders verhält sich die Situation bei immungeschwächten Menschen, z. B. Krankenhauspatienten. Für sie können die Keime zu einer Infektionsgefahr werden, gegen die kein Antibiotikum mehr hilft.
Im deutschen Verbraucherministerium wird davon ausgegangen, dass küchenhygienische Maßnahmen wie das Waschen, Schälen und Putzen von Gemüse auch gegen Antibiotika-resistente Bakterien wirksam sind. „Wenn Gemüse gegart wird, wird die Übertragung von Antibiotika-resistenten Bakterien oder deren Eigenschaften unwahrscheinlich“, heißt es dort.
Ein langfristiger Ausweg aus der Verkettung zwischen Antibiotika-Verwendung in der Tiermast und der daraus folgenden, für Pflanzen, Tiere und Menschen gefährlichen Resistenz-Entwicklung mancher Bakterien, besteht in einer Beschränkung der Antibiotika-Gabe an Tiere (kein prophylaktischer Einsatz für ganze Tierbestände) oder/und der Verwendung antibiotikafreier Düngemittel. Beides wäre vermutlich mit einem Anstieg des Lebensmittelpreises von Fleisch und Gemüse verbunden. Bislang werden Gülle und Mist in Deutschland weder auf Antibiotikarückstände noch auf resistente Bakterien wie Escherichia Coli oder Klebsiella kontrolliert.
Ein möglicher Weg für den Verbraucher, die Aufnahme von Antibiotika und Antibiotika-resistenten Keimen über Gemüse zu minimieren, kann der Kauf von Biogemüse sein. Biogemüse der großen Anbauverbände (z. B. Bioland, Demeter, Naturland) darf ausschließlich mit Gülle oder Mist aus Biomast gedüngt werden. Für einen Antibiotika-Einsatz in der biologischen Tierhaltung gelten sehr strenge Vorschriften. Zum Beispiel dürfen Antibiotika keinesfalls vorbeugend eingesetzt werden, und im Fall eines Einsatzes sind ausreichend lange Wartezeiten vor der Gewinnung von Lebensmittel-Produkten einzuhalten. Dadurch kann das Risiko einer Antibiotika-Belastung der Tiere und damit auch deren Produkte deutlich verringert werden.
Quelle:
Jost M (2011): Gemüse: Resistente Bakterien.
Zum Thema
BfR (5.12.2011): ESBL-bildende Bakterien in Lebensmitteln und deren Übertragbarkeit auf den Menschen
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 21. Juni 2011 um 07:14
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