AOK-Studie bescheinigt Deutschen unzureichende Ernährungskompetenz

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Dienstag, 25. August 2020

Laut einer bundesweit repräsentativen Erhebung verfügen über die Hälfte der Bundesbürger über eine problematische oder sogar inadäquate Ernährungskompetenz. Besonders betroffen sind Männer, junge Erwachsene sowie Menschen mit geringerem Bildungsabschluss und Einkommen.

Die Agentur „Facit Digital“ hat im Auftrag des AOK Bundesverbands knapp 2000 Erwachsene im Alter von 18 bis 69 Jahren zu ihrer Ernährungskompetenz befragt. Der Begriff Ernährungskompetenz (englisch: food literacy) umfasst Kompetenzen, den Ess- und Ernährungsalltag selbstbestimmt, verantwortungsbewusst und zugleich genussvoll zu gestalten. Hierzu zählt beispielsweise eine Mahlzeitenplanung, die den eigenen zeitlichen und finanziellen Ressourcen gerecht wird, die Berücksichtigung von gesundheitlichen Wirkungen und Vielfalt bei der Auswahl von Lebensmitteln, Aspekte einer schmackhaften, nährstoffschonenden Zubereitung und das Pflegen gemeinsamer Mahlzeiten.

In der aktuellen Studie wurden die Probanden online zu acht Themenfeldern der Ernährungskompetenz befragt: Gesund vergleichen, selbst zubereiten, Wahl der Vorräte, Mahlzeiten planen, gesund haushalten, gemeinsam essen, widerstehen können und smartes Snacken. Laut den Ergebnissen der Studie war es um die Ernährungskompetenz von mehr als der Hälfte der Befragten (53,7 Prozent) problematisch oder sogar inadäquat bestellt. Beim Vergleich zwischen den Geschlechtern schnitten Frauen besser ab als Männer (53 Prozent der Frauen vs. 38 Prozent der Männer mit ausreichender Ernährungskompetenz). Die Auswertung zeigte außerdem einen deutlichen Zusammenhang zwischen höheren Bildungsabschlüssen, einem höheren Einkommen und einer besseren Ernährungskompetenz. Während nur gut jeder Dritte mit einem Haupt- oder Volksschulabschluss (37,2 Prozent) über ausreichende Ernährungskenntnisse verfügte, wurden über die Hälfte der Menschen mit Abitur (56,4 Prozent) als ausreichend ernährungskompetent eingestuft.

Außerdem zeichneten sich deutliche Unterschiede zwischen den Altersgruppen ab. Nur jeder dritte 18- bis 24-Jährige (37 Prozent) wusste, wie eine gesunde Ernährung funktioniert. Bei den Senioren im Alter von 60 bis 69 Jahren war der Anteil beinahe doppelt so hoch (57 Prozent). Diese Entwicklung bezeichnete der AOK-Vorstandsvorsitzende als „alarmierend“. Auch Prof. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin und praktizierender Kinderarzt, sprach von einer „erschreckend ungünstigen Lage“. „Offensichtlich erwerben junge Menschen heute in Familie und Bildungseinrichtungen viel weniger Ernährungswissen und Handlungskompetenz als in früheren Generationen“, so Koletzko weiter. „Generell sehe ich bei jungen Eltern einen zunehmenden Rückgang der Fähigkeiten zur selbstständigen Zubereitung von Mahlzeiten aus Grundnahrungsmitteln. Dies ist auch deshalb problematisch, weil Fertigprodukte regelmäßig zu viel Kalorien, Zucker, gesättigtes Fett und Salz enthalten. So kommt es insgesamt zu einer schlechteren Ernährungsqualität in vielen Familien mit Kindern, gerade auch wenn diese nicht einfach zwischen schlechteren und besseren Fertigprodukten unterscheiden können.“ Eine Befähigung der Menschen zu einer gesunden Auswahl von Speisen und Getränken zum Schutz ihrer Gesundheit sei daher heute noch wichtiger als jemals zuvor.

Doch gerade daran scheint es zu hapern. Denn ausgerechnet in der Kompetenzdomäne „gesundes Vergleichen“ schnitten die Befragten am schlechtesten ab. Fast drei Vierteln der Probanden (72 Prozent) fehlen notwendige Kenntnisse, um aus einer Auswahl an Lebensmitteln die gesündeste Variante erkennen zu können. „Produktwahl zu treffen. „Es war höchste Zeit, dass die Lebensmittelampel, der sogenannte Nutri-Score, auch in Deutschland eingeführt wurde“, betont Litsch. „Allerdings bringt es nichts, wenn die Lebensmittelindustrie die Kennzeichnung von Nährstoffen nach Lust und Laune auf ihren Produkten platzieren darf. Hier brauchen wir eine Verpflichtung.“ Diese Ansicht teilen sogar Vertreter der Lebensmittelindustrie. „Inzwischen haben sich schon mehrere namhafte Unternehmen aus der Lebensmittelwirtschaft gemeinsam für die obligatorische Einführung auf EU-Ebene stark gemacht“, so Litsch.

Nicht nur um die Ernährungskompetenz der Bevölkerung scheint es unterm Strich schlecht zu stehen. Ähnliche Ergebnisse zeigte eine frühere Befragung zur allgemeinen Gesundheitskompetenz. Die AOK sieht die Stärkung der Ernährungs- und allgemeinen Gesundheitskompetenz als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Entsprechend müsste die Politik, insbesondere in den Bereichen Ernährung und Gesundheit, entsprechende Rahmenbedingungen schaffen, so die AOK.

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verfasst von am 25. August 2020 um 06:40

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