Auf der Suche nach besser verträglichem Weizen

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Dienstag, 2. Februar 2021

In einem groß angelegten Projekt untersuchen Wissenschaftler der Universität Hohenheim, welche Faktoren die Bekömmlichkeit von Weizen beeinflussen – von den Inhaltsstoffen über die Brotherstellung bis zum Endverbraucher. Nun liegen erste Ergebnisse aus dem Vergleich der Eiweißzusammensetzung von Weizen- und Dinkelsorten vor.

Unser tägliches Brot besteht meist überwiegend aus Weizenmehl. Allerdings klagen immer mehr Menschen über gesundheitliche Probleme nach dem Verzehr von Produkten, die aus Weizenmehl hergestellt wurden. Die Bandbreite an Symptomen ist groß und reicht von Kopfschmerzen über Bauchschmerzen, Durchfall und Erbrechen bis zu Neurodermitis und Depression. Interessanterweise vertragen manche davon Betroffene Dinkelprodukte gut, obwohl Weizen und Dinkel eng miteinander verwandt sind. Andere haben festgestellt, dass ihnen einzelne Weizenprodukte von speziellen Bäckern keine Probleme bereiten. Wie kann das sein?

Eine Forschergruppe an der Universität Hohenheim sucht in einem dreistufigen Forschungsprojekt nach Erklärungen für diese Phänomene. „Eine Rolle könnten möglicherweise manche im Mehl bzw. im Brot enthaltenen Proteine spielen“, erläutert Prof. Dr. med. Stephan C. Bischoff vom Institut für Ernährungsmedizin. „Einige wenige Menschen leiden unter Zöliakie oder allergischen Reaktionen nach dem Verzehr von Weizen. Sie müssen Weizen tatsächlich komplett meiden. Und beide Krankheitsbilder werden durch verschiedene Proteine [Eiweiße] ausgelöst. Der Auslöser der Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität (NCWS) dagegen ist noch nicht geklärt, doch man hat auch hier Proteine in Verdacht.“

Dinkel und Weizen gehörten zwar botanisch zur selben Art, allerdings gibt es von beiden Dutzende verschiedene Sorten, die sich erheblich in ihren Eigenschaften unterscheiden. „Deswegen haben wir unser Forschungsprojekt auf drei Säulen aufgebaut“, erklärt apl. Prof. Dr. Friedrich Longin vom Arbeitsgebiet Weizen an der Landessaatzuchtanstalt. „Zunächst untersuchen wir die Proteine in verschiedenen Weizen- und Dinkelsorten, dann deren Veränderungen während der Brotherstellung, und schließlich bewerten wir die Auswirkungen in einer Humanstudie.“

Aus der ersten Teilstudie, in der jeweils 15 Weizen- und Dinkelsorten und das daraus hergestellte Mehl analysiert wurden, liegen nun Ergebnisse vor. Bei der Auswahl der Sorten wurde darauf geachtet, dass sie repräsentativ für die Produktion von Dinkel und Brotweizen in Deutschland sind. Sie wurden jeweils an drei Standorten in Deutschland und Frankreich angebaut. Um Aufschluss über die Proteinzusammensetzung der Proben zu erhalten, wurden die Proben per Massenspektrometrie analysiert. So können in einer einzigen Analyse mehrere tausend Proteine eines Organismus erfasst werden. Bei ihren Analysen konnten die Wissenschaftler 2.770 Proteine in Brotweizen und 3.050 Proteine in Dinkel nachweisen. „Erstaunlich war, dass rund ein Drittel aller Proteine sich bei Weizen und Dinkel in ihrer Expression signifikant unterschieden“, betont Dr. Jens Pfannstiel vom Modul Massenspektrometrie in der Core Facility Hohenheim (CFH). „Doch am meisten hat uns der große Umwelteinfluss überrascht“, ergänzt Prof. Longin. „Für rund die Hälfte aller gebildeten Proteine ist der Anbauort prägend. Das bedeutet aber auch, dass man diese Proteine nicht zielgerichtet beeinflussen kann.“ Darüber hinaus bestanden starke Unterschiede sowohl innerhalb der Weizenunterarten als auch innerhalb der Dinkelunterarten. Von den Proteinen, deren Bildung nicht von der Umwelt abhängig war, kamen zwei Drittel nur in einigen Sorten und noch dazu in unterschiedlichen Mengen vor. „Diese Proteine wiederum sind sehr interessant, da sie über die Auswahl der Sorte beeinflusst werden können“, erklärt Prof. Longin.

Basierend auf dem Gehalt an 22 Proteinen, die in Fachkreisen als mögliche Auslöser von Weizenallergie, Bäckerasthma und Weizensensitivität diskutiert werden, haben die Wissenschaftler für die getesteten Sorten einen „Allergenindex“ berechnet. Sie fanden sowohl bei den Weizen- als auch bei den Dinkelsorten eine große Schwankungsbreite. Je nach verglichenen Sorten unterschied sich der Gehalt an potenziell allergenen Proteinen um das bis zu 20-Fache.

„Bei der Auswahl des Mehls liegt der Fokus heute vor allem auf der Backqualität“, erläutert Prof. Longin. „Größtenteils wissen die Bäcker gar nicht, welche Sorte sie gerade verwenden. Dabei gäbe es die Möglichkeit, die Proteinzusammensetzung und somit Qualität und Verträglichkeit von Weizenprodukten durch die Auswahl geeigneter Sorten zu beeinflussen.“ Voraussetzung hierfür sei allerdings, dass die benötigte Messtechnik einfacher und schneller wird. Mit Blick auf die Überempfindlichkeitsreaktionen weist Prof. Bischoff auf weiteren Forschungsbedarf hin: „Unsere Daten können lediglich als Ausgangspunkt für zukünftige Forschungen dienen.“ Im nächsten Schritt werden die Wissenschaftler Vorgänge bei der Brotherstellung genauer untersuchen. Für die darauffolgende Humanstudie werden noch Probanden gesucht, die zwar nach dem Verzehr von Weizenprodukten Krankheitssymptome verspüren, bei Dinkelkonsum dagegen keine Beschwerden haben.

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verfasst von am 2. Februar 2021 um 08:06

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3 Kommentare zu “Auf der Suche nach besser verträglichem Weizen”

  1. Simone sagt:

    ich sehe die Probleme nicht so sehr in den Weizensorten (auch, aber nicht vorrangig), sondern in der Herstellung von Backwaren mit vielen unterschiedlichen Beimischungen, Zusatzstoffen, die die Backzeit verkürzen sollen. Ist da schon einmal der Fokus drauf verwendet worden?
    Ich selber habe zeitweise Probleme mit Brot und Backwaren gehabt, durch eine konsequente Verwendung von Bio-Qualität mit Sauerteig bin ich jedoch nahezu beschwerdefrei geworden.

  2. Annette sagt:

    Spannend!
    Würde mich freuen , wenn Sie uns darüber weiter auf dem Laufenden halten!

  3. Viviane sagt:

    Danke für das Aufzeigen der Alternativen und das Zusammenstellen der Informationen. Viele Grüße

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