Bereits im Kindesalter folgen auf starkes Übergewicht häufig Stoffwechselerkrankungen

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Donnerstag, 17. Oktober 2019

Sind Kinder und Jugendliche erst einmal übergewichtig, ist nicht nur die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie es auch als Erwachsene bleiben. Bereits im Kindes- und Jugendalter begünstigt abdominale Adipositas die Manifestation von Stoffwechselstörungen, die das Risiko für Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich erhöhen. Ebenso wie bei Adipositas gilt: Der Rückweg hin zu einem normalen Stoffwechsel ist extrem schwer.

Im Rahmen der europäischen IDEFICS/I.Family-Kohortenstudie haben Wissenschaftler untersucht, wie sich der Stoffwechselstatus vom Kleinkindalter bis in die Jugend entwickelt. Hierfür analysierten sie Daten von 6.768 Kindern aus acht europäischen Ländern (Deutschland, Belgien, Schweden, Ungarn, Estland, Spanien, Italien und Zypern). Zu Beginn der Studie (2007/2008) waren die Kinder zwischen zwei und neun Jahre alt, weitere Erhebungen fanden nach zwei (2009/2010) und sechs Jahren (2013/2014) statt. Bei jedem Erhebungstermin wurden die Eltern zum Lebensstil und zu den Ernährungsgewohnheiten ihrer Kinder befragt. Außerdem fand eine körperliche Untersuchung der Kinder statt, und Blut-, Speichel- und Urinproben wurden gesammelt. „Insbesondere Blutparameter sind bei jungen Kindern schwierig zu erheben, was unsere Datenbasis so außergewöhnlich und selten macht“, erläutert Studienerstautorin Dr. Claudia Börnhorst vom federführenden Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS). „Diese Daten ermöglichten es uns, Veränderungen im metabolischen Status von Kleinkindern bis hin in die Jugend zu analysieren.“

Bei der Auswertung der Daten kristallisierten sich fünf zentrale Stoffwechselgruppen heraus. Knapp zwei Drittel der Kinder waren zum Zeitpunkt der Basiserhebung metabolisch gesund (Gruppe 1: 61,5 Prozent). Zur zweitgrößten Gruppe zählten die Kinder mit einem erhöhten Taillenumfang (abdominale Adipositas, 15,9 Prozent). Knapp jedes zehnte Kind wies eine Fettstoffwechselstörung auf (Gruppe 3: 9,0 Prozent), 7,0 Prozent der Kinder hatten Bluthochdruck (Gruppe 4) und fast ebenso viele Kinder (6,6 Prozent) erfüllten bereits bei der Basiserhebung mehr als eine Komponente des Metabolischen Syndroms. Hierzu zählen Fettleibigkeit, Bluthochdruck, schlechte Blutfettwerte sowie erhöhte Blutzucker-/Insulinwerte.

Waren die Kinder bei der Basiserhebung stoffwechselgesund, traf dies mit großer Wahrscheinlichkeit auch für die beiden Folgeerhebungen zu: Die Wahrscheinlichkeit, beim ersten Follow up ebenfalls stoffwechselgesund zu sein, betrug 86,6 Prozent und für den Folgezeitraum 90,1 Prozent. Mit 6,7 Prozent war die Wahrscheinlichkeit der ursprünglich stoffwechselgesunden Probanden, zwei Jahre später abdominal adipös zu sein, vergleichsweise gering. Den Weg von der abdominalen Adipositas zurück zur Stoffwechselgesundheit schafften allerdings nur 2,3 Prozent der Kinder. Die meisten Kinder, die bei der Basiserhebung abdominal adipös waren, blieben dies mit großer Wahrscheinlichkeit auch zwei Jahre später (79,3 Prozent), manche wiesen sogar zwischenzeitlich mehrere Komponenten des Metabolischen Syndroms auf (18,5 Prozent). Auch für die Probanden, die bereits bei der Basiserhebung Bluthochdruck oder mehrere Komponenten des Metabolischen Syndroms hatten, war die Wahrscheinlichkeit, wieder stoffwechselgesund zu werden, minimal. Einzig die Kinder aus der Gruppe mit den Fettstoffwechselstörungen hatten eine gute Chance, bei der nächsten Erhebung wieder zu den Stoffwechselgesunden zu zählen.

„Abdominelles Übergewicht scheint tatsächlich bereits bei Kindern der Startpunkt für weitere metabolische Störungen wie beispielsweise Bluthochdruck oder Lipidstörungen zu sein“, folgert Dr. Börnhorst. „Überraschend fanden wir, dass es selbst in dem betrachteten 6-Jahres-Zeitraum kaum ein Kind aus der Gruppe mit mehreren Komponenten des Metabolischen Syndroms zurück in den metabolisch gesunden Status schaffte. Dies unterstreicht nochmal, wie wichtig es ist, frühzeitig zu intervenieren. Schon bei ersten Tendenzen in Richtung Übergewicht sollte gegengelenkt werden, damit Kinder erst gar nicht in den kaum reversiblen metabolisch ungesunden Status gelangen.“

Um die langfristigen Folgen verschiedener Lebensstile abschätzen zu können, ist es wichtig, Probanden über längere Zeiträume wissenschaftlich zu begleiten. Daher plant das Forscherteam bereits die erneute Befragung der dann 12 bis 22 Jahre alten Teilnehmer.

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verfasst von am 17. Oktober 2019 um 08:19

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