Beugt Fischöl Übergewicht bei Kindern vor?
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Freitag, 13. Januar 2012
Sicherlich wünschen sich alle Eltern einen möglichst gesunden Start ihrer Kinder in das Leben. Die ersten Weichen hierfür werden bereits in der Frühschwangerschaft gestellt. Längst ist bekannt, dass durch die zusätzliche Aufnahme von Folsäure während der Schwangerschaft Neuralrohrdefekte vermieden werden können. Gegebenenfalls kann auch eine Substitution von Jod oder Eisen sinnvoll sein. Manche Mütter gehen aber noch einen Schritt weiter: Durch die zusätzliche Aufnahme von Fischöl während der Schwangerschaft und Stillzeit hoffen sie, ihr Kind vor Übergewicht schützen zu können. Kann das funktionieren?
Wissenschaftlich ist der Zusammenhang zwischen der Aufnahme bestimmter Fettsäuren während der Schwangerschaft und der Gewichtsentwicklung des Nachwuchses nicht gesichert. Die zunehmende Problematik von Übergewicht und Adipositas bereits in jungen Jahren macht diesen Bereich jedoch zu einem interessanten Forschungsgebiet. In einer von der Europäischen Union und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützten Studie untersuchen Wissenschaftler an der Technischen Universität in München den Zusammenhang zwischen der Fettsäureaufnahme während der Schwangerschaft und der Entwicklung des Kindes. Ausgangspunkt der Untersuchungen ist die Hypothese, dass bereits während der Schwangerschaft das spätere Gewicht der Nachkommen festgelegt wird. Nimmt die Mutter in dieser Zeit viele „schlechte Fette“ auf, fördert dies die Bildung von kindlichen Fettzellen, „gute Fette“ (reich an Omega-3-Fettsäuren), die insbesondere in fettreichen Fischen enthalten sind, sollen dagegen vor späterem Übergewicht schützen – soweit die Theorie.
Im Praxistest sah die Situation etwas anders aus: An der Studie nahmen insgesamt 208 schwangere Frauen teil. Die Frauen wurden zufällig auf zwei Gruppen verteilt. Die eine Gruppe erhielt ab der 15. Schwangerschaftswoche Fischölkapseln zur vermehrten Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren.
Außerdem wurde den Frauen nahegelegt, Arachidonsäure-reiche Lebensmittel (Omega-6-Fettsäure) zu meiden und ihre Fleischaufnahme auf 500 g pro Woche zu beschränken. Hierdurch sollte das Verhältnis zwischen „guten“ und „schlechten“ Fettsäuren weiter verbessert werden. Die Frauen der anderen Gruppe (Kontrollgruppe) erhielten allgemeine Informationen zu einer gesunden, ausgewogenen Ernährung während der Schwangerschaft und wurden gebeten, keine Fischölsupplemente einzunehmen.
Im Ergebnis unterschieden sich die Kinder beider Gruppen nicht voneinander: Weder direkt nach der Geburt noch im Alter von zwölf Monaten ließen sich signifikante Unterschiede in der Fettgewebsentwicklung oder der Dicke der Fettschicht im oberen Bauchbereich feststellen. Demnach sind Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft und zu Beginn der Stillzeit Fischölkapseln erhalten haben, genauso schlank oder rund wie die Kinder der Kontrollgruppe. Folgeuntersuchungen sollen zeigen, ob sich bis zum Alter von fünf Jahren Unterschiede zwischen den beiden Gruppen herausbilden. Neben der Gewichtsentwicklung wird auch die Entstehung von Asthma und Neurodermitis verglichen.
Unabhängig von zukünftigen Studienergebnissen sollten (werdende) Eltern daran denken, dass die gesundheitliche Prägung im Mutterleib nur einer von vielen Faktoren ist, der für spätere Erkrankungen prädisponiert. Gerade im Falle von Übergewicht und Adipositas sind Umweltfaktoren, insbesondere das erlernte Ernährungs- und Bewegungsverhalten, wahrscheinlich von weitaus größerer Bedeutung. Wer hier seinem Kind ein gutes Vorbild und zugleich auch Partner ist, erreicht sicher mehr als mit der Einnahme von Fischölkapseln während Schwangerschaft und Stillzeit.
Quellen:
- H. Hauner, D. Much, C. Vollhardt (2011): Effect of reducing the n-6:n-3 long-chain PUFA ratio during pregnancy and lactation on infant adipose tissue growth within the first year of life: an open-label randomized controlled trial. American Journal of Clinical Nutrition
- Technische Universität München (2012): Fischöl in der Schwangerschaft schützt nicht vor Übergewicht. Pressemitteilung vom 04.01.2012.
Zum Weiterlesen
- (Sehr) dicke Kinder, weniger gewichtige Erwachsene – sinkendes Herzinfarktrisiko
- Gemeinsam isst es sich gesünder
- Verlockungen in Schulnähe oder ungesundes Angebot vor Ort…
- Das „ISO-Syndrom“
- Gesundes Essen für Kinder
- Was Hänschen nicht lernt…
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 13. Januar 2012 um 13:23
vorheriger Artikel: Säure-Basen-Haushalt und Ernährung – was stimmt?
nächster Artikel: Schweinebraten ist das Leibgericht der Deutschen
DEBInet-Ernährungsblog - über uns
Unsere Autoren schreiben für Sie über Aktuelles und Wissenswertes aus Ernährungswissenschaft und Ernährungsmedizin. Die redaktionell aufbereiteten Texte richten sich nicht nur an Experten, sondern an alle, die sich für das Thema "Ernährung" interessieren.
Sie können sich die Beiträge per Newsletter zuschicken lassen oder diese über RSS-Feed oder Twitter abonnieren.
Für die Schriftenreihe der Gesellschaft für Rehabilitation bei Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e.V. (GRVS) wurden 222 unserer Blog-Artikel ausgewählt. Das dabei entstandene Ernährungs-Lesebuch ist 2017 im Pabst Science Publishers Verlag erschienen und steht Ihnen hier kostenlos zum Download zur Verfügung
© 2010-2024 Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
In Fischölkapseln liegt Fischöl in konzentrierter Form vor – häufig höher dosiert (und laut Werbung besser wirksam) als in natürlichem Fisch.
Hallo, Fischölkapseln und Fischöle sind doch nicht das gleiche, oder? Fischölkapseln haben eine ganze Reihe von Prozessen hinter sich und sind dementsprechend mehr oder weniger mit Chemie bearbeitet worden.