Bier auf Wein, das lass sein?
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Donnerstag, 14. März 2019
Den Ratschlag „Bier auf Wein, das lass sein – Wein auf Bier, das rat‘ ich dir!“ dürfte wohl fast jeder schon einmal gehört haben. Doch macht es tatsächlich Sinn, sich daran zu halten?
„Einmal in meinem Leben wollte ich eine Studie durchführen, die einfach nur Spaß macht – und gleichzeitig höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, absolut wasserdicht ist“, schwärmt Dr. Kai Hensel von der Universität Witten/Herdecke vor dem Magazin „Spiegel“. Und so kamen Hensel und seine Kollegen auf die Idee, zu überprüfen, ob sich die Empfehlung, beim Alkoholgenuss auf die Reihenfolge von Bier und Wein zu achten, wissenschaftlich begründen lässt. Der Artikel zu dieser Studie, die aktuell im American Journal of Clinical Nutrition veröffentlicht wurde, macht auch beim Lesen Spaß…
An der Studie nahmen 90 gesunde Erwachsene im Alter von 19 bis 40 Jahren teil. Die Hälfte der Teilnehmer waren weiblich. Die Studienteilnehmer wurden nach dem Zufallsprinizip in drei Gruppen eingeteilt, die sich laut Studienplan an zwei Terminen kontrolliert betrinken sollten. Um möglichst gleiche Ausgangsbedingungen zu schaffen, wurden alle Probanden gebeten, eine Woche vorab keinen Alkohol zu trinken. Außerdem erhielten sie direkt vor der Intervention eine standardisierte Mahlzeit.
Probanden der ersten Gruppe tranken bei ihrem ersten Termin zunächst Pils bis zu einer Atem-Alkoholkonzentration von 0,5 Promille. Danach stiegen sie auf einen Gutedel-Bio-Weißwein um, bis sie einen Alkoholpegel von 1,1 Promille erreichten. Selbstverständlich konnten die Probanden bei Unwohlsein auch früher aus dem Experiment aussteigen. Am nächsten Termin, der mindestens eine Woche später stattfand, starteten die Probanden der ersten Gruppe mit Wein und tranken anschließend Bier. In der zweiten Gruppe war die Reihenfolge von Bier und Wein vertauscht, ansonsten entsprach das Studiendesign jenem der ersten Gruppe. Dagegen blieben die Probanden der dritten Gruppe, der Kontrollgruppe, an jedem Termin bei einem Getränk und erhielten am darauffolgenden Termin das jeweils andere.
Ursprünglich hatten die Wissenschaftler geplant, zusätzlich eine Kontrollgruppe einzubeziehen, die alkoholfreies Bier und Wein erhielt, allerdings scheiterte dies an der Compliance der Probanden in der Pilotstudie: Manche der Teilnehmer dieser Gruppe versorgten+ sich bei den Teilnehmern der anderen Versuchszweige mit den alkoholhaltigen Varianten, andere schmuggelten sich Alkohol ein oder stiegen aus Enttäuschung vorzeitig aus der Pilotstudie aus.
Zum Erreichen des vorgegebenen Promillewerts benötigten die ersten beiden Gruppen im Mittel 1,2 bis 1,4 Liter Bier plus 0,6 bis 0,7 Liter Wein, in der Kontrollgruppe waren es 2,6 Liter Bier beziehungsweise 1,2 Liter Wein. Direkt beim Erreichen des Ziel-Promillewerts wurden Probanden gebeten, auf einer Skala zwischen 0 und 10 ihre Betrunkenheit einzuschätzen. Außerdem erhielten sie eine genau festgelegte Menge Wasser zu trinken (6 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht), bevor sie ihren Rausch unter medizinischer Beobachtung ausschlafen konnten. Am nächsten Morgen wurden alle Teilnehmer mittels der „Acute Hangover Scale“ (AHS) zu den Katersymptomen Müdigkeit, Durst, Kopfschmerz, Übelkeit, Magenschmerzen, Benommenheit, Tachykardie und Appetitverlust befragt.
Die Wissenschaftler stellten fest, das sich die AHS-Werte zwischen den Gruppen und auch auf individueller Ebene nicht statistisch signifikant voneinander unterschieden. Demnach spielte es für das Befinden der Probanden am Morgen nach dem Alkoholgenuss keine Rolle, ob sie zuerst Bier oder Wein getrunken hatten oder auch nur bei einem Getränk geblieben waren. Die Katersymptome waren bei Frauen im Schnitt stärker ausgeprägt als jene der Männer. Wurde bei der Auswertung allerdings berücksichtigt, dass sie höhere Blutalkohol-Maximalwerte erreicht hatten, bestand kein Geschlechtsunterschied mehr.
Teilnehmer, die sich nach dem Experiment besonders betrunken fühlten oder sich übergeben mussten, hatten am nächsten Morgen den stärksten Kater. Anhand von Rausch und Übelkeit kann man demnach gut auf den zu erwartenden Hangover am nächsten Tag schließen. Die Reihenfolge der Getränke spielt dabei – zumindest laut den Ergebnissen der aktuellen Studie – keine Rolle. „Unsere Resultate sollten taktischen Trinkern die Gewissheit rauben, dass sie die Folgen einer feucht-fröhlichen Nacht mildern können, indem sie sorgfältig auf die Reihenfolge der Getränke achten“, folgern Hensel und seine Kollegen. Allerdings wurden in der aktuellen Studie nur jeweils eine Sorte Bier und Wein verwendet. Ob das Ergebnis sich für alle Bier- und Weinsorten verallgemeinern lässt, ist nicht bekannt.
Möglicherweise bezog sich die Redewendung „Bier auf Wein, das lass sein – Wein auf Bier, das rat‘ ich dir!“ ursprünglich nicht auf die Reihenfolge des Trinkens alkoholischer Getränke bei einem Anlass. Im Mittelalter war Dünnbier für das allgemeine Volk erschwinglich, während Wein den Wohlhabenden in der Gesellschaft vorbehalten blieb. Wer also früher Bier getrunken hatte und dann auf Wein umstieg, hatte den sozialen Aufstieg zur Elite geschafft. Umgekehrt signalisierte der Konsumwandel von Wein auf Bier den gesellschaftlichen Untergang.
Quellen einblenden
- J. Köchling, B. Geis, S. Wirth, K. O. Hensel (2019): Grape or grain but never the twain? A randomized controlled multiarm matched-triplet crossover trial of beer and wine. American Journal of Clinical Nutrition 109: Seite 345-352
- I. Berres (2019): Bier auf Wein, das lass sein. Stimmt das? Spiegel Online, Artikel vom 08.02.2019.
- D. Bayer (2016): Stimmt: Bier auf Wein, das lass sein – Wein auf Bier, das rat ich dir? Wein Verstehen, Onlineartikel vom 11.09.2016
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 14. März 2019 um 07:54
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