Wenn Deutschland isst: Essen als Nebensache
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Mittwoch, 27. März 2013
Studie „Iss was, Deutschland“ untersucht Essverhalten
In einer Hand das Handy, in der anderen die Gabel. Für zwei von fünf 18- bis 35-Jährigen ist Essen nur noch eine Nebenbeschäftigung. Dies ergab die Studie „Iss was, Deutschland?“, die im Auftrag der Techniker-Krankenkasse durchgeführt wurde. Für die repräsentative Studie wurden im Januar 2013 1000 Erwachsene zu ihrem Essverhalten befragt.
Die Studie zeigt, dass viele Deutsche beim Essen nicht bei der Sache sind. Bei den Jüngeren gaben zwei von fünf Befragten an, beim Essen häufig fernzusehen, im Internet zu surfen oder in Zeitschriften zu blättern. Ein wichtiges Kriterium ist hierbei die Haushaltsgröße: Singles suchen besonders häufig nach Ablenkung während des Essens (jeder zweite Singlehaushalt). Bei Gesellschaft am Tisch hat das Handy Pause und der Fernseher bleibt eher aus: Nur ein Viertel der Zwei- und Dreipersonenhaushalte und ein Sechstel der Vier- und Mehrpersonenhaushalte lassen sich beim Essen medial ablenken.
Nach welchen Kriterien werden Mahlzeiten ausgewählt? Hauptsache, es schmeckt – dieser Ansicht waren fast die Hälfte der Befragen (45 Prozent). Jeder Dritte achtet auf eine gesunde Ernährung. Im Alltag fällt dies allerdings nicht leicht. Für die Hälfte der Befragten sind fehlende Zeit und Ruhe die größten Hindernisse für eine gesunde Ernährung. Jeder dritte Berufstätige war der Ansicht, dass eine gesunde Ernährung an seinem Arbeitsplatz zeitlich, aber auch wegen der begrenzten Auswahl an Speisen nicht möglich ist. Häufig siegt aber auch der innere Schweinehund und so gaben zwei von fünf Befragten an, ihnen fehlten der Wille und das nötige Durchhaltevermögen, sich langfristig gesund zu ernähren. Bei Geringverdienern scheiterte eine gesunde Ernährung außerdem am notwendigen Geld. Zugleich legen aber gerade die Geringverdiener mit weniger als 1.500 Euro Monatseinkommen großen Wert auf die tägliche Portion Fleisch.
Der kleine Unterschied: Worauf achten Frauen beim Essen, was ist Männern wichtig? Wenn es um eine ausgewogene Ernährung geht, haben Frauen ganz klar die Nase vorne. Dafür lassen sich Frauen beim Essen stärker durch ihre schlechte Stimmung beeinflussen. Zwei von fünf Frauen, aber nur jeder fünfte Mann zählen der Studie zufolge zu den Frustessern. Ein weiterer Unterschied: Männern ist es in erster Linie wichtig, dass ihr Essen schmeckt. Frauen achten dagegen mehr auf gesundheitliche Werte und den Energiegehalt der Speisen.
Was kommt auf den Tisch? Täglich selbst gekochte warme Mahlzeiten sind in Haushalten hierzulande nicht mehr selbstverständlich. Nur in jedem zweiten Haushalt wird täglich eine warme Hauptmahlzeit zubereitet. Während in jeder dritten Familie immerhin drei- bis fünfmal wöchentlich gekocht wird, wird in den anderen Haushalten meistens nicht mehr selbst der Kochlöffel geschwungen. Stattdessen lockt der Griff zum Fertiggericht: Zwei von fünf Menschen entscheiden sich ein- bis zweimal pro Woche für Tiefkühlpizza und Tütensuppen. Auch Fast Food außer Haus ist sehr beliebt, insbesondere in der Gruppe der jungen Erwachsenen. Ein Drittel der unter 25-Jährigen räumte ein, mindestens dreimal pro Woche bei einem Imbiss zu speisen. Von den Befragten unter 35 Jahren griff jeder Fünfte ein- bis zweimal wöchentlich zu Burgern, Pommes oder Currywurst.
Und was tun die Deutschen für eine gesunde Ernährung? Bei vier von fünf Probanden steht eigenen Angaben zufolge mindestens dreimal pro Woche Gemüse auf dem Tisch. Und über die Hälfte der befragten Frauen (55 Prozent) und gut zwei Fünftel der Männer (44 Prozent) achten nach eigener Aussage generell aufs Essen. Drei Viertel der Frauen und die Hälfte der Männer gaben an, sich vorwiegend gesund zu ernähren. Der Anteil derjenigen, die sich ausgewogen ernähren, steigt mit zunehmendem Alter.
Gesunde Ernährung und Zeit zum Essen scheinen dennoch keine Selbstverständlichkeit zu sein. Und so fordert Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker-Krankenkasse mehr Raum im Alltag für Ernährung. Wichtig seien keine stundenlangen Mahlzeiten, aber während des Essens sollte die Aufmerksamkeit beim Essen bleiben. Baas hofft, über die Ernährung Übergewicht und Herz-Kreislauf-Krankheiten eindämmen zu können. Wichtige Anknüpfungspunkte für Aufklärung und Verbesserungen sieht er in Kitas, Schulen und Betrieben. Für eine erfolgreiche Prävention ernährungsmitbedingter Erkrankungen muss jedoch noch viel unternommen werden. Dementsprechend lautet Baas’ Fazit: „Es ist ein mühsamer Weg.“
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 27. März 2013 um 06:58
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Wenn die Geringverdiener Schwierigkeiten haben, gesundes Essen auf den Tisch zu bekommenliegt das auch an den falschen Rezepten.
Günstig kann auch gesund sein, mit „Fleischlos“ muss man sich zunächst (wieder) anfreunden.
Ich habe jedenfalls viele Rezepte mit preiswerten und saisonalen Zutaten entwickelt.
Leider ist das Essen oft zur Nebensache geworden.
In der Hektik ißt man im Büro nebenher, macht kurz
Pause und schlingt etwas hinunter ohne darauf zu
achten was man ißt.
Man sollte mehr Wert darauf legen, bewußter zu
essen.
VG
Christine Spindler