Erfolgreiches Forschungsprojekt: 2 Apfelsorten mit Allergiesiegel ausgezeichnet
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Donnerstag, 2. Juni 2022
Gemeinsam mit der Züchtungsinitiative Niederelbe (ZIN) haben Wissenschaftler verschiedener deutscher Universitäten zwei allergikerfreundliche Apfelsorten entwickelt. Die neuen Apfelsorten haben vor kurzem das Siegel der Europäischen Stiftung für Allergieforschung erhalten und werden voraussichtlich in drei bis vier Jahren in Supermärkten angeboten.
Apfelallergien treten häufig als Kreuzreaktionen zu Birkenpollenallergien auf. Um die typischen Symptome einer Allergie1 zu vermeiden, sollten Apfelallergiker besser auf rohe Äpfel verzichten. Dagegen vertragen viele Allergiker erhitzte Äpfel (beispielsweise in Form von Apfelkompott oder -kuchen) problemlos. Denn die allergieauslösenden Komponenten im Apfel (Allergene) werden durch Hitze zerstört. Möglicherweise hilft es auch, auf alte Apfelsorten wie Alkmene und Roter Boskoop umzusteigen. Denn die darin reichlich vorkommenden Phenole können Apfelallergene inaktivieren. Dies macht die Äpfel verträglicher für Apfelallergiker.
Wissenschaftler der Hochschule Osnabrück, der Technischen Universität München (TUM) und der Charité-Universitätsmedizin Berlin haben in Kooperation mit der ZIN in einem fünfjährigen Forschungsprojekt besonders gut verträgliche Apfelsorten für Apfelallergiker entwickelt.
Prof. Werner Dierend, Leiter des Fachgebiets Obstbau an der Hochschule Osnabrück, und seine Mitarbeiter konnten hierfür auf einen Pool von über 700 Apfelsorten aus dem Züchtungsprogramm der ZIN zugreifen. „Da bekannt ist, dass verschiedene Sorten ein unterschiedliches Allergenpotential aufweisen, war bei uns die Zuversicht groß, dass wir in diesem Sortenpool eine oder vielleicht auch mehrere allergikerfreundliche Sorten finden werden“, berichtet Prof. Werner Dierend rückblickend. Im nächsten Schritt versendeten die Osnabrücker Apfelproben nach München.
An der TUM erfolgten Analysen zur Bestimmung des Allergengehalts der Apfelsorten. „Die Mehrzahl der Apfelallergiker in Nord- und Mitteleuropa sowie Nordamerika reagiert auf das Allergen Mal d1, da dieses Protein eine sehr ähnliche Molekülstruktur hat wie das Allergen Bet v1 in Birkenpollen. Das heißt, Birkenpollenallergiker spüren häufig auch unangenehme Nebenwirkungen beim Verzehr von Äpfeln“, erläutert Prof. Wilfried Schwab, Professor für Biotechnologie der Naturstoffe an der TUM. Schwab und sein Team untersuchten daher insgesamt 700 verschiedene ZIN-Sorten auf ihren Mal d1-Gehalt.
Die Apfelsorten mit besonders geringem Allergengehalt schickte das Münchner Forscherteam nach Berlin an die Charité. Hier erfolgte ein oraler Provokationstest. Prof. Karl-Christian Bergmann und seine Mitarbeiter ließen Apfelallergiker zunächst 30 Gramm und danach 100 Gramm der frischen Apfelproben verzehren. Im Anschluss daran bewerteten die Allergiker die Intensität der auftretenden typischen Allergiesymptome mittels einer dreistufigen Skala.
Die Provokationstests erfolgten über einen Zeitraum von mehreren Jahren, um neben dem Einfluss der Sorte auch andere Einflussfaktoren untersuchen zu können. Hinzu kommt, dass viele Apfelallergiker unterschiedlich auf verschiedene Sorten reagieren. Im ersten Testjahr testeten die Wissenschaftler 19 ZIN-Sorten, im Jahr darauf 22 Sorten (17 davon zum zweiten Mal). Im Zuge der Provokationstests stellten die Forscher fest, dass die Probanden einige der neu getesteten Apfelsorten besser vertrugen als Äpfel der Sorte „Santana“. Ein beachtlicher Erfolg, denn „Santana“-Äpfel gelten bereits als besonders allergikerfreundlich.
Als besonders vielversprechend kristallisierten sich zwei neue Apfelsorten heraus. Sie sind zwar nicht allergenfrei, werden aber von vielen Apfelallergikern gut vertragen. „Trotz der genauen Untersuchungen wird es nie möglich sein, komplett allergenfreie Äpfel zu entwickeln – allergikerfreundliche Äpfel sind aber schon für viele Allergikerinnen und Allergiker erstmals wieder eine Möglichkeit, ohne Folgen in einen Apfel beißen zu können“, erläutert Schwab.
Die neuen Apfelsorten werden aktuell noch unter den Kürzeln ZIN 168 und ZIN 186 geführt. Beide Apfelsorten tragen als erste Apfelsorten überhaupt das ECARF-Siegel für allergiefreundliche Produkte der Europäischen Stiftung für Allergieforschung. Die Wissenschaftler rechnen damit, dass die beiden Apfelsorten ab 2025 oder 2026 in Supermärkten angeboten werden.
1 Juckreiz, Kribbeln im Mund sowie Anschwellen von Lippen, Zunge und Mundschleimhaut
Quellen einblenden
- Technische Universität München (TUM, 2022): Europäische Stiftung für Allergieforschung vergibt Siegel für Apfelsorten: Allergikerfreundliche Apfelsorten. Pressemitteilung vom 30.03.2022
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 2. Juni 2022 um 11:33
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