Erhöhte Mortalität bei Low- und High-Carb-Diäten: Es kommt auf die Substitute an
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Freitag, 6. September 2019
In einer aktuell publizierten Studie war sowohl eine auffallend geringe als auch eine vergleichsweise hohe Kohlenhydrataufnahme mit einer geringeren Lebenserwartung assoziiert. Allerdings scheint in diesem Zusammenhang von Bedeutung zu sein, ob die Lebensmittel, die anstelle der Kohlenhydratlieferanten verzehrt werden, tierischen oder pflanzlichen Ursprungs sind.
Low-Carb-Diäten, bei denen der Verzehr von Kohlenhydraten zugunsten von eiweiß- oder fettreichen Lebensmitteln eingeschränkt wird, scheinen sich fest als Methode zur Gewichtsreduktion etabliert zu haben. Allerdings ist wenig über die langfristigen Folgen solcher Diäten bekannt. Bereits im April berichteten wir über Ergebnisse der ARIC-Studie, bei der Probanden mit einer Kohlenhydrataufnahme von unter 44,8 Prozent der täglich aufgenommenen Energie häufiger Vorhofflimmern hatten. In einer weiteren Studie, die ebenfalls auf Daten der ARIC-Studie basiert, wurde der Zusammenhang zwischen der Kohlenhydrataufnahme und der Lebenserwartung untersucht. Von besonderem Interesse war dabei für die Studienleiterin Dr. Sara Seidelmann und ihre Kollegen, ob die Art der Lebensmittel, die anstelle der kohlenhydratreichen Lebensmittel verzehrt wurden, diesen Zusammenhang beeinflusst.
Im Rahmen ihrer Studie wertete Seidelmann gemeinsam mit ihren Kollegen Daten von 15.428 Probanden der ARIC-Studie aus. Alle Probanden waren zu Beginn der Studie zwischen 45 und 64 Jahre alt und verzehrten täglich zwischen 600 und 4.200 Kilokalorien (Männer) beziehungsweise 500 und 3.600 Kilokalorien (Frauen). Am Anfang der Studie und nach sechs Jahren beantworteten alle Probanden einen Lebensmittelhäufigkeitenfragebogen. Aus den Angaben der Probanden zur Häufigkeit, Art und Menge der verzehrten Lebensmittel und Getränke schätzten die Wissenschaftler die durchschnittliche Aufnahme von Kohlenhydraten, Fett und Eiweiß und ermittelten den Anteil des jeweiligen Makronährstoffs an der Gesamtenergieaufnahme in Energieprozent.
Im nächsten Schritt werteten die Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen der Kohlenhydrataufnahme und der Gesamtmortalität der Probanden aus, wobei sie den Effekt möglicher Störgrößen wie Alter, Geschlecht, Ethnie, Gesamtenergieaufnahme, Bildung, Einkommen, Rauchen, Bewegung und Diabetes berücksichtigen.
Gesagt, getan. Die Ergebnisse zeigten einen U-förmigen Zusammenhang zwischen der Kohlenhydrataufnahme und der Lebenserwartung der Probanden. Beispielsweise hatten Probanden, die zu Beginn der Studie 50 Jahre alt waren und deren Kohlenhydrataufnahme zwischen 50 und 55 Energieprozent lag (moderater Kohlenhydratverzehr) eine weitere Lebenserwartung von durchschnittlich 33 Jahren. Bei Probanden der Low-Carb-Gruppe (unter 40 Energieprozent Kohlenhydrate) betrug die weitere Lebenserwartung lediglich 29 Jahre, bei Probanden mit sehr hoher Kohlenhydrataufnahme (über 70 Energieprozent Kohlenhydrate) immerhin 32 Jahre. Da die Ernährung der Probanden allerdings nur zu zwei Zeitpunkten ermittelt wurde (am Anfang und nach 6 Jahren), könnten Änderungen der Ernährungsgewohnheiten nach der letzten Ernährungserhebung das Ergebnis verfälscht haben. Aber auch nachdem die Wissenschaftler Daten anderer Studien aus Nordarmerika, Europa und Asien hinzuzogen, blieb der U-förmige Zusammenhang zwischen Kohlenhydrataufnahme und Lebenserwartung bestehen.
Ein genauerer Blick auf die Lebensmittel, welche die Low-Carb-Gruppe anstelle von kohlenhydratreichen Lebensmitteln verzehrte, ergab, dass die Lebenserwartung jener Probanden, die statt Kohlenhydraten mehr Eiweiß und Fett aus tierischen Lebensmitteln verzehrten, geringer war als jene der Vergleichsgruppe mit moderatem Kohlenhydratverzehr (50 bis 55 Energieprozent Kohlenhydrate). Griffen die Low-Carb-Probanden dagegen vermehrt zu eiweiß- und fettreichen Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft, hatten sie sogar eine geringere Sterblichkeit als die Kontrollgruppe.
„Diese Ergebnisse bringen mehrere umstrittene Themen zusammen. Zu viel und zu wenig Kohlenhydrate können schädlich sein, aber am wichtigsten ist die Art von Fett, Eiweiß und Kohlenhydraten“, fasst Koautor Prof. Walter Willett von der Harvard T.H. Chan School of Public Health zusammen.
Quellen einblenden
- Sara B. Seidelmann, Brian Claggert, Susan Cheng et al. (2018): Dietary carbohydrate intake and mortality: a prospective cohort study and meta-analysis. Lancet Public Health, Seite e419-28.
- ScienceDaily (2018): Moderate carbohydrate intake may be best for health, study suggests. Onlineartikel com 17.08.2019
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 6. September 2019 um 06:22
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