Ernährung in West- und Ostdeutschland – gibt es noch Unterschiede?
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Freitag, 30. September 2011
Mit der Wiedervereinigung änderte sich die Lebensmittelversorgung in den neuen Bundesländern. Zu Zeiten der DDR wurde vor allem auf die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln (Brot, Kartoffeln, Gemüse, aber auch Zucker, Fisch und Käse) geachtet. Das Angebot an Lebensmitteln war stark von regionalen und saisonalen Gegebenheiten abhängig. Dementsprechend aßen Ostdeutsche Anfang der 90er-Jahre mehr Butter, Brot und Wurst, jedoch weniger Milch und Milchprodukte, rohes Gemüse, Zitrusfrüchte, Teigwaren und Reis als Westdeutsche.
Mit dem Fall der Mauer änderten sich Angebot und Verfügbarkeit von Lebensmitteln quasi über Nacht. In den darauffolgenden Jahren haben sich Lebensmittelangebot und Preise in West und Ost weitgehend angeglichen. Auch wenn die Unterschiede in den Ernährungsgewohnheiten inzwischen deutlich zurückgegangen sind, blieben Ungleichheiten bestehen. Dies belegen Auswertungen der letzten fünf Jahre des Robert-Koch-Instituts und anderer Institutionen.
So werden in den neuen Bundesländern durchschnittlich mehr Obst, Brot und Fisch, jedoch auch mehr der ernährungsphysiologisch eher negativ bewerteten Streichfette, Fleisch und Limonaden konsumiert. Getreide und Getreideerzeugnisse, Milch, Milchprodukte und Käse, stehen dagegen auch heute noch seltener auf dem ostdeutschen Speiseplan, ebenso Kaffee und Tee. Der Unterschied bei Getreideprodukten ist vor allem auf den höheren Konsum von Frühstückszerealien in Westdeutschland zurückzuführen.
Die Frühstücksgewohnheiten in den alten und neuen Bundesländern
sind immer noch verschieden
Auch hinsichtlich der Auswahl alkoholischer Getränke gibt es Unterschiede: Während in den alten Bundesländern insgesamt mehr Wein und Sekt getrunken wird, trinken ostdeutsche Männer mehr Bier als westdeutsche. Bei dem Vergleich nach Bundesländern gibt es jedoch eine Ausnahme: die Bayern. Sie werden in ihrem Bierkonsum nur von den Sachsen übertroffen.
Eine pauschale Aussage, in welchem Bundesland oder in welcher Gruppe von Bundesländern die Ernährungsgewohnheiten derzeit am günstigsten sind, lässt sich anhand der vorhandenen Daten nicht treffen. In Bezug auf die Nährstoffversorgung gibt es innerhalb der erwachsenen Bevölkerung kaum Unterschiede zwischen West und Ost. Demnach werden die meisten Vitamine und Mineralstoffe in ausreichender Menge aufgenommen, Defizite bestehen jedoch in Gesamtdeutschland bei Folsäure, Vitamin D und E sowie Calcium. Bei Frauen kommt häufig ein Mangel an Eisen hinzu. Ähnliche Ergebnisse zeigen sich auch bei der Auswertung der Ernährungsdaten von Kindern und Jugendlichen. Hier werden über alle Landesgrenzen und Altersgruppen hinweg weniger Vitamin D und Folsäure aufgenommen als empfohlen, in der Altersgruppe der 6-11-Jährigen zusätzlich zu wenig Calcium, Vitamin A und Vitamin E, bei Mädchen auch Eisen. Tendenziell nehmen Mädchen und Jungen aus den neuen Bundesländern weniger Calcium und Magnesium, dagegen etwas mehr der meisten Vitamine auf als die Vergleichsgruppe aus den alten Bundesländern.
Die Wissenschaftler des Robert-Koch-Instituts haben für ihren Gesundheitsbericht neben den Daten zur Ernährung weitere krankheitsrelevante Verhaltensweisen und Umweltfaktoren (z. B. körperliche Aktivität, Alkohol- und Drogenkonsum, Umwelteinflüsse) sowie Unterschiede im Auftreten von Krankheiten und Sterbefällen untersucht. Nach Abschluss aller Analysen lautet das Fazit der Forscher, dass sich die Unterschiede in den meisten Bereichen der Gesundheit in den alten und neuen Bundesländern deutlich verringert oder sogar angeglichen haben. Heute sind bestehende Unterschiede in der Gesundheit und im Gesundheitsverhalten kaum mehr pauschal durch die geographische Zuordnung zu alten oder neuen Bundesländern zu erklären, ausschlaggebend sind vielmehr die Verteilung von Bildung, Arbeitslosigkeit, Einkommen und Privatvermögen in den alten und neuen Bundesländern, in Städten und Gemeinden.
Weitere Informationen finden Sie im Gesundheitsbericht des Robert-Koch-Instituts!
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 30. September 2011 um 06:41
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