Essstörung: Wehret den Anfängen…
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Donnerstag, 6. Februar 2014
Mehr als eine von zehn dreizehnjährigen Mädchen hat Angst davor, dick zu werden. Werden diese Ängste rechtzeitig erkannt und ernst genommen, können spätere voll ausgeprägte Essstörungen abgewendet und sogar Übergewicht vermieden werden.
Essstörungen werden zwar meist erst ab einem Alter von circa 15 Jahren diagnostiziert, die Wurzeln reichen aber häufig weit zurück. Gibt es bestimmte Anzeichen, die auf ein erhöhtes Risiko für voll ausgeprägte Essstörungen hinweisen?

Nadia Micali und ihre Kollegen von der Universität in London befragten im Rahmen der „Avon Longitudinal Study of Parents and Children“ 7082 Eltern von meist dreizehnjährigen Jugendlichen zu essstörungsrelevanten Gedanken und Verhaltensweisen. Die Eltern gaben beispielsweise an, ob sich ihr Kind Sorgen um sein Gewicht macht, fettreiche Lebensmittel meidet, Diät hält oder Sport treibt um abzunehmen. Die Forscher interessierten sich auch für Beeinträchtigungen und familiäre Belastungen, die mit diesen Essstörungsanzeichen einhergehen, sowie emotionale Störungen und Verhaltensauffälligkeiten. Außerdem wurden Größe und Gewicht der Kinder gemessen und daraus der BMI bestimmt. Die Erhebung wurde nach zwei Jahren wiederholt.
Schon mit 13 Jahren war die Angst, dick zu werden, weit verbreitet und stark ausgeprägt: Knapp zwölf Prozent der Mädchen und fünf Prozent der Jungen fürchteten sich sehr davor, zuzunehmen oder dick zu werden. Weitere 52 Prozent der Mädchen und 35 Prozent der Jungen hatten „etwas Angst“ davor. Fünf Prozent der Mädchen und halb so viele Jungen waren sehr besorgt über ihre Figur oder ihr Gewicht. Zwar traten starke Heißhungeranfälle nach Angaben der Eltern in dieser Altersgruppe recht selten auf, dafür trieben über ein Viertel der Mädchen Sport um abzunehmen. Oft traten mehrere Faktoren gleichzeitig auf: Versuchten Kinder mit Heißhungeranfällen, ihre Gewichtsängste durch Fasten zu bekämpfen? Oder waren Gewichtsängste und das Fasten Auslöser für Heißhungeranfälle? Die Zusammenhänge scheinen sehr komplex zu sein. Beobachtet wurde außerdem, dass diese Kinder häufiger Verhaltensstörungen und emotionale Probleme hatten, was sich auch auf ihr Umfeld auswirkte.
Im Alter von dreizehn Jahren zeigten die Jugendlichen mit stark ausgeprägten Gewichts- und Figurängsten (noch) keine übermäßigen Verhaltensstörungen und emotionalen Auffälligkeiten, ihre Eltern waren jedoch stark besorgt um das Befinden ihrer Kinder.
Nach zwei Jahren hatten die Jugendlichen am meisten zugenommen, deren Sorgen um ihr Gewicht und ihr Aussehen schon mit dreizehn Jahren am stärksten ausgeprägt waren. Interessant war auch die Gruppe der Jugendlichen, die schon im Alter von 13 Jahren Diätversuche unternommen hatten: Innerhalb der zweijährigen Beobachtungsphase sank ihr alterskorrigierter BMI, wobei sich ein deutlicher Geschlechtsunterschied zeigte: Unter den Jungen hatten vor allen Dingen diejenigen ihren BMI reduziert, die zuvor tatsächlich übergewichtig waren, die dünner gewordenen Mädchen waren zuvor jedoch meist nicht zu dick, möglicherweise waren dies somit vielleicht Symptome einer beginnenden Anorexie (Magersucht).
Die Wissenschaftler hoffen, mit ihren Beobachtungen zur Entwicklung von Präventionsstrategien beitragen zu können. Gelingt es Eltern, Ärzten und anderen Personen aus dem Umfeld der jungen Generation Anzeichen einer Essstörung, insbesondere ausgeprägte Sorgen in Zusammenhang mit Figur und Gewicht, früh zu erkennen, könnten voll ausgeprägte Essstörungen vermieden werden und zugleich ein wichtiger Beitrag zur Prävention von Übergewicht im Kindes- und Jugendalter geleistet werden.
Quelle:
N. Micali, G. Ploubidis, B. De Stavola, E. Simonoff, J. Treasure (2013): Frequency and patterns of eating disorder symptoms in early adolescence.
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 6. Februar 2014 um 07:21
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