Fehlernährung vorprogrammiert? Reichen knapp 3 Euro für eine bedarfsgerechte Kinderernährung?

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Freitag, 25. Mai 2018

Für die Ernährung von Kindern unter sechs Jahren sind in den Hartz IV- und ALG II-Sätzen 2,77/2,62 Euro vorgesehen, 6- bis 14-Jährige erhalten 3,93/3,22 Euro. Mitglieder der Fachgesellschaft „Society of Nutrition and Food Science“ (SNFS) kritisieren die zu geringen Beträge und warnen vor langfristigen körperlichen und intellektuellen Entwicklungsstörungen.

„Betroffen sind vor allem Kinder alleinerziehender Mütter mit Hartz IV-Bezug, also derzeit 2,1 Millionen Kinder unter 15 Jahren“, warnt SNFS-Präsident Prof. Jan Frank. Auch Kinder aus Flüchtlingsfamilien stellen eine besondere Risikogruppe dar, betonen die Wissenschaftler der SNFS. „Diese Kinder sind oft schon seit längerer Zeit schlecht ernährt, weshalb das Augenmerk ganz besonders auch auf sie gelegt werden sollte“, erläutert Prof. Frank.

Die derzeit für die Ernährung von Kindern aus armen Familien zur Verfügung stehenden Mittel reichen zwar in der Regel dazu aus, ein Kind zu sättigen. Dies bedeutet aber nicht, dass damit auch ausreichend Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente zur Verfügung stehen, wie sie Kinder für eine optimale Entwicklung benötigen. Fachleute sprechen in diesem Fall von „verborgenem Hunger“. Im Gegensatz zu offensichtlichem Hunger (wenn zu wenig Energie (Kalorien) zur Stillung des Hungers vorhanden ist), wird verborgener Hunger selten wahrgenommen, zumal betroffene Kinder häufig sogar übergewichtig sind. Dies hängt mit einer veränderten Lebensmittelauswahl zusammen, wie Prof. Hans Konrad Biesalski, Ernährungsmediziner an der Universität Hohenheim erläutert. „Wenn gespart werden muss, werden vor allem solche Lebensmittel gekauft, die preisgünstig sind, aber auch satt machen. Es gibt zahlreiche Untersuchungen dazu, dass die Qualität eines Lebensmittels, also die Menge an enthaltenen Mikronährstoffen, mit sinkendem Preis abnimmt, während der Energiegehalt zunimmt“. So kann es trotz unzureichender Versorgung mit Mikronährstoffen zu Übergewicht kommen. Kinder aus armen Verhältnissen sind etwa dreimal häufiger übergewichtig als andere Kinder.

Die Folgen von Ernährungsarmut und verborgenem Hunger sind weitreichend. Neben Übergewicht und seinen Begleit-/Folgeerkrankungen drohen

  • eine Verringerung und Verzögerung des Längenwachstums,
  • Sprach- und Sprechstörungen sowie Störungen des Gehirnwachstums und der
  • geistigen Entwicklung insgesamt.

Ein Teil dieser Entwicklungsstörungen sind unumkehrbar und bergen wiederum das Risiko, auch später im Erwachsenenalter in Armut zu leben.

Daher appellieren die Wissenschaftler an Vertreter der Politik, die Tagessätze für die Ernährung von Kindern unter sechs Jahren zu erhöhen und die Ernährungssituation der Kinder durch flankierende Maßnahmen zu verbessern. „Rund vier Euro am Tag sind nötig, um eine gesunde Ernährung für Kinder unter sechs Jahren zu gewährleisten“, hebt Prof. Frank hervor. Zur Förderung von Wachstum und Entwicklung benötigen Kinder eine abwechslungsreiche Kost, die genügend Obst und Gemüse, Milchprodukte, Fleisch und Eier enthält und durch Sättigungsbeilagen wie Brot, Kartoffeln, Reis und Nudeln ergänzt wird. Auf diese Weise sind Kinder nicht nur ausreichend mit Energie und Eiweiß versorgt, sondern erhalten auch die erforderlichen Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Für eine gesunde Ernährung von Kindern aus Familien mit geringen finanziellen Mitteln ist es besonders wichtig, dass Eltern über grundlegende Kenntnisse in den Bereichen Ernährung, Lebensmitteleinkauf, Vorratshaltung und Zubereitung von Mahlzeiten verfügen.

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verfasst von am 25. Mai 2018 um 11:11

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