Für Kinder: Schlauheit zum Schlucken
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Montag, 4. März 2013
Haltlose Werbeversprechen
Bereits Schulkinder sind eine Zielgruppe der Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln. Kapseln, Pastillen und Tabletten sollen laut Werbebotschaften die Konzentration erhöhen und das Lernen erleichtern. Die Stiftung Warentest ist von der Wirkung dieser Produkte allerdings nicht überzeugt.
Für die aktuelle Untersuchung nahmen die Tester der Stiftung Warentest die Zusammensetzung von zwölf Produkten unter die Lupe, die überwiegend für Kinder zur Verbesserung oder Unterstützung kognitiver Fähigkeiten beworben oder ausgelobt wurden. Sieben der Produkte waren für Kinder ohne Erkrankungen vorgesehen (Nahrungsergänzungsmittel), bei fünf Produkten handelte es sich um diätetische Produkte für Kinder mit einem Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätssyndrom (ADHS).
Unter Zuhilfenahme aktueller wissenschaftlicher Studien, Einschätzungen von Fachgesellschaften und Rechtvorschriften, versuchten die Prüfer, die auf den Verpackungen und Beipackzetteln ausgelobten Wirkungen auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.
Wissenschaftlich nicht haltbar
Unter dem Strich konnte keines der Präparate die Prüfer überzeugen: Alle untersuchten Produkte wurden als „wenig geeignet“ eingestuft. Elf der zwölf Produkte versprachen durch zusätzliche Einnahme von Omega-3-Fettsäuren, teilweise in Kombination mit Omega-6-Fettsäuren, die Entwicklung des kindlichen Gehirns zu fördern. Laut Stiftung Warentest ist bei diesen Produkten zwar der wissenschaftliche Ansatz richtig, denn unser Gehirn benötigt tatsächlich Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren aus der Nahrung. Allerdings fehlen bislang stichhaltige Belege für den Nutzen von isolierten Fettsäuren in Nahrungsergänzungsmitteln auf die Entwicklung von Kindergehirnen zur Steigerung von Aufmerksamkeit und Verbesserung der Lernfähigkeit. Die bisher zu diesem Thema durchgeführten Studien wiesen entweder erhebliche Mängel im Studiendesign auf (z. B. Auswahl und Anzahl von Probanden) oder zeigten lediglich, dass die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln keinen oder nur einen sehr geringen Effekt auf die Leistungsfähigkeit des Gehirns hatte. Damit kam die Stiftung Warentest zum gleichen Ergebnis wie die Cochrane Collaboration 2012: Omega-3-Fettsäuren sind nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft nicht zur Förderung der Gehirnleistung von Kindern zu empfehlen.
Die Stiftung Warentest kritisierte außerdem, dass die Hersteller der Supplemente mit ihren Versprechen auf Verpackungen und Beipackzetteln gegen EU-Vorschriften verstießen: Laut der Health-Claims-Verordnung dürfen nur wissenschaftlich nachgewiesene Aussagen als Werbeslogan verwendet werden. Dass Omega-3-Fettsäuren die geistige Entwicklung fördern, gilt nicht als wissenschaftlich erwiesen.
Eine Außenseiterrolle nahm in der aktuellen Untersuchung ein Saft ein: Er enthielt keine Omega-3-Fettsäuren, sondern Eisen und einen Vitamin-B-Komplex „zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit“. Auch dieses Produkt wurde von den Prüfern negativ bewertet, da die meisten Kinder in Deutschland mit beiden Inhaltsstoffen ohnehin schon über die Nahrung gut versorgt sind, im Fall von Vitamin B seien manche Kinder sogar überversorgt, so die Tester.
Es gibt Alternativen
Zwischen 0,57 und 1,33 Euro kostete eine Tagesdosis der untersuchten Produkte für einen Sechsjährigen. Geld, das Eltern besser in andere Dinge investieren sollten. Der aid Infodienst empfiehlt Eltern, auf eine ausgewogene Ernährung ihrer Kinder zu achten und die Vielfalt der Lebensmittel zu nutzen. „Gesunde Kinder brauchen keine Nahrungsergänzungsmittel“, so Harald Seitz, Ernährungswissenschaftler des aid Infodienstes. Ein Präparat könne Obst und Gemüse sowieso nicht ersetzen, da es auf die Gesamtheit der Inhaltsstoffe, die in Obst und Gemüse enthalten sind, ankommt. Wenn reichlich Obst und Gemüse, dazu Vollkorn- und Milchprodukte auf dem Speiseplan stünden, habe das Gehirn alles, was es für eine gute Leistung benötige. Fetter Seefisch (Lachs, Makrele, Hering), Lein- und Rapsöl sowie Nüsse enthielten außerdem die für die Entwicklung des Gehirns notwendigen Omega-3-Fettsäuren. Statt Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen, sollten Kinder lieber an der frischen Luft toben, so Seitz weiter. Denn das Spielen im Freien fördere die Durchblutung und sei gut für die Vernetzung der Nerven im Gehirn.
Quellen einblenden
- Stiftung Warentest (2013): Pillen für die Schule: Leere Versprechen.
- Spiegel Online (2013): Schlaumacher für Kinder wirken nicht.
- H. Kreutz (2013): Pillen für schlauere Kinder? Kaum Belege für den Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln.
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 4. März 2013 um 07:32
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