Gefährliche Kalorienbeschau: Macht bereits der Anblick dick?
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Montag, 13. Februar 2012
So mancher ist fest davon überzeugt: Bereits der Anblick kalorienreicher Speisen macht dick! Diesen Verdacht konnten Wissenschaftler zwar nicht bestätigen. Neue Forschungsergebnisse sprechen allerdings dafür, dass der Anblick verlockender Speisen den Appetit anregt und vermehrte Essensgelüste sich durchaus als überflüssige Pfunde um Bauch und Hüfte bemerkbar machen können.
Bereits in früheren Studien berichteten Menschen nach einer Gabe des Stoffwechselhormons Ghrelin von erhöhtem Appetit und sahen vermehrt ihre Lieblingsspeisen vor ihrem „inneren Auge“. Außerdem nahm nach der Ghrelingabe die Energieaufnahme zu. Ghrelin gilt als Hauptregulator der Nahrungsaufnahme. Es steuert unser Essverhalten ebenso wie die körperlichen Prozesse der Nahrungsverwertung. In Hungerphasen steigt der Ghrelin-Spiegel im Blut an, nach Mahlzeiten sinkt er ab. Bislang war allerdings unklar, inwieweit äußere Einflüsse wie der Anblick oder Geruch bestimmter Speisen die Ausschüttung von körpereigenem Ghrelin beeinflussen können.
Dem gingen Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie auf den Grund. Sie zeigten acht gesunden, jungen Männern, die zuvor gut gefrühstückt hatten, in zwei Sitzungen 50 Bilder und nahmen während des gesamten Vormittags in Abständen von 10-15 Minuten Blutproben. Die beiden Untersuchungstage unterschieden sich durch die Art der Bilder, die die Teilnehmer betrachteten. An einem Tag wurden ausschließlich Bilder von Speisen gezeigt, am anderen Tag waren es sogenannte „neutrale Bilder“. Anhand des abgenommenen Blutes bestimmten die Forscher die Konzentration bestimmter am Energiestoffwechsel beteiligter Hormone, z. B. Insulin, Leptin und Ghrelin. Wie erwartet, stieg der Ghrelinspiegel der Probanden vor dem Frühstück und zur Mittagessenszeit an und zwar unabhängig von der Art der Bilder, die sie zwei Stunden zuvor betrachtet hatten. Es gab allerdings auch einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden Untersuchungstagen: Im Anschluss an die Betrachtung der Speisebilder war die Ghrelinkonzentration im Blut deutlich höher als an dem „neutralen“ Tag. Die Konzentration der anderen untersuchten Stoffwechselhormone veränderte sich dagegen nicht.
Was dem Laien vielleicht schon längst klar war, ist damit auch wissenschaftlich belegbar: Bereits die Betrachtung von Bildern in einem Kochbuch oder im Fernsehen kann Lust auf essen machen. Hierzu Dr. Petra Schüssler, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut: „Unsere Studienergebnisse zeigen erstmalig, dass die Ausschüttung von Ghrelin ins Blut zur Regulation der Nahrungsaufnahme auch durch äußere Faktoren gesteuert wird. Unser Gehirn verarbeitet also diese optischen Reize und ohne willentliche Kontrolle werden die körperlichen Prozesse gestartet, die unser Appetitempfinden steuern. Ein Mechanismus, der uns dazu verleiten könnte, bereits zwei Stunden nach dem Frühstück ein Stück Kuchen zu verzehren.“
Die Forscher vermuten, dass die ständige Gegenwart von appetitanregenden Lebensmitteln und deren Bildern in unserem Alltag zur Entstehung von Übergewicht beitragen kann. Entsprechend lautet ihr Tipp für Menschen mit Gewichtsproblemen: Vermeiden Sie möglichst den Anblick von Bildern appetitlicher Lebensmittel – Sie werden sonst hungrig.
Quellen
- Max-Planck-Institut für Psychiatrie (2012): Bilder von Nahrungsmitteln erzeugen Hunger. Pressemitteilung vom 13.01.2012.
- P. Schüssler, M. Kluge, A. Yassouridis, M. Dresler, M. Uhr, A. Steiger (2012): Ghrelin Levels increase after pictures showing food. Obesity (Online-Vorabveröffentlichung)
Zum Weiterlesen
- Sich satt denken – funktioniert das?
- Wenn gesundes Essen hungrig macht – die Psyche isst mit
- In punkto gesunder Lebensstil – Vorbilder helfen
- Die Ernährung umstellen I
- Die Ernährung umstellen II
- Die Ernährung umstellen III
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 13. Februar 2012 um 07:07
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