Gesundheitsverhalten und COVID-19

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Freitag, 16. Oktober 2020

In einer selektiven Literaturübersicht fassen Wissenschaftler erste Erkenntnisse zur Bedeutung von Rauchen, Alkoholkonsum, Ernährung, körperlicher Aktivität und Adipositas für das COVID-19-Krankheitsgeschehen zusammen und führen auf, wie sich das Gesundheitsverhalten während der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie möglicherweise geändert hat.

Für die Übersichtsarbeit durchsuchten die Mitarbeiter des Robert Koch Instituts zahlreiche Datenbanken und Suchmaschinen nach infrage kommenden Artikeln, die bis Mitte Juni 2020 erschienen sind. Selektive Übersichtsarbeiten, auch bekannt als narrative Reviews, dienen dazu, schnell einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu geben, wobei die Auswahl der letztlich berücksichtigen Artikel subjektiv und unsystematisch erfolgt.

Welchen Einfluss hat das Gesundheitsverhalten auf die Erkrankungswahrscheinlichkeit und Erkrankungsschwere bei COVID-19?
Auch wenn die Studienlage insgesamt noch zu gering ist für sichere Aussagen, scheinen Rauchen und Adipositas direkt das Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf zu erhöhen. Chronischer Alkoholmissbrauch, körperliche Inaktivität sowie eine nicht ausgewogene Ernährung könnten dagegen durch eine Schwächung des Immunsystems und Begünstigung des Risikos für chronische Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes und Adipositas indirekt das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf erhöhen. Zwar sind den Autoren der Übersichtsarbeit keine wissenschaftlichen Studien bekannt, in denen der Zusammenhang zwischen einer gesunden Ernährungsweise beziehungsweise dem Verzehr bestimmter Lebensmittel und dem Risiko für COVID-19 untersucht wurde, es bestehe aber, so die Wissenschaftler, eine gute Evidenzlage, dass eine gesunde und abwechslungsreiche Kost das Immunsystem stärkt. Wichtig hierfür ist das Zusammenspiel vieler Nährstoffe, darunter die Vitamine A, C, D, E sowie die Spurenelemente Zink, Selen, Eisen und Kupfer.

Außerdem thematisieren die Autoren Veränderungen des Gesundheitsverhaltens durch die Einführung von Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie. Obwohl während des Lockdowns Sportkurse abgesagt wurden und Sportstätten geschlossen waren, gibt es wohl bislang keine Hinweise auf Änderungen der körperlichen Aktivität in der Freizeit und der Ausführung von Übungen zur Muskelkräftigung. Dennoch ist nicht ausgeschlossen, dass sich das gesamte Aktivitätsniveau geändert hat, weil beispielsweise insgesamt weniger Wege und damit auch weniger Wegstrecken mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt wurden. So ergab eine Auswertung eines Fitnessarmbandherstellers, dass im März 2020 in Deutschland insgesamt 11 Prozent weniger Schritte zurückgelegt wurden als im selben Monat des Vorjahres.

In Bezug auf die Ernährung weichen die Studienergebnisse teilweise stark voneinander ab. Hinzu kommen deutliche Unterschiede in der methodischen Qualität der vorhandenen Studien und deren fehlende Repräsentativität. Dies erschwert die Interpretation der Ergebnisse. In fünf Studien wurde über einen häufigeren Verzehr von Süßwaren und Snacks während der Corona-Pandemie berichtet, teilweise auch von einem geringeren Verzehr von frischem Obst, Gemüse und Fisch. Vier der Studien weisen außerdem auf einen erhöhten täglichen Lebensmittelverzehr beziehungsweise eine erhöhte Energieaufnahme hin. Andere Studien ergaben dahingegen, dass die Befragten sich in der Phase der Einschränkungen des öffentlichen Lebens gesünder ernährten, häufiger selbst Gerichte zubereiteten, mehr frisches oder tiefgekühlten Obst und Gemüse verzehrten und weniger Softdrinks tranken. Diese Ergebnisse decken sich weitgehend mit den Ergebnissen des diesjährigen Ernährungsreports.

Auch in Bezug auf den Tabakkonsum zeigte sich ein gemischtes Bild. Laut einer Onlinebefragung zum Konsumverhalten von Alkohol- und Nikotinprodukten während der Einschränkungen des öffentlichen Lebens in Deutschland gaben 43 Prozent der Raucherinnen und Raucher an, während dieser Zeit mehr geraucht zu haben, 9 Prozent hatten weniger geraucht und 11 Prozent hatte die Zeit genutzt, um ganz mit dem Rauchen aufzuhören. Die könnte auch damit zusammenhängen, dass Rauchen das Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19 erhöht. Anlass zur Sorge geben dagegen die Ergebnisse, dass Raucherinnen und Raucher mit niedriger Bildung und solche, die pandemiebedingte Veränderungen ihrer Beschäftigungsart wie Kurzarbeit oder Homeoffice erlebten, ihren Tabakkonsum steigerten. Hinsichtlich des Alkoholkonsums hatten die meisten Befragten (41 Prozent) seit Beginn des Lockdowns ihren früheren Alkoholkonsum beibehalten, ein Fünftel der Befragten (21,2 Prozent) trank weniger Alkohol, knapp zwei Fünftel der Befragten (37,3 Prozent) tranken mehr Alkohol als zuvor und nur ein kleiner Anteil (0,4 Prozent) hatte erst durch die Pandemie mit dem Alkoholkonsum begonnen.

Die Autoren folgern, dass zwar bislang noch zu wenig Daten zu den Auswirkungen der Eindämmungsmaßnahmen auf das Gesundheitsverhalten vorliegen, es sich aber abzeichne, dass diese Maßnahmen sich bei verschiedenen Bevölkerungsgruppen unterschiedlich auswirken. Sie raten dringend, in weiteren Studien die Bedeutung des Sozialstatus, weiterer sozialer Determinanten sowie lebensweltbezogener Faktoren des Gesundheitsverhaltens mit zu erfassen und zu analysieren. Auf diese Weise könnten wichtige Hinweise für den Bedarf von pandemiebegleitenden Präventionsmaßnahmen gewonnen werden, um auch in Pandemiezeiten die gesundheitliche Chancengleichheit zu fördern.

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verfasst von am 16. Oktober 2020 um 11:39

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