Hausarzt mit Übergewicht: Ratgeber, Leidensgenosse – oder Fehlbesetzung?

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Dienstag, 20. März 2012

Würden Sie einen Gärtner beauftragen, dessen Garten komplett mit Unkraut überwuchert ist? Oder einen Kettenraucher um Tipps zur Zigarettenentwöhnung bitten? Wohl kaum. Doch wie ist das mit einem übergewichtigen Hausarzt: Ist er ein geeigneter Ansprechpartner bei Gewichtsfragen?

Waage
© Alan Cleaver

In einer amerikanischen Studie wurden fünfhundert niedergelassene Allgemeinmediziner und Internisten zu ihrer Einstellung zum Thema Gewichtsreduktion befragt. Außerdem wurden Größe und Gewicht der teilnehmenden Ärzte zur Bestimmung des Body-Mass-Index (BMI) erhoben. Mit diesen Angaben wollten die Wissenschaftler ermitteln, ob übergewichtige Hausärzte sich in ihrer Ansicht zur Notwendigkeit einer Gewichtsreduktion sowie im Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten (Selbstwirksamkeit) von normalgewichtigen Ärzten unterscheiden.

Den Ergebnissen zufolge sind schlankere Ärzte wohl die besseren Ratgeber bei Übergewicht und Fettleibigkeit. Während Ärzte mit erhöhtem BMI das Thema einer notwendigen Gewichtsreduktion im Patientengespräch eher meiden, gab immerhin ein knappes Drittel ihrer schlankeren Kollegen (30 Prozent im Vergleich zu 18 Prozent der korpulenteren Ärzte) an, das Thema anzusprechen. Interessanterweise bestand ein direkter Zusammenhang zwischen dem eigenen Körpergewicht und dem Gewicht der Patienten: Ärzte fühlten insbesondere dann eine Veranlassung, Patienten auf ihr Gewicht anzusprechen, wenn das Gewicht ihrer übergewichtigen Patienten ihr eigenes Körpergewicht erreichte oder überstieg.

BMI-Rechner

Ärzte mit einem BMI im Normbereich fühlten sich außerdem kompetenter, wenn es darum ging, ihren Patienten Ratschläge über Ernährung (53 Prozent vs. 37 Prozent) und körperliche Aktivität (72 Proznet vs. 56 Prozent) zu geben. Demgegenüber fühlte sich die Gruppe der Ärzte mit höherem BMI erfolgreicher bei der Verschreibung gewichtsreduzierender Medikamente.

Sicher kommt es auf den Hausarzt selbst und sein Gesundheitsverständnis sowie seine Kompetenz im Bereich Gewichtsreduktion an. Ein übergewichtiger Arzt kann sich wahrscheinlich besser in seine ebenfalls übergewichtigen Patienten hineinversetzen und mögliche Hindernisse bei der Gewichtsabnahme leichter identifizieren. Dagegen hat ein Arzt mit einem BMI im normalen Bereich evtl. ein anderes Problembewusstsein. Auch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ist eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Gewichtsabnahme. Interessant wäre in diesem Zusammenhang außerdem eine Befragung der von den Ärzten betreuten Patienten gewesen.

Quelle:
S. N. Bleich,  W. L. Bennett, K. A. Gudzune, L. A. Cooper (2012): Impact of physician BMI on obesity care and beliefs. Obesity 2012, Online-Vorabveröffentlichung. 

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verfasst von am 20. März 2012 um 07:04

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