Hohe Zuwachsrate an Gicht-Erkrankungen: Ist hoher Fruktosekonsum eine Ursache?
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Donnerstag, 17. November 2016
Kann eine fruktosereiche Ernährung eine Erkrankung an Gicht begünstigen? Die Ergebnisse einer aktuellen Übersichtsarbeit sprechen dafür. Allerdings bleiben wichtige Fragen unbeantwortet.
In den letzen Jahrzehnten sind immer mehr Menschen an Gicht und ihrer Vorstufe, der Hyperurikämie (erhöhte Harnsäurewerte im Blut), erkrankt. Dies mag zum einen an der Alterung der Bevölkerung liegen, jedoch wird die Erkrankung auch stark durch den Lebensstil beeinflusst. Bekannt ist seit langem, dass Übergewicht sowie ein hoher Konsum von purinreichen Lebensmitteln wie Fleisch und Wurst sowie Alkohol die Entstehung von Gicht begünstigen.
In letzter Zeit mehrt sich der Verdacht, dass die Aufnahme von Fruktose (Fruchtzucker) ebenfalls mit dem Erkrankungsrisiko assoziiert ist. Wie sein Name nahelegt, ist Fruchtzucker in Obst und Fruchtsäften zu finden, mittlerweile enthalten aber auch viele industriell hergestellte Lebensmittel Fruktose in Form eines mit Fruktose angereicherten Sirups aus Maisstärke (sog. high fructose corn syrup).
In ihrer aktuellen Übersichtsarbeit fassen Wissenschaftler der Universität Toronto die Ergebnisse von Studien über den Zusammenhang zwischen dem Fruktosekonsum und einer Erkrankung an Gicht zusammen. Obwohl die Wissenschaftler um Joseph Jamnik bei ihrer Literaturrecherche drei große wissenschaftliche Datenbanken durchforsteten, fanden sie lediglich zwei vorausschauende (prospektive) Kohortenstudien, die ihre Einschlusskriterien erfüllten. Da beide Studien jedoch verhältnismäßig groß waren, konnten für die Übersichtsarbeit Daten von insgesamt 125.299 Probanden (darunter 46.393 Ärzte aus der „Health Professionals Follow-up“ Studie und 78.906 Krankenschwestern aus der „Nurses‘ Health“ Studie) berücksichtigt werden. Zu Beginn der Studie war keiner der Teilnehmer an Gicht erkrankt. Alle Probanden wurden alle zwei Jahre zu ihrer Gesundheit befragt und beantworteten in vierjährigen Abständen Ernährungsfragen. Berichtete ein Proband, inzwischen an einer ärztlich diagnostizierten Gicht erkrankt zu sein, wurde diese Diagnose durch einen zusätzlichen Fragebogen validiert. Der Einfluss von Störfaktoren wie Alter, Body Mass Index (Körpermasseindex, BMI), tägliche Gesamtenergieaufnahme, Alkoholkonsum, Einnahme harntreibender Mittel (Diuretika), Bluthochdruck und Niereninsuffizienz wurde aus den Ergebnissen beider Studien herausgerechnet.
Im Studienverlauf von durchschnittlich 17 Jahren erkrankten 755 Männer und 778 Frauen an einer ärztlich gesicherten Gicht. Für die Übersichtsstudie wurden Probanden mit einem vergleichsweise hohen Fruktosekonsum (je nach Studie über 11,8 beziehungsweise 11,9 Prozent der Gesamtenergie aus Fruktose) mit solchen mit einem niedrigen Fruktosekonsum (unter 6,9 beziehungsweise 7,5 Prozent der Gesamtenergie aus Fruktose) verglichen. Hierbei zeigte sich, dass das Risiko einer Erkrankung an Gicht bei einer hohen Fruktoseaufnahme um 62 Prozent erhöht war. Zu den am häufigsten verzehrten fruktosereichen Lebensmitteln zählten Orangensaft, zuckerhaltige Getränke, Äpfel, Rosinen und Orangen. Wurden die Ergebnisse für Effekte der Energieaufnahme aus Protein und Nichtfruktose-Kohlenhydraten korrigiert, war das Gichtrisiko in der Gruppe mit hohem Fruktosekonsum immer noch 34 Prozent höher als in der Vergleichsgruppe mit niedrigem Fruktosekonsum.
Trotz der hohen Qualität der beiden untersuchten Studien und der darin enthaltenen Hinweise auf eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen der Fruktoseaufnahme und einer Erkrankung an Gicht sehen Joseph Jamnik und seine Kollegen von Rückschlüssen auf die Kausalität ab. Die Autoren weisen darauf hin, dass möglicherweise nicht alle Störfaktoren in den Studien berücksichtigt wurden und bislang keine Erkenntnisse über einen Zusammenhang zwischen dem Fruktosekonsum und dem Harnsäurespiegel aus qualitativ hochwertigen Studien mit Menschen vorhanden sind.
Quelle einblenden
- J. Jamnik, S. Rehman, S.B. Mejia, et al. (2016): Fructose intake and risk of gout amd hyperuricemia: a systematic review and meta-analysis of prospective cohort studies. BMJ Open 6: e013191
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 17. November 2016 um 07:37
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