I.Family-Studie: Kindliches Übergewicht auch gesellschaftliche Aufgabe

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Freitag, 10. März 2017

„Die Regierungen Europas müssen Familien aktiv dabei helfen, die Gesundheit ihrer Kinder zu verbessern und der Übergewichtsepidemie entgegenzuwirken. Allein können Familien diese schwierige Aufgabe nicht erfüllen.“

Kinder mit Geschwistern haben seltener Übergewicht.

So lautete die eindringliche Botschaft der Wissenschaftler, die Anfang Februar in Brüssel die Ergebnisse der I.Family-Studie vorstellten. Im Mittelpunkt dieser groß angelegten internationalen Studie steht die Untersuchung der Ernährung und des Lebensstils von 16.228 Kindern aus acht europäischen Ländern (Belgien, Estland, Deutschland, Italien, Spanien, Schweden, Ungarn, Zypern). Zu Beginn der Studie waren die Kinder zwischen 2 und 9,9 Jahren alt. Über einen Zeitraum von fünf Jahren sammelten Wissenschaftler Informationen zum Gesundheitszustand, Ernährungsverhalten, zur körperlichen Fitness, lokalen Umgebung sowie zum Einfluss des Freundeskreises und der eigenen Familie auf die Kinder. Insgesamt waren 17 Forschungseinrichtungen aus 12 Ländern in die Studie, die unter Federführung des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) und der Universität Bremen stand, involviert.

Rund 16,5 Prozent der Teilnehmer aus Deutschland waren übergewichtig, wobei die Übergewichtsprävalenz zwischen 9,5 Prozent (Belgien) und 42 Prozent (Italien) lag. Generell sind mehr Mädchen als Jungen übergewichtig und mit zunehmender südlicher geographischer Lage steigt der Anteil der Kinder mit Übergewicht. Auch wenn die Zahlen zumindest für Deutschland nicht repräsentativ sein dürften – so geht die Deutsche Gesellschaft für Ernährung aktuell von 8,2 bis 12 Prozent der Kinder (je nach Bundesland) aus – wurden in dieser Studie interessante Zusammenhänge nachgewiesen, die an der Entstehung von Übergewicht im Kindesalter beteiligt sind.

„Unsere Ergebnisse zeigen klar, dass Kinder aus benachteiligten Familien häufiger übergewichtig sind als Kinder aus wohlhabenderen Familien“, erläutert Studienkoordinator Prof. Wolfgang Ahrens vom BIPS. Dieser Zusammenhang gilt über alle Landesgrenzen hinweg. Die Wissenschaftler stellten fest, dass doppelt so viele Kinder aus Familien mit niedrigem oder mittlerem sozioökonomischen Status im Laufe des Heranwachsens übergewichtig werden als Kinder aus besser situierten Familien. „Hier muss die Politik aktiv werden und diese Familien unterstützen“, fordert Prof. Ahrens.

Die Mitglieder einer Familie ähneln sich häufig in ihrem Ernährungsverhalten, ihrem Körpergewicht und auch ihrem Risiko für Krankheiten. Dabei sind Kinder ihren Müttern meist ähnlicher als ihren Vätern. Im Teenageralter gleicht sich das Körpergewicht dann eher dem Freundeskreis der Jugendlichen an. Dies ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass Jugendliche sich in ihrem Ernährungsverhalten durch ihre Peergroup beeinflussen lassen, und die Wahrscheinlichkeit, sich körperlich zu betätigen, mit einem sportlichen Freundeskreis zunimmt. Das Übergewichtsrisiko steigt außerdem, wenn beim Essen der Fernseher läuft, ein Fernseher im Kinderzimmer steht oder/und ein Kind länger als eine Stunde täglich fernsieht.

„Ein weiteres Feld, auf dem die Politik handeln muss, ist die auf Kinder als Konsumenten abzielende Werbung für ungesundes ‚Junk-Food‘. Diese Werbung – etwa im Fernsehen – ist sehr verbreitet und hat großen Einfluss auf Kinder, sodass es sogar für sehr gesundheitsbewusste Eltern schwer ist, den Konsum dieser Nahrungsmittel einzuschränken“, meint Prof. Ahrens. Im Allgemeinen bestehe ein Zusammenhang zwischen der Bildung der Eltern und der familiären Empfänglichkeit für Werbung. Weniger gebildete Eltern achteten in der Regel seltener auf eine gesunde Ernährung, stellen seltener Regeln für Süßigkeiten und Sport auf und seien weniger kritisch gegenüber Fernsehwerbung, so Prof. Ahrens. „Deren Kinder sind Einflüssen der Werbung schutzlos ausgeliefert“, gibt Prof. Ahrens zu bedenken. Dabei ist der Einfluss der TV-Werbung so stark, dass Kinder sogar Snacks konsumieren, die sie eigentlich nicht mögen, nur weil diese in der Werbung beworben werden.

„Ein drittes wichtiges Ergebnis von I.Family ist die Erkenntnis, dass guter Zugang zu offenen Flächen, Parks, Spazier- und Radwegen dazu führt, dass Kinder körperlich aktiver sind“, sagt Prof. Wolfgang Ahrens. „Stadtplaner und Politiker können die Gesundheit von Kindern also direkt beeinflussen, wenn sie ihnen bessere Möglichkeiten bieten, sich in ihrer direkten Umgebung zu bewegen.“ Zurzeit erreichte nicht einmal jedes dritte teilnehmende Kind die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO, jeden Tag mindestens eine Stunde körperlich aktiv zu sein.

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verfasst von am 10. März 2017 um 07:47

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