Kaltstart in den Tag

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Mittwoch, 25. März 2015

Dass ein Auto ohne Kraftstoff keinen Meter fährt, steht zweifelsfrei fest. Ganz anders verhält sich dies bei uns Menschen: Immer mehr Menschen verzichten auf das Frühstück, darunter auch viele Kinder und Jugendliche. Wie gut fährt der menschliche Organismus ohne morgendliches Nährstofftanken? Welche Möglichkeiten gibt es, Kinder und Jugendliche zum Frühstücken zu motivieren?

Was früher eine Selbstverständlichkeit war, wird zunehmend zum Sonderfall: Immer weniger Kinder und Jugendliche frühstücken täglich. Mit zunehmendem Alter sinkt der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die regelmäßig ein Frühstück einnehmen: Beinahe neun von zehn Vorschulkindern (88 Prozent), die am Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS; 2009-2012) teilgenommen haben, frühstückten täglich. In der Gruppe der Vierzehn- bis Siebzehnjährigen war es gerade einmal jeder zweite (53 Prozent).

Warum verzichten Kinder und insbesondere Jugendliche auf das Frühstück? Als Gründe werden häufig Zeitmangel und fehlender Hunger am frühen Morgen genannt. Der in der Pubertät veränderte Schlafrhythmus führt außerdem zu einer Verschiebung der Prioritäten: Um länger schlafen zu können, verzichten viele Jugendliche morgens lieber auf die Nahrungsaufnahme zuhause. In der Pubertät kann das Nicht-Frühstücken auch ein Teil des Abgrenzungsprozesses gegenüber den Eltern sein. Gerade Mädchen verzichten häufig auf das Frühstück, um Kalorien zu sparen.

Viele Gründe sprechen allerdings für ein regelmäßiges Frühstück am Morgen:

  • Nährstoffversorgung: Das Frühstück leistet einen wichtigen Beitrag zur Versorgung mit Mikronährstoffen. Wer häufig frühstückt, nimmt mehr Ballaststoffe und Calcium zu sich. Günstig schneidet insbesondere eine Mahlzeit aus Frühstückscerealien mit geringem Zuckergehalt, frischem Obst und Milchprodukten ab.
  • Erhöhte Leistungsfähigkeit: Studien zufolge sind Schüler nach einem Frühstück leistungsfähiger, das Konzentrationsvermögen steigt. Außerdem scheint das Frühstücken mit einer Verminderung von aggressivem Verhalten und Hyperaktivität einherzugehen.
  • Vermeidung von Übergewicht: Nach wie vor verzichten viele aus Sorge um ihre Figur auf das Frühstück. Dabei haben verschiedene Studien, darunter auch eine Längsschnittstudie gezeigt, dass gerade das Auslassen des Frühstücks zur Entstehung von Übergewicht und Adipositas beiträgt.
  • gesundheitliche Vorteile: Kinder, die frühstücken, haben eine bessere Insulinsensitivität und günstigere Cholesterinwerte. Beide Parameter schützen vor kardiovaskulären Erkrankungen.

Bleibt die entscheidende Frage: Und wie sag’ ich’s meinem Kinde? Ernährungspsychologe Prof. Dr. Christoph Klotter von der Hochschule Fulda empfiehlt, bei der Argumentation für das Frühstück nicht die Gesundheit in den Vordergrund zu stellen, da dieses Thema für Kinder und Jugendliche noch zu abstrakt ist. Stattdessen sollten die unmittelbaren Vorteile eines neuen Frühstücksverhaltens im Vordergrund stehen, so Klotter weiter. Hierzu zählen die Steigerung von Konzentration, Leistungsvermögen und Erfolg. Außerdem sollten Eltern mit gutem Beispiel vorangehen und das Frühstück als gemeinsamen Start in den Tag etablieren.

Wenn die Qualität des Frühstücks gesteigert werden soll, ist es kontraproduktiv, Lebensmittelverbote auszusprechen. Denn diese machen die häufig als „ungesund“ bezeichneten Lebensmittel besonders attraktiv. Wichtiger sei es, spielerisch die Ernährungskompetenz von Kindern und Jugendlichen zu fördern, meint Prof. Dr. Klotter. Interventionen zur Verbesserung des Frühstücksverhaltens sollten von allen relevanten Akteuren gemeinsam geplant und getragen werden. Neben Eltern, Kita und Schule sollten auch die Anbieter von Lebensmitteln und Snacks im Umfeld der Schule in den Planungsprozess einbezogen werden und nicht zuletzt die Kinder und Jugendlichen selbst. Ernährungsgewohnheiten lassen sich nicht von heute auf morgen ändern. Für eine nachhaltige Veränderung des Frühstücksverhaltens ist es notwendig, dass Interventionen langfristig durchführbar sind und auf den kulturellen und sozialen Kontext der Zielgruppe abgestimmt sind.

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verfasst von am 25. März 2015 um 10:35

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Ein Kommentar zu “Kaltstart in den Tag”

  1. Penny sagt:

    Pauschalisierungen sind immer falsch, lautet ein geflügeltes Wort. Abgesehen davon, dass Ernährungswissenschaft allzu häufig einer Lotterie gleicht, sollte man mE Kindern und Jugendlichen unbedingt erst mal zuhören. Ich wurde in meiner Kindheit und Jugend jahrelang zum Frühstücken genötigt und habe täglich mit Übelkeit dafür bezahlt. Später habe ich lange Zeit nicht vor neun und später dann sogar erst gegen Mittag meine erste Mahlzeit eingenommen, ganz einfach, weil es mir damit besser ging. Seit ich intensiv Sport treibe, frühstücke ich zwischen acht und neun. Aufgestanden bin ich in der ganzen Zeit ungefähr um halb sechs. Was zählen so oder so fragwürdige wissenschaftliche Erkenntnisse, wenn es einem bei der Befolgung der daraus resultierenden Richtlinien nicht gut geht? Statt Frühstück zu propagieren, sollte man Kindern besser beibringen, auf ihren Körper zu hören, Hunger von Appetit zu unterscheiden, zu essen, wenn der Körper Bedarf signalisiert. Der ist nämlich das entscheidende Kriterium und aller Theorie haushoch überlegen, wenn wir nur lernen, seine Signale zu achten.

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