Kostenübernahme für Blutzuckermessstreifen eingeschränkt

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Dienstag, 22. März 2011

– eine Einsparung zu Lasten der Patienten?

Letzten Donnerstag (17.03.2011) hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) (1) seine Entscheidung zur Verordnungsfähigkeit von Harn- und Blutzuckerteststreifen für Patienten mit Diabetes bekanntgegeben. Die gute Nachricht vorweg: für insulinpflichtige Diabetiker (Typ 1 und Typ 2) ändert sich nichts. Anders sieht es bei Patienten aus, deren Diabetes nichtmedikamentös oder nur mit oralen Antidiabetika (Tabletten) behandelt wird. Bei ihnen werden Blut- und Harnzuckermessstreifen nur noch in Ausnahmefällen erstattet.

Der GBA begründet sein Votum damit, dass diese Patientengruppe nicht direkt von einer entsprechenden Messung profitieren könnte. Anders als Patienten mit Insulinmedikation, deren Insulindosis in Abhängigkeit von dem zuvor gemessenen Blutzuckerspiegel festgelegt wird, habe die Blutzuckerselbstmessung bei nicht insulinpflichtigen Diabetikern keine Folgen für die Therapie, so der GBA. Änderungen der Medikamentendosis würden regelmäßig von dem behandelnden Arzt durchgeführt, der bei seiner Entscheidung neben dem Blutzuckerwert auch den Blutzuckerlangzeitweit (HbA1c) mit berücksichtige. Dementsprechend benötigten auf diese Weise behandelte Patienten keine Blutzuckerteststreifen.

Blutzuckermessstreifen
© AlishaV

Dem widerspricht der Deutsche Diabetiker Bund (DDB). Er vertritt die Ansicht, dass bei der Entscheidungsfindung die Lebensqualität der Probanden zu wenig berücksichtigt wurde. Laut Manfred Flore, Geschäftsführer des Deutschen Diabetiker Bundes, sind Teststreifen auch bei nicht insulinpflichten Diabetikern ein notwendiger Therapiebestandteil: „Auch nicht insulinpflichtige Diabetiker müssen schauen, dass sie ihre Stoffwechsellage im Griff behalten. Dazu ist es notwendig, dass sie im Rahmen ihres Selbstmanagements, was die Krankheit betrifft, auch Selbstmessungen durchführen.“ Der DDB befürchtet, dass betroffene Diabetiker durch die Entscheidungen in ihrem gesellschaftlichen Leben eingeschränkt werden. Beispielsweise müssen Diabetiker im Straßenverkehr  ihre Fahrtauglichkeit durch Blutzuckermessungen nachweisen.

Der GBA sieht die Situation dagegen grundlegend anders: „Wir sind in einem laufenden Verfahren, das nicht dazu dient, Blutzuckerteststreifen auszuschließen, sondern sie unter qualitativen Bedingungen auf das Notwendige zu begrenzen“, entgegnete Rainer Hess, derzeitiger Vorsitzender des GBA auf einer Kundgebung des DDB Anfang Februar in Berlin. In der Vergangenheit wäre u. a. durch den Einfluss der Industrie (z. B. kostenlose Weitergabe von Blutzuckermessgeräten) sehr großzügig mit Teststreifen umgegangen worden. Dieser Missbrauch müsse nun beendet werden.

Es gibt aber auch Ausnahmen von den neuen Regelungen. Nicht insulinpflichte Diabetiker mit vorübergehend instabiler Stoffwechsellage (beispielsweise bei der Ersteinstellung oder Therapieumstellung) sollen weiterhin Blutzuckerteststreifen von ihrer Krankenkasse erhalten. Dasselbe gilt für an Grippe Erkrankte und Patienten, die nach einem langen Flug unter Jetlag leiden. Ihnen dürfen Ärzte, so oft dies erforderlich ist, jeweils 50 Teststreifen verschreiben.

Bevor die Regelung in Kraft tritt, muss zunächst das Bundesministerium für Gesundheit zustimmen und eine entsprechende Veröffentlichung im Bundesanzeiger erfolgen. Dann bleibt abzuwarten, ob und inwieweit diese Entscheidung tatsächlich zu den erhofften Kosteneinsparungen führt. Auf jeden Fall sollte untersucht werden, welche Folgen sich daraus für die Gesundheit der betroffenen Diabetiker und deren Diabetesbehandlung ergeben.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) setzt sich aus Vertretern der Krankenkassen, der Leistungserbringer (Ärzteschaft, Krankenhäuser, etc.) und der Patienten sowie drei unparteiischen Mitgliedern zusammen. Seine Aufgabe besteht in der Überprüfung der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung auf ihren Nutzen. Der GBA legt fest, welche medizinischen Leistungen erstattet werden und beschließt Maßnahmen zur Qualitätssicherung im ambulanten und stationären Bereich.

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verfasst von am 22. März 2011 um 14:12

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