Low Carb, low GI – oder nichts davon?
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Dienstag, 17. Februar 2015
Wir wissen, dass die Kohlenhydrate verschiedener Lebensmittel den Blutzuckerspiegel unterschiedlich stark ansteigen lassen. Außerdem wird vermutet, dass eine Ernährung, die den Blutzuckerspiegel niedrig hält, das Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduziert. In einer vor kurzem publizierten Studie wurden die Zusammenhänge genauer untersucht.
Grundlage für die Studie sind Erkenntnisse zum glykämischen Index. Der glykämische Index (GI) gibt an, wie stark der Blutzuckerspiegel in den zwei Stunden nach dem Verzehr einer Portion eines bestimmten Lebensmittels ansteigt, die genau 50 Gramm Kohlenhydrate enthält. Als Bezugsgröße dient der Blutzuckeranstieg nach dem Verzehr von 50 Gramm reiner Glukose, der auf den Wert 100 gesetzt wurde. Auf diese Weise ist es möglich, die Blutzuckerwirksamkeit verschiedener Lebensmittel zu vergleichen. Beispielsweise hat eine Banane mit einem Wert von 70 einen beinahe doppelt so hohen GI wie ein Apfel (GI 40).
Da eine Mahlzeit sich meist aus verschiedenen Lebensmitteln zusammensetzt und auch die Zubereitung von Lebensmitteln den GI beeinflusst, ist es in der Praxis schwierig, den GI ganzer Mahlzeiten zu bestimmen geschweige denn in Studien den Effekt einer Ernährung mit niedrigem oder hohem GI auf gesundheitliche Parameter zu vergleichen. Um sicherzustellen, dass alle Probanden dieselbe Menge an Kohlenhydraten mit demselben GI aufnehmen, bleibt nur eine Möglichkeit: Alle Probanden erhalten während der Studienphase besondere, für sie zusammengestellte und vorgefertigte Mahlzeiten. Dies war in der hier beschriebenen Studie der Fall.
Zur Studie: Insgesamt 163 Probanden, verteilt auf zwei Studienzentren in Baltimore und Boston, nahmen an der Studie teil. Alle Probanden waren mindestens 30 Jahre alt und übergewichtig (BMI über 25 kg/m2). Mit einem systolischen Blutdruck zwischen 120-159 mm Hg und einem diastolischen Blutdruck zwischen 70-99 mm Hg lagen die Teilnehmer im normalen bis leicht erhöhten Bereich.
Alle Teilnehmer erhielten jeweils für fünf Wochen Mahlzeiten, die auf den Empfehlungen für eine blutdrucksenkende Ernährungsweise (sog. DASH-Diät) basierten und sich in der Art und Menge der enthaltenen Kohlenhydraten unterschieden:
- High GI, High Carb Ernährung: hoher GI (mindestens 65) und hoher Kohlenhydratgehalt (mindestens 58 Prozent der täglichen Energieaufnahme)
- Low GI, High Carb Ernährung: niedriger GI (maximal 40), aber hoher Kohlenhydratgehalt (mindestens 58 Prozent der täglichen Energieaufnahme)
- High GI, Low Carb Ernährung: hoher GI (mindestens 65), aber niedriger Kohlenhydratgehalt (40 Prozent der täglichen Energieaufnahme)
- Low GI, Low Carb Ernährung: niedriger GI (maximal 40) und niedriger Kohlenhydratgehalt (40 Prozent der täglichen Energieaufnahme)
Die Reihenfolge, in der die Probanden die verschiedenen Testdiäten erhielten, variierte. Während jeder Studienphase wurde mehrfach der Blutdruck der Probanden gemessen und Blut abgenommen. Mit Hilfe eines Glukosetoleranztests war es zudem möglich, die Insulinsensitivität der Probanden bei der jeweiligen Kostform zu bestimmen. Auf jede Studienphase folgte eine zweiwöchige Pause (sogenannte Auswaschphase), dann folgte die nächste Testdiät.
Das Ergebnis der Studie war erstaunlich: Entgegen der weitverbreiteten Annahme, nahm bei einer kohlenhydratreichen Ernährung mit einem niedrigen GI die Insulinsensitivität um 20 Prozent ab und die LDL-Cholesterin-Konzentration stieg um 6 Prozent an – jeweils im Vergleich zu einer Ernährung mit hohem GI. Beide Veränderungen sind aus medizinischer Sicht als unerwünscht einzustufen. Wurde dagegen bei einer kohlenhydratarmen Ernährungsweise der GI reduziert, veränderte sich erfreulicherweise der Triglyzeridspiegel (Reduktion um 5 Prozent). Der Übergang von einer Extremdiät mit hohem GI und hohem Kohlenhydratgehalt auf die Minimalversion mit niedrigem GI und niedrigem Kohlenhydratgehalt resultierte ebenfalls in einer immerhin 23-prozentigen Senkung des Triglyzeridspiegels. Insulinsensitivität, systolischer Blutdruck, LDL- und HDL-Cholesterin änderten sich dagegen kaum.
Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass eine Bevorzugung von Lebensmitteln mit geringem GI im Hinblick auf die Prävention von Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht sinnvoll ist – zumindest dann nicht, wenn bereits die Empfehlungen für eine allgemein blutdrucksenkende Ernährungsweise beachtet werden. Hierzu zählen ein reichlicher Verzehr von Obst und Gemüse, die Bevorzugung fettarmer Lebensmittel und Lebensmittel mit geringem Gehalt an gesättigten Fettsäuren sowie eine Einschränkung der Kochsalzaufnahme.
Quellen einblenden
- F. M. Sacks, V. J. Carey, C. A. M. Anderson, E. R. Miller, T. Copeland, J. Charleston, B. J. Harshfield, N. Laranjo, P. McCarron, J. Swain, K. White, K. Yee, L. J. Appel (2014): Effects of High vs LowGlycemic Index of Dietary Carbohydrate on Cardiovascular Disease Risk Factors and Insulin Sensitivity. The OmniCarb Randomized Clinical Trial. JAMA 312: Seite 2531-2541
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 17. Februar 2015 um 07:13
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Hallo,
ich persönlich ernähre mich Low Carb da ich denke, dass der GI nicht wirklich eine hilfreiche Aussage trifft. Der glykemische Index ist nur sinnvoll, wenn man das Nahrungsmittel komplett alleine zu sich nimmt. Das ein hoher Index schlecht fürs abnehmen ist, lässt sich nicht so sagen. Da man aber Nudeln, Reis und Co (also Kohlenhydrate mit hohem GI) meistens als Beilage zu sich nimmt, verändert sich der Effekt auf die Insulinproduktion. Das Konzept der glykemischen Last macht meiner Meinung nach mehr Sinn.