Magenfüller und zugleich Hungerbremse: Neue Erkenntnisse zu Ballaststoffen
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Mittwoch, 26. November 2014
Das Ansehen von Ballaststoffen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Wurden sie einst als überflüssiger Ballast ohne Nährwert eingestuft, so wird ihre sättigende Wirkung aktuell sehr geschätzt, ebenso wie ihre Vielseitigkeit bei der Bekämpfung von Zivilisationskrankheiten. Fragt man nach den zugrundeliegenden Mechanismen, sind Ballaststoffe immer wieder für eine Überraschung gut.
Ballaststoffe haben eine gemeinsame Eigenschaft: Sie können vom menschlichen Organismus nicht oder nur in geringem Umfang zur Energiegewinnung genützt werden, besitzen also nur einen geringen Nährwert und werden größtenteils unverdaut wieder ausgeschieden. Dennoch wirken sie sättigend, jedoch auf andere Art und Weise als die Nährstoffe Eiweiß, Kohlenhydrate und Fett. In Abhängigkeit von ihrer Wasserlöslichkeit lassen sich Ballaststoffe grob in zwei Untergruppen mit unterschiedlicher Funktion unterteilen:
- Lösliche Ballaststoffe verzögern die Magenentleerung und verhindern damit größere Blutzuckerschwankungen. Außerdem können lösliche Ballaststoffe den Cholesterinspiegel im Blut direkt (Hemmung der Cholesterinsynthese in der Leber) und indirekt (Förderung der Ausscheidung von Gallensäuren, die aus Cholesterin gebildet werden) senken.
- Unlösliche Ballaststoffe sind die Nahrungsgrundlage von Darmbakterien. Sie binden im Dickdarm Wasser, quellen auf und regen die Darmbewegung an. Auf diese Weise wirken sie verdauungsfördernd.
Soweit die bekannten Wirkungen. Mittlerweile gehen Experten davon aus, dass die Wirkung von Ballaststoffen nicht auf den Magen-Darm-Trakt begrenzt ist. Beispielsweise wurde vermutet, dass Ballaststoffe über verschiedene Wege Sättigungshormone aktivieren und damit auch die Nahrungsaufnahme beeinflussen könnten. Wissenschaftler des Imperial Colleges in London hatten eine ähnliche Idee: Sie vermuteten, dass Essigsäure (Acetat), welche bei der Fermentation wasserlöslicher Ballaststoffe durch Darmbakterien entsteht, den Appetit verringern kann. Mithilfe von Fütterungsstudien an Mäusen konnten sie zeigen, dass
- markiertes Acetat aus dem Darm absorbiert wird, dann weiter im Blut transportiert wird und die Blut-Hirn-Schranke überwindet,
- Acetat und sein Produkt AcetylCoA im Gehirn (Hypothalamus) über die Beeinflussung neuronaler Vorgänge den Appetit regulieren,
- die appetithemmende Wirkung von Acetat nicht über Sättigungshormone vermittelt wird und auch nicht vom Blutzuckerspiegel beeinflusst wird.
Die Ergebnisse dieser Studie unterstreichen einmal mehr die Bedeutung von Ballaststoffen für die Ernährung, insbesondere in Bezug auf die Kontrolle des Körpergewichts. Dennoch wird die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, täglich mindestens 30 Gramm Ballaststoffe mit der Nahrung aufzunehmen, häufig nicht erreicht. Gute Quellen für lösliche Ballaststoffe sind Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und Getreide. Unlösliche Ballaststoffe befinden sich vor allem in den Randschichten von Getreidekörnern. Daher empfiehlt es sich, Mehl aus dem vollen Korn sowie Vollkornreis und Vollkornnudeln zu verzehren. Weitere Informationen zu Ballaststoffen sowie eine Gegenüberstellung des Ballaststoffgehalts verschiedener Lebensmittel finden Sie hier.
Quellen einblenden
- G. Frost, M. L. Sleeth, M. Sahuri-Arisoylu et al. (2014): The short-chain fatty acid acetate reduces appetite via a central homeostatic mechanism. Nature Communications 5, Seite 3611 ff.
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 26. November 2014 um 07:14
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