Mediterrane Küche für Kinder – nicht (nur) am Mittelmeer

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Donnerstag, 28. August 2014

Eine nach den Idealen der mediterranen Kost optimierte Ernährung schützt auch Kinder vor Übergewicht und Fettleibigkeit – wenn sie praktiziert wird. Doch nicht überall, wo man mediterrane Ernährung erwarten würde, ist sie tatsächlich anzutreffen, wie der Vergleich zwischen europäischen Ländern zeigt. And the winner is…?

Bei der mediterranen Ernährung (auch bekannt als Mittelmeerküche) werden traditionell viele pflanzliche Lebensmittel (mediterrane Gemüse- und Obstsorten, Getreideprodukte, Nüsse und Samen), täglich Milchprodukte in kleineren Mengen (Käse, Joghurt), mehrmals pro Woche Geflügel oder Fisch, jedoch kaum rotes Fleisch (Rind, Schwein, Lamm) oder Eier, verzehrt. Fett wird vor allem in Form von Olivenöl aufgenommen, und zu den Mahlzeiten wird gern einmal ein Glas Wein getrunken (pro Tag insgesamt circa ein bis zwei Gläser, meistens Rotwein).

Erwachsene, die sich auf diese Weise ernähren, sind seltener übergewichtig, leiden weniger unter chronischen Erkrankungen oder einem metabolischen Syndrom und haben eine längere Lebenserwartung. Die Erkenntnis, dass der gesundheitliche Vorteil der mediterranen Küche weniger auf die mediterranen Lebensmittel als auf die dazugehörigen Lebensmittelgruppen und die verzehrten Lebensmittelmengen zurückzuführen ist, führte zur Weiterentwicklung der mediterranen Kostformen. Es entstand eine lebensmittelgruppenbasierte, mittelmeerähnliche Ernährungsform, die flexibel an die Gegebenheiten vor Ort angepasst werden kann.

Generell wird davon ausgegangen, dass auch Kinder gesundheitlich von einer mediterranen Kost einschließlich der adaptierten Variante profitieren. Der Zusammenhang zwischen einer mediterranen Ernährung und kindlichem Übergewicht oder Fettleibigkeit einschließlich Indikatoren wie Taillen-Umfang oder das Taille-zur-Körpergröße-Verhältnis (Waist to Height Ratio) wurde bislang jedoch kaum untersucht.

Anlässlich des diesjährigen Europäischen Adipositas-Kongresses stellten Wissenschaftler nun die Ergebnisse eines pan-europäischen Projekts vor. Sie untersuchten zum einen, welche Auswirkungen eine kindliche Ernährung nach den Prinzipien der mediterranen Ernährung auf die Entstehung von Übergewicht und Adipositas hat. Zum anderen interessierten sie sich für die Verbreitung dieser Ernährungsform in Europa.

An der Studie nahmen 16.220 Kinder im Alter von 2-9 Jahren aus acht europäischen Ländern teil. Zu Beginn und nach zwei Jahren wurden die Kinder gewogen und ihre Körperlänge, der Taillenumfang sowie die Hautfaltendicke als Indikatoren für die Körperproportionen des Kindes bestimmt. Außerdem gaben die Eltern in einem Fragebogen Auskunft, wie häufig ihr Kind üblicherweise 43 verschiedene Lebensmittel zu sich nahm.

Die Ernährungsgewohnheiten des Kindes wurden anschließend in einen Punktwert übersetzt: Wenn Lebensmittel, die mit den Empfehlungen der mittelmeerähnlichen Ernährung übereinstimmten, häufig verzehrt wurden, wurde ein Punkt vergeben. Gleichermaßen wurde ein Punkt notiert, wenn bestimmte Lebensmittelgruppen wie Fleisch oder Milchprodukte im Sinne einer mittelmeerkostähnlichen Ernährung nur sparsam verzehrt wurden. Anschließend wurden alle Punkte addiert. Je höher der Punktwert war, desto besser entsprach die Ernährung des Kindes den Empfehlungen für eine mediterrane oder mittelmeerkostähnliche Ernährung. Damit konnten die Wissenschaftler die Ernährung der Kinder beurteilen, zwischen verschiedenen Kindern vergleichen und Zusammenhänge zum Körpergewicht analysieren.

Durch ihre Daten konnten die Wissenschaftler belegen, dass auch Kinder von einer mediterranen beziehungsweise mittelmeerähnlichen Ernährung profitieren: Kinder mit einem hohen Punktwert waren seltener fettleibig und hatten eine geringere Fettmasse als Kinder mit einem geringeren Punktwert, wobei Unterschiede im Alter, Geschlecht, Sozialstatus, Studienzentrum und körperliche Aktivität herausgerechnet wurden. Außerdem zeigte sich, dass eine Ernährung nach den Prinzipien dieser Ernährungsform vor einer Zunahme des BMI, des Taillenumfangs, des Waist to Height Ratios und tendenziell auch der Fettmasse innerhalb des zweijährigen Beobachtungszeitraums schützte.

Die Analyse der Verbreitung der mediterranen beziehungsweise mittelmeerkostähnlichen Ernährung in den europäischen Ländern brachte jedoch Erstaunliches zutage: Die meisten Anhänger oder Fans, wie man unter Kindern vielleicht eher sagen würde, hatte diese Ernährungsform nämlich NICHT in den klassischen Mittelmeerländern, sondern in Schweden. Glaubt man den Angaben der Eltern, aßen die Kinder dort vergleichsweise viel Getreideprodukte, Obst, Gemüse und Nüsse. Dagegen stimmte die Ernährung der zypriotischen Kinder am wenigsten mit den Empfehlungen für eine traditionell mediterrane Ernährung insgesamt überein. Im europäischen Ländervergleich aßen Kinder aus Italien am wenigsten Gemüse, waren jedoch am häufigsten übergewichtig oder fettleibig, vor Zypern und Spanien. Von fünf Kindern waren mehr als zwei Kinder in Italien und eines in Spanien übergewichtig oder adipös.

Für die an der Studie beteiligten Forscher war dieses Ergebnis nicht ganz unerwartet. Sie gaben an, dass die Ernährungsgewohnheiten sich insbesondere in Südeuropa verändert hätten: Insbesondere jüngere Bewohner verzehren immer mehr tierische Produkte und fettreiche Lebensmittel, gleichzeitig sinkt die Aufnahme pflanzlicher Lebensmittel. Während also Bewohner von Mittelmeerländern sich zunehmend von ihren traditionellen, besonders gesundheitsfördernden Ernährungsgewohnheiten entfernen, scheint die nordische Bevölkerung gesundheitsbewusster geworden zu sein.

Aufgrund ihrer Ergebnisse empfehlen die Wissenschaftler Ernährungsformen, die der mediterranen Ernährung ähnlich sind, in europäische Präventionsstrategien zur Bekämpfung von Fettleibigkeit im Kindesalter einzubinden. Gesundheitsbehörden sollten sich verstärkt um die Förderung des Verzehrs von Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, Nüssen und Fisch bemühen. Darüber hinaus zeigt insbesondere das Beispiel Schwedens, dass eine mittelmeerkostähnliche Ernährung sich leicht in das Lebensmittelangebot und die kulturellen Gegebenheiten vor Ort adaptieren lässt.

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verfasst von am 28. August 2014 um 07:09

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3 Kommentare zu “Mediterrane Küche für Kinder – nicht (nur) am Mittelmeer”

  1. Inga-Lena sagt:

    Das hört sich wirklich köstlich an..
    Mal schauen, was mein Mann und die Kids dazu sagen werden, wenn ich mal so Koche =)

  2. Hildegard sagt:

    Danke für die wirklich interessanten Forschungsergebnisse zur Kinderernährung. Ich bemühe mich gerade meiner kleinen Nichte (&) gute Essgewohnheiten beizubringen. Also ist der Weg zum Italiener eigentlich eine ganz gute Idee.

  3. Patrick sagt:

    Besonders mit Fisch hat man auch tolle Rezepte, die sogar den Kleinen schmecken. Und das Gute, Fisch ist reich an gesunden Fetten.

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