Muttermilch-Aroma gibt Rätsel auf

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Freitag, 3. Januar 2014

Gehen Geruchs- und Geschmacksstoffe aus Nahrungsmitteln tatsächlich in die Muttermilch über? Und: Beeinflussen das Stillen und die Ernährung der Mutter in der Stillzeit die späteren Ernährungsgewohnheiten des Kindes? Rund um Muttermilch und Stillen sind viele Fragen unbeantwortet. Studienergebnisse der Universität Erlangen-Nürnberg geben neue Ansatzpunkte zur Beantwortung dieser und weiterer Fragen.

Kleinkind beim Füttern

Wissenschaft lebt von neuen Studien. Bislang gingen Experten davon aus, dass die Ernährung der Mutter den Geschmack der Muttermilch beeinflusst. Viele haben von dem Karottensaft-Experiment gehört, bei dem Säuglinge, deren Mütter während der Schwangerschaft und Stillzeit große Mengen davon tranken, Karottenaroma eher mochten als andere Säuglinge. Nicht zuletzt deshalb ist die Annahme weit verbreitet, dass die Aromen, die ein Säugling früh in seinem Leben kennenlernt, seine späteren Ernährungsgewohnheiten beeinflussen.

Ganz so einfach scheinen die Zusammenhänge zwischen der Ernährung der Mutter und der Geschmacksprägung des Säuglings jedoch nicht zu sein. Die Lebensmittelchemikerin Prof. Andrea Büttner warnt vor vorschnellen Schlüssen: „Die meisten Studien zu diesem Thema sind geprägt durch extrem hohe Geruchsstoff-Dosierungen und atypisch lange Verabreichung der Aromen oder Nahrungsmittel, sodass eine Übertragung auf die alltägliche Ernährungssituation nur schwer möglich ist.

Deshalb untersuchte Professor Büttner mit ihren Kollegen an der Universität in Nürnberg-Erlangen, ob und in welchem Umfang Geruchsstoffe in die Muttermilch übergehen und inwiefern sie zuvor im mütterlichen Stoffwechsel verändert werden. In einem ersten Schritt identifizierten die Wissenschaftler per Gaschromatographie die wichtigsten Aromastoffe der Muttermilch. Anschließend konfrontierten sie Säuglinge mit ausgewählten Muttermilch-Geruchsstoffen um herauszufinden, ob die Geruchsstoffe für die kleinen Testpersonen attraktiv oder eher abschreckend sind. Wie verändert sich die Mimik des Kindes nach dem Riechen? Dreht es seinen Kopf weg oder leckt es mit der Zunge? Jede kleinste Veränderung war für die Forscher wichtig.

Obwohl noch nicht alle Daten ausgewertet sind, lassen die Ergebnisse den Zusammenhang zwischen der Ernährung der Mutter und den sensorischen Eigenschaften der Muttermilch in einem neuen Licht erscheinen und geben Ansatzpunkte für zukünftige Studien. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die zugrunde liegenden chemischen und physiologischen Vorgänge im Körper der Mutter wesentlich komplexer sind als bisher angenommen wurde und nicht alle Geschmacksstoffe 1:1 in die Muttermilch übergehen. Andrea Büttner erläutert: „Ein wichtiges Ergebnis war unter anderem, dass nicht jedes von der Mutter verzehrte Aroma auch zwingend zu sensorischen Veränderungen der Muttermilch führt. So konnten wir zeigen, dass Fisch- oder Stilltee-Geruchsstoffe weder analytisch noch sensorisch in der Muttermilch nachweisbar waren.“ Nimmt die Mutter dagegen höher dosierte Geruchsstoffmengen auf (im Experiment Eukalyptol gegen Erkältung), enthielt die Muttermilch den Ausgangsstoff sowie Umbauprodukte aus dem mütterlichen Stoffwechsel.

Schranke
© mueritz

Aus den Ergebnissen ihrer Experimente schließen die Wissenschaftler, dass möglicherweise nur bestimmte Stoffe und Substanzklassen tatsächlich über die Muttermilch weitergegeben werden. „Ich will nicht sagen, dass unsere Erkenntnisse die Muttermilchforschung revolutionieren„, meint Büttner. „Aber es fehlte bislang ganz klar eine differenzierte Betrachtung verschiedener Stoffe und Aromen sowie der im wirklichen Leben aufgenommenen Mengen. Ebenso sind die komplexen Prozesse im mütterlichen Organismus nicht hinreichend untersucht, die dafür sorgen, dass eben nicht alle Geruchsstoffe der Nahrung mit der Muttermilch abgegeben werden. Daher wurde immer pauschal angenommen, dass alle konsumierten Substanzen sich auch in der Muttermilch wiederfinden.

Für ihre Studie wurden die Wissenschaftler kürzlich mit dem Nutrica-Wissenschaftspreis 2013 ausgezeichnet. Doch für Büttner und ihre Kollegen ist das Thema damit nicht abgeschlossen. Ganz im Gegenteil: „Die Hypothese, dass die Ernährungsgewohnheiten eines Kindes im späteren Alter über die Ernährung der stillenden Mütter geprägt wird, ist aus meiner Sicht spannend und ausbaufähig, auch wenn diese Zusammenhänge sicher komplexer sind als bisher angenommen„, erläutert Büttner. Büttner und ihre Kollegen zweifeln daran, dass die Muttermilch generell Geschmacksvorlieben prägt und erwägen, ob dies nur in wenigen Fällen tatsächlich geschieht. „Mindestens ebenso spannend wäre zu diskutieren, ob und in welcher Weise der mütterliche Organismus eine Kontrollfunktion übernimmt. Denn oft wird vergessen, dass selbst natürliche Aromastoffe nicht immer gesund sein müssen“, meint Büttner.

Vielleicht erfahren wir bald mehr über Aromastoffe in der Muttermilch und die frühkindlicher Prägung von Ernährungsgewohnheiten.

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verfasst von am 3. Januar 2014 um 08:37

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