Nährwertangaben – sinnvoll und nützlich, aber oftmals zu wenig beachtet
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Dienstag, 24. April 2012
Viele Lebensmittelverpackungen enthalten inzwischen Informationen zum Energie- und Nährstoffgehalt. Solche Angaben sollen Verbraucher bei der Auswahl gesunder Lebensmittel unterstützen. Ob dies allerdings tatsächlich effektiv ist, wurde bislang kaum wissenschaftlich analysiert. Deshalb wurde das von der EU geförderte Projekt „flabel“ ins Leben gerufen.
„Flabel“ ist die Abkürzung für „Food Labelling to Advance Education for Life“ (Kennzeichnung von Lebensmitteln zur Förderung der Ausbildung für das Leben). Das Projekt besteht aus mehreren Einzelstudien, die gemeinsam folgende Fragen beantworten:
- Welche Auswirkungen hat die Nährwertkennzeichnung auf die Lebensmittelwahl, die Gewohnheiten von Konsumenten sowie ernährungsbedingte Gesundheitsprobleme in Europa?
- Was sollte bei der Entwicklung von Richtlinien zum Einsatz der Nährwertkennzeichnung beachtet werden?
Auch wenn das Projekt noch nicht vollständig abgeschlossen ist, werden zunehmend Ergebnisse einzelner Studien bekannt. Eine Marktanalyse zeigte, dass Nährwertangaben in unterschiedlichen Formen heute auf vielen Lebensmitteln in Europa vorhanden sind. Bei 85 Prozent der frischen Fertiggerichte und Frühstückszerealien, Joghurts und Keksen sowie kohlensäurehaltiger Limonaden waren Nährwerttabellen auf der Verpackungsrückseite zu finden, mehr als die Hälfte davon (48 Prozent) war ebenfalls auf der Vorderseite der Verpackung mit nährwertbezogenen Angaben und Angaben zu Schlüsselnährstoffen versehen.
Doch verstehen die Konsumenten die Angaben auf den Lebensmittelverpackungen? Dieser Frage gingen Forscher in weiteren Studien nach. In einer groß angelegten Untersuchung sollten Verbraucher aus vier europäischen Ländern den Gesundheitswert von jeweils drei Produkten einer Lebensmittelkategorie (z. B. Joghurt) anhand der darauf enthaltenen Informationen (Hauptnährstoffe, Energiegehalt) bewerten. Dabei stellte sich heraus, dass die Verbraucher diese Informationen durchaus verstehen und anwenden können. Weitere Studien bestätigen diese Erkenntnis. Ergänzende Angaben wie eine Ampelkennzeichnung oder Portionsangaben und Relationen zum Tagesenergiebedarf verbesserten die Genauigkeit der Einschätzung der Teilnehmer nur geringfügig.
Obwohl die Angaben zum Gesundheitswert verschiedener Lebensmittel heute auf vielen Verpackungen vorhanden sind und die Konsumenten diese auch verstehen, beeinflussen Nährwertangaben die Lebensmittelauswahl jedoch kaum. Die Ursache hierfür sehen Wissenschaftler in der mangelnden gesundheitlichen Motivation der Käufer. Bei Kaufentscheidungen seien Kriterien wie Geschmack, Anklang in der Familie und Kaufgewohnheiten weitaus wichtiger als Gesundheitsziele. Eine mangelnde Motivation für Gesundheitsziele bedingt außerdem, dass Verbraucher Nährwertkennzeichnungen weniger wahrnehmen. Anhand der Verfolgung der Augenbewegungen in einem simulierten Lebensmittelgeschäft konnte gezeigt werden, dass Konsumenten im Durchschnitt 25 bis 100 Millisekunden für die Betrachtung von Nährwerten verwenden – aus Sicht der Wissenschaftler zu wenig, um die enthaltenen Informationen zu verarbeiten.
Wie lässt sich die Akzeptanz und Nutzung von Nährwertkennzeichnungen durch die Verbraucher erhöhen? Hier kamen die Forscher zu interessanten Schlussfolgerungen. Wie bereits erwähnt ist ein gewisses Maß an Gesundheitsmotivation eine grundlegende Voraussetzung dafür, dass Verbraucher nährwertbezogene Angaben überhaupt zur Kenntnis nehmen. Aufgabe der Politik ist deshalb, die Kennzeichnung von Lebensmitteln in ein größeres Konzept von Ernährungspädagogik und gesundheitlicher Motivation einzubinden.
Auch die richtige Darstellung ist wichtig: Informationen über Schlüsselnährstoffe und Energiegehalt sollten einheitlich auf der Vorderseite der Produkte angegeben werden und einfarbig, leicht lesbar und in vertrauter Weise dargestellt sein. Ideal ist eine Kombination von Richtwerten für die Tageszufuhr mit Ampelveranschaulichung. Die Aufmerksamkeit für die Kennzeichnung mit Nährwerten kann außerdem gesteigert werden, wenn möglichst wenig konkurrierende Informationen im gleichen Bereich auf der Verpackung abgedruckt sind. Außerdem erhöhen zusätzlich abgebildete Gesundheits-Logos insbesondere bei Zeitdruck die Aufmerksamkeit für und die Nutzung von Ernährungsinformationen.
In der Pflicht sind auch die Lebensmittelhersteller. Denn nur, wenn gesunde Alternativen auf dem Markt verfügbar sind, können Verbraucher sich auch dafür entscheiden. Eine unlängst in Deutschland und Polen durchgeführte Studie hat gezeigt, dass sich Konsumenten bei einem verbesserten Produktsortiment deutlich häufiger für die gesünderen Alternativen entschieden. Eine Verpflichtung zu einheitlichen, besser vergleichbaren Nährwertangaben würde Verbraucher nicht nur bei der Auswahl gesunder Lebensmittel unterstützen, sondern sollte auch als Anreiz für verbesserte Rezepturen, Produktinnovationen und nicht zuletzt wirtschaftlichen Erfolg auf dem stark umkämpften Lebensmittelmarkt verstanden werden.
Angaben zu den Nährstoffen zahlreicher Lebensmittel, einerlei ob frisch oder verarbeitet, können Sie auch hier nachlesen.
Quellen einblenden
- Fernandez Celemín L, Grunert KG (2012): Food Labelling to advance better education for life – Major results and conclusions.
- EUFIC (2012): Neue Einblicke in die Nährwertkennzeichnung in Europa. EU-Projekte – Sonderausgabe 03/2012.
- Ergebnisse, Auswertungen und wissenschaftliche Veröffentlichung der während des Projekts gesammelten Daten
Ähnliche Themen
- Triggl N (BBC Health, 24.10.2012): Food labelling: Consistent system ‚to start next year‘
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 24. April 2012 um 06:35
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