Neue Ergebnisse zur Versorgungssituation von vegetarisch und vegan lebenden Kindern und Jugendlichen

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Dienstag, 9. März 2021

Laut den Ergebnissen der VeChi-Youth-Studie sind Kinder und Jugendliche, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, ausreichend mit Energie und den meisten Vitaminen und Mineralstoffen versorgt. Unabhängig von der Ernährungsform bestehen jedoch Probleme bei der Deckung des Bedarfs an Calcium, Jod, Vitamin B2 und Vitamin D, bei den sich vegan Ernährenden ist darüber hinaus die Vitamin B12-Versorgung nicht ausreichend.

Im vergangenen Jahr wollte die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) ihr Positionspapier zur veganen Ernährung aktualisieren und darin auf die besonderen Ansprüche verschiedener Bevölkerungsgruppen eingehen. Das Vorhaben gestaltete sich allerdings als schwierig, da nur wenige Studien zu vulnerablen Gruppen wie Kindern, Jugendlichen sowie schwangeren und stillenden Frauen gefunden wurden. Aufgrund der nicht ausreichenden Studienlage blieb die DGE bei ihrem bisherigen Statement, dass eine vegane Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit sowie im gesamten Kindes- und Jugendalter … aufgrund des erhöhten Risikos für eine Nährstoffunterversorgung sowie einen Nährstoffmangel und deren teilweise unumkehrbaren Konsequenzen weiterhin nicht empfohlen werden kann.

In der VeChi-Youth-Studie („Vegetarian and Vegan Children and Youth Study„) wurden nun erstmals der Lebensmittelverzehr, die Nährstoffzufuhr und die Nährstoffversorgung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland, die sich vegan, vegetarisch oder omnivor1 ernährten, untersucht. An der Studie nahmen 114 Veganer, 150 Vegetarier und 137 Mischköstler im Alter von 6 bis unter 19 Jahren teil. Sie beantworteten unter anderem einen Onlinefragebogen, führten ein Ernährungsprotokoll und hatten einen Termin in einem der drei Studienzentren, wo verschiedene Messungen durchgeführt, Urin gesammelt und Blut abgenommen wurden.

Die Ergebnisse der Studie waren erfreulich: Sowohl die Mischköstler als auch die vegetarisch oder vegan lebenden Kinder und Jugendliche waren ausreichend mit Energie, energieliefernden Nährstoffen und den meisten Vitaminen und Nährstoffen versorgt. Dies galt sogar für das Problemvitamin B12, das reichlich in Fleisch, Fisch und Meeresfrüchten sowie Eiern und Milchprodukten vorhanden ist. Mit ausschließlich pflanzlichen Lebensmitteln lässt sich dagegen nach heutigem Erkenntnisstand der Bedarf an Vitamin B12 nicht decken. Dies scheint auch den VeganerInnen der aktuellen Studien bekannt gewesen zu sein, denn 88 Prozent der VeganerInnen nahmen (wie empfohlen) Supplemente zur Deckung ihres Vitamin B12-Bedarfs ein.

Die vegane Ernährungsweise konnte hinsichtlich der Kohlenhydrat- und Fettqualität, der günstigen Fettsäurezusammensetzung, des hohen Ballaststoffgehalts sowie ihres geringen Zuckergehalts punkten. Dies ist auf einen hohen Verzehr von Vollkornprodukten, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen zurückzuführen. Die VerganerInnen nahmen durchschnittlich 21-25 Gramm Ballaststoffe pro 1000 Kalorien zu sich, gefolgt von den VegetarierInnen (14-17 Gramm pro 1000 Kalorien). Mit 12-13 Gramm pro 1000 Kalorien war die Ballaststoffzufuhr der MischköstlerInnen zwar am geringsten, überschritt aber immer noch den Orientierungswert der DGE für Kinder und Jugendliche (10 Gramm/1000 Kalorien).

Unabhängig von der Ernährungsweise war in allen Gruppen die Versorgung mit Calcium, Jod, Vitamin B2 und Vitamin D problematisch. So erreichten nur 66,6 Prozent der MischköstlerInnen, 56,4 Prozent der VegetarierInnen und 45,8 Prozent der VeganerInnen mit ihrer Ernährung den DACH-Referenzwert für die Calciumzufuhr. Außerdem lag die Vitamin B2-Konzentration bei zwei von fünf MischköstlerInnen und der Hälfte der VegetarierInnen und VeganerInnen unterhalb des Normbereichs. Jede/jeder dritte Heranwachsende aller Ernährungsformen wies einen niedrigen Vitamin D-Status auf, wobei dieser auch über die Eigensynthese der Haut (je nach Sonneneinstrahlung) beinflussbar ist. Die mittlere Ausscheidung von Jod, welche als Indikator für die Jod-Versorgung gilt, lag bei allen drei Ernährungsformen im Mittel unterhalb des Grenzwerts für eine gute Versorgung. Dabei fiel auf, dass VeganerInnen vergleichsweise selten auf jodiertes Speisesalz zurückgriffen (VeganerInnen: 57 Prozent, VegetarierInnen: 62 Prozent, Mischköstler: 75 Prozent).

Die VeChi-Youth-Studie liefert wertvolle Hinweise zur Versorgung von vegetarisch oder vegan lebenden Heranwachsenden in Deutschland. Sie weist aber auch methodische Schwachpunkte auf, welche die Aussagekraft und Generalisierbarkeit der Ergebnisse schmälern. Hierzu zählt, dass die Probanden durch Aufrufe in Druckmedien und im Internet rekrutiert wurden. Dies könnte zur Folge haben, dass vor allen Dingen Kinder und Jugendliche mit einem überdurchschnittlich hohen Interesse an Ernährungsthemen teilgenommen haben. Außerdem waren verschiedene Alter- und Geschlechtsgruppen unterschiedlich gut vertreten, was die Generalisierbarkeit einschränkt: „Die Ergebnisse der VeChi-Youth-Studie können nicht auf alle Kinder und Jugendliche im selben Alter und gleichen Geschlecht mit jeweils gleicher Ernährungsweise übertragen werden, da die Stichprobe weder repräsentativ für die Gesamtheit der Kinder und Jugendlichen in Deutschland noch für die Untergruppen der sich vegetarisch bzw. vegan Ernährenden ist“, erläutert Dr. Johanna Conrad, Leiterin des Referats Wissenschaft bei der DGE. Außerdem stammten die Teilnehmer der Studie überwiegend aus einer hohen sozialen Schicht und wohnten in einer (Groß-)Stadt.

Daher besteht nach wie vor Forschungsbedarf zu den Auswirkungen einer vegetarischen oder veganen Ernährungsweise, idealerweise mit systematisch ausgewählten Probanden. Ergänzend zum DGE-Statement empfiehlt Dr. Conrad: „Wer sich vegan ernähren möchte, sollte für eine bedarfsdeckende Ernährung die Versorgung mit den potentiell kritischen Nährstoffen, insbesondere Vitamin B12, sicherstellen.“ Eine gezielte Auswahl an nährstoffdichten und gegebenenfalls mit Nährstoffen angereicherten Lebensmitteln und/oder die Einnahme von Nährstoffpräparaten, eine regelmäßige ärztliche Kontrolle sowie eine Beratung durch eine qualifizierte Ernährungsfachkraft können dabei helfen, die Versorgung mit kritischen Nährstoffen zu gewährleisten.

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1 eine Ernährungsweise, bei der pflanzliche und tierische Lebensmittel verzehrt werden.

verfasst von am 9. März 2021 um 07:56

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