Neue Methode zur Schätzung von Portionsgrößen überzeugt durch Praktikabilität und Präzision
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Donnerstag, 18. August 2016
An der Universität von Sydney wurde eine Methode entwickelt, die das Führen von Ernährungsprotokollen in Zukunft deutlich erleichtern könnte. Das Schöne daran: Zur Schätzung der Portionsgrößen werden keine besonderen Hilfsmittel benötigt, die eigene Hand genügt.
„Als ich eine Woche lang selbst ein Ernährungsprotokoll führte, wurde mir zum ersten Mal bewusst, wie schwer es Menschen fallen musste, die wahre Menge des Essens auf ihren Tellern genau zu schätzen, insbesondere bei Lebensmitteln, die schwer zu messen sind wie Lasagne. Es fiel mir auf, dass ich keine zugängliche oder zuverlässige Art und Weise kannte, dies zu tun“, beschreibt die Doktorandin Alice Gibson, selbst akkreditierte und praktizierende Ernährungsberaterin, den Ausgangspunkt ihrer Studie. Zuhause besteht immerhin die aufwendige, aber genaue Möglichkeit, alle Speisen vor dem Verzehr zu wiegen. Aber spätestens beim Verzehr außer Haus sind Schätzungen – gegebenenfalls unter Verwendung von haushaltsüblichen Referenzmaßen wie Tassen oder Löffel – unumgänglich. Solche Schätzungen sind allerdings fehleranfällig, insbesondere, wenn Referenzmaße wie Tassen oder Löffel nicht verfügbar sind.
Im Rahmen ihrer Doktorarbeit suchte Alice Gibson daher gemeinsam mit ihren Kollegen nach alternativen, möglichst präzisen Methoden zur Schätzung von Portionsgrößen. Besonders geeignet erschienen dabei Bezugsgrößen, die immer verfügbar sind: die Hände. Unter Berücksichtigung von Volumen und Lebensmitteldichte lassen sich aus Hand-basierten Schätzungen Näherungswerte für die wahre Portionsgröße verschiedener Speisen ermitteln. Doch sind die Hand-basierten Schätzmethoden tatsächlich genauer als die bisher übliche Verwendung von haushaltsüblichen Maßen? Und welche der Hand-basierten Methoden (Verwendung der Fingerbreite, Fingerspitzen oder Faust) ist am präzisesten? Um diese Fragen zu beantworten, konnten die Wissenschaftler 67 Probanden dafür gewinnen, die Portionsgröße von 42 Lebensmitteln und Flüssigkeiten unter Verwendung der verschiedenen Methoden zu schätzen.
Im Vergleich war die Fingerbreit-Methode tatsächlich präziser als Schätzungen mit Hilfe von haushaltsüblichen Maßen: Rund vier von fünf Schätzungen (80 Prozent), die mit der Fingerbreit-Methode durchgeführt wurden, lagen im Bereich um 25 Prozent des wahren Werts, jede achte (13 Prozent) sogar im genaueren Bereich um 10 Prozent des wahren Werts. Bei der Schätzung mit Hilfe von haushaltsüblichen Maßen waren lediglich knapp jede dritte Schätzung (29 Prozent) im Bereich um 25 Prozent und nur jede zwölfte Schätzung (8 Prozent) im Bereich um 10 Prozent des wahren Gewichts.
Damit erwies sich die Handbreit-Methode als vielversprechendes Instrument zur Schätzung der Portionsgröße, zumindest für Lebensmittel mit annähernd geometrischer Form. Alice Gibson erläutert hierzu: „Während noch Forschungsbedarf hinsichtlich der Feinabstimmung der Technik besteht, denke ich, dass dieses Instrument großes Potential besitzt, in elektronische Plattformen wie beispielsweise Smartphone-Anwendungen (Apps) eingebunden zu werden. Auf diese Weise könnten die Berechnungen automatisiert erfolgen, sodass die Schätzungen für die Nahrungsaufnahme ‚auf der Hand‘ genauer werden. Mehr Präzision bei der Schätzung der Aufnahme von Lebensmitteln und Getränken wird es Ernährungsberatern wiederum ermöglichen, Ernährungsratschläge und -empfehlungen besser auf ihre Kunden abzustimmen, sodass letztendlich die Kunden profitieren.“
Für die Entwicklung dieser neuen Schätzmethode wurde Gibson bereits mit dem Innovationspreis der Australischen Ernährungsberatungsgesellschaft ausgezeichnet. „Dass dieses Instrument validiert wurde, ist fantastisch„, betont die Vorsitzende der Australischen Ernährungsberatungsgesellschaft Liz Kellett. „Die Methode ist einfach durchzuführen, evidenzbasiert und wird Anwendern überall und zu jeder Zeit zur Verfügung stehen.“
Noch befinden sich Gibson und ihre Kollegen nicht am Ziel ihrer Forschungstätigkeit. Aktuell suchen die Wissenschaftler nach Teilnehmern für eine klinische Studie zur Gewichtsreduktion, um die neu entwickelte Methode weiter zu testen.
Quellen einblenden
- Universität von Sydney (2016): Help at hand for people watching their weight. Pressemitteilung vom 12.07.2016.
- A. Gibson, M. S. H. Hsu, A. M. Rangan, R. V. Seimon, C. M. Y. Lee, A. Das, C. H. Finch, A. Sainsbury (2016): Accuracy of hands v. household measures as portion size estimation aids. Journal of Nutritional Science, Ausgabe 5
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 18. August 2016 um 06:13
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In der Tat ist das Schätzen der Portionsgröße mit der eigenen Hand eine sehr praktikable Hilfe.
Ernährungsberater in Deutschland wissen das schon lange und nutzen dazu die aid-Ernährungspyramide, in der auch mit der eigenen Hand als Portionierungshilfe gearbeitet wird.
http://www.aid.de/inhalt/portionsgroesse-gemessen-mit-der-eigenen-hand-1705.html