Neues aus der Gerüchteküche: Rohmilch bei Laktoseintoleranz?

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Mittwoch, 7. Mai 2014

Wird Rohmilch bei Laktoseintoleranz besser vertragen als normale Milch? Obwohl vielfach propagiert, ist dieser Tipp wissenschaftlich nicht haltbar, wie eine Studie aus den USA belegt.

Milchkanne, RichardBH
© RichardBH

Laktoseintoleranz ist eine Milchzuckerunverträglichkeit, die durch das Fehlen oder die zu geringe Produktion des Verdauungsenzyms Laktase verursacht wird. Der Milchzucker (Laktose) wird dann nicht mehr vollständig in seine Einzelbestandteile aufgespalten und in das Blut aufgenommen. Stattdessen gelangt er in den Dickdarm, wo er durch Darmbakterien zu kurzkettigen Fettsäuren vergoren wird. Dabei entstehen die Gase Wasserstoff, Methan und Kohlendioxid (CO2), die die Verdauungsbeschwerden auslösen: Bauchschmerzen, Blähungen, Übelkeit und Durchfall folgen häufig nach dem Konsum von Milchprodukten.

Je nach Schweregrad der Erkrankung wird empfohlen, Laktose ganz oder teilweise zu meiden. Meist werden geringe Laktosemengen noch gut vertragen. Auch fermentierter Käse wird in der Regel gut vertragen, da die ursprünglich in der Milch enthaltene Laktose während der Käseherstellung zum größten Teil abgebaut wurde. Ähnlich verhält es sich bei gesäuerten, nicht pasteurisierten Milchprodukten (zum Beispiel Joghurt, Dickmilch und Kefir): Hier übernehmen die enthaltenen Milchsäurebakterien den Abbau der Laktose. Pure Milch enthält dagegen reine Laktose. Daher empfehlen Ernährungsexperten, bei einer Laktoseintoleranz auf besser verträglichere laktosefreie Milch, in der der Milchzucker bereits fertig aufgespalten ist, oder Sojamilch auszuweichen.

Immer wieder bekommen Menschen mit einer Laktoseintoleranz allerdings den Tipp, Rohmilch zu probieren. Die Idee: Mikroorganismen in der nicht pasteurisierten Milch helfen bei der Spaltung des Milchzuckers im Dünndarm, sodass die beschwerdeverursachenden Gärprozesse im Dickdarm vermieden werden.

Wissenschaftler der University School of Medicine in Stanford (Kalifornien) machten nun die Probe aufs Exempel: 16 Patienten mit einer mittelschweren bis schweren Laktoseintoleranz wurden gebeten, jeweils acht Tage lang Rohmilch, pasteurisierte Milch und Sojamilch (als Referenzprodukt) zu trinken, wobei die Trinkmenge zwischen den Tagen 2 bis 7 stufenweise erhöht wurde. Um eine Verfälschung der Ergebnisse zu vermeiden, lag zwischen jeder Testphase eine einwöchige Auswaschphase. Jeweils am ersten und am letzten Tag jeder Testphase unterzogen sich die Probanden einem Wasserstoffatemtest, bei dem insgesamt zwölf Atemproben im Abstand von je 20 Minuten genommen wurden. Daraus extrapolierten die Wissenschaftler die ausgeatmete Wasserstoffmenge (area under the curve (AUC)).

Glas Milch
© striatic

Der Vergleich der ersten Versuchsreihe (Tag 1) zeigte deutliche Unterschiede zwischen den Gruppen: Wie erwartet, wurde Sojamilch von den Probanden am besten vertragen, der AUC-Wert lag hier im Mittel bei 5 ppm x min x 10-2. Bei pasteurisierter Milch wurden 71 ppm x min x 10-2, bei Rohmilch sogar 113 ppm x min x 10-2 gemessen. Demnach wurde Rohmilch in der Studie sogar schlechter von den Probanden vertragen als die pasteurisierte Milch.
Am 8. Tag hatte sich das Bild etwas geändert: Die beiden Kuhmilchsorten führten weiterhin zu einer deutlich höheren Wasserstoffproduktion als Sojamilch, jedoch war der AUC-Wert nach dem Konsum von Rohmilch auf das Niveau von pasteurisierter Milch gesunken (72 versus 74 ppm x min x 10-2) und es bestand kein signifikanter Unterschied mehr in der Verträglichkeit zwischen den beiden Gruppen.

Eine Auswertung der Beschwerden nach dem Milchkonsum bestätigte diese Ergebnisse: Nach dem Konsum von Rohmilch traten ebenso häufig die typischen Symptome einer Laktoseintoleranz auf (Blähungen, Durchfälle und Magenkrämpfe) wie nach dem Konsum von pasteurisierter Milch.

Die Wissenschaftler vermuten, dass der Körper der Probanden eine Weile benötigte, um sich an die Rohmilch zu gewöhnen. Dann wurde diese ebenso gut beziehungsweise ebenso schlecht vertragen wie die pasteurisierte Kuhmilch. Auch wenn diese Studie nur mit einer geringen Anzahl von Probanden durchgeführt wurde, lassen die Ergebnisse darauf schließen, dass Rohmilch von Menschen mit einer Laktoseintoleranz nicht besser oder schlechter vertragen wird als herkömmliche pasteurisierte Milch. Als Alternative bleiben nach wie vor laktosefreie Kuhmilch oder Sojamilch.

Quelle:
S. Mummah, B. Oelrich, J. Hope, A. Vu und C. D. Gardner (2014): Effect of raw milk on lactose intolerance: a randomized controlled pilot study. Annals of Familiy Medicine 2014: 134-141.

verfasst von am 7. Mai 2014 um 06:18

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9 Kommentare zu “Neues aus der Gerüchteküche: Rohmilch bei Laktoseintoleranz?”

  1. Nils sagt:

    Hallo,

    Recht Herzlichen Dank für diesen super Beitrag.

    Ich selbst beschäftige mich schon Jahre beruflich mit dem Thema Nahrungsmittelunverträglichkeit und Allergie. Die Artikel auf diesen Seiten sind sauber recherchiert und unheimlich Informativ. Da kann man sich ne dicke Scheibe von abschneiden.

    Mit freundlichen Grüßen

    Nils

  2. Anton sagt:

    Ich bin konventionell wirtschaftender „Kleinbauer“ und bin dabei die „Innernen Werte“ meiner Milch zu verbessern.
    Der Einsatz von homöopathischer Mittel und die Minimierung
    des Antibiotikaeinsatzes ist bei mir eine nützliche aber nicht unerhebliche „Nebensache.
    Meine Hauptansatzpunket um die Milch verträglicher zu machen sind:
    – nur Milch von Küchen mit Hörnern (Laut Studien des Bio-
    verbandes Demeter löst diese Milch viel seltener Allergien
    aus)
    -Milch von Kühen welche das Beta-Kasein der Ur-Rassen erzeugen
    (dies kann mittels Gentest untersucht werden)
    Ich werde meine Milch Personen mit Laktoseproblemen zum Test anbieten und euch über die Ergebnisse informieren.

  3. Kerstin sagt:

    Ich habe seit 2011 eine diagnostizierte Laktoseintoleranz. Tatsache ist, dass es mir einige Zeit nach dem Genuss einer Tasse (200 ml) mit normaler Kuhmilch ziemlich schlecht geht… Durchfall etc.

    Ich habe dann kürzlich Vorzugsmilch (aus dem Bioladen) ausprobiert. Ich bin sehr erstaunt und erfreut, dass ich davon durchaus eine Tasse trinken kann, auch mehr.
    Beim ersten Genuss traten die Probleme noch in stark verminderter Form auf, inzwischen bin ich mir sicher, dass ich gar keine Symptome verspüre.

    Aber natürlich mag das von Fall zu Fall unterschiedlich sein und vielleicht auch mit der Stärke der Laktoseintoleranz zusammenhängen. Für mich ist Vorzugsmilch jedenfalls nun eine wunderbare Alternative (nur nicht sooo leicht zu bekommen).

  4. Claudia sagt:

    Ich habe eine Lactoseintoleranz. Leider fällt es mir manchmal schwer, auf Milchprodukte zu verzichten und so lebe ich dann einfach mit den Symptomen. Seit wenigen Tagen bin ich auf Rohmilch umgestiegen und kann damit aus eigener Erfahrung sagen, dass die Symptome erheblich schneller und stärker auftreten. Die Milch beziehe ich übrigens nicht von Turbokühen, sondern vom dörflichen Kleinbauern. Wobei ich denke, dass auch Kleinbauern gewisses Kraftfutter und Antibiotika oder Ähnliches verwenden, wenn auch viell. nicht in dem Ausmaß. Allerdings bezweifle ich stark, dass Lactoseintoleranz damit auch nur annähernd in Verbindung steht, wenn ich mir die Hintergründe dieser Unverträglichkeit ansehe.

  5. Viktor sagt:

    „Exempel: 16 Patienten mit einer mittelschweren bis schweren Laktoseintoleranz“

    Das Ziel der Studie war: Prüfen, ob man mit Rohmilch die bereits vorhandene mittelschwere bis schwere Laktoseintoleranz innerhalb von acht Tagen wieder heilen kann… tja… man könnte auch 16 Diabetiker nehmen, denen acht Tage lang Zucker geben und prüfen, ob die geheilt/überleben werden…

    Die Frage ist eher, wäre bei diesen Personen mit Verzehr von Rohmilch von Anfang an – also Lebenslang – überhaupt zu Laktoseintoleranz gekommen…

    Interessant wäre auch zu wissen, welche Rohmilch in der Studie verwendet wurde: Rohmilch von Turbokühen die genmanipuliertes Kraftfutter kriegen….

    • Mia sagt:

      Hier liegt offensichtlich ein Missverständnis vor. Lactoseintoleranz ist keine Unverträglichkeit, keine immunologische Reaktion und medizinisch betrachtet auch keine Erkrankung. Bei Lactoseintoleranz wird die Bildund des Enzyms Lactase eingestellt, das ist ein völlig natürlicher Vorgang, der auf ca 75% der Weltbevölkerung zutrifft, während nur etwa 25% aller Menschen Milchzucker verdauen können. Beides ist völlig natürlich und lediglich eine evolutionäre Besonderheit. Anders als bei Caseinallergien kann eine frühe Gewöhnung keine Abhilfe schaffen. Entweder müssen die Enzyme ersetzt oder auf lactosefreie Molkereiprodukte ausgewichen werden, was problemlos möglich ist. Sojamilch ist keine adäquate Alternative, trotz des ähnlichen Geschmacks und vergleichbaren Kocheigenschaften, hat sie nicht den selben physiologischen Wert wie echte Milch.

    • Peter B. sagt:

      genau Milch aus Kraftfutter ist absolut Minderwertig,
      das homo- und pasteurisieren gibt der Milch den Rest.

      Nicht umsonst ist in USA Rohmilch VERBOTEN!

      die Behauptung mit der Rohmilch ist allerdings wahr,
      habe es hier im Deutschland im Fernsehen gesehen. Da hat ein Milchverkäufer seine Milch nur auf max 60Grad erhitzt und siehe da, fast alle Lactose UVs habe die Milch vertragen und immer schön weiter bei ihm gekauft ;o)

      Ich habe bei meiner Milchwirtschaft die gleichen Erfahrungen gemacht.

      wers nicht galuben will soll halt weiter seine unverträgliche Sojamilch trinken :o)

  6. Nils sagt:

    Erst mal Hut ab an die Probanden, die sich da ran getraut haben. Mir wäre das glaube ich zu riskant, wenn ich eine Laktoseintoleranz hätte. Schade, dass die Ergebnise so ausgefallen sind, aber die Forschung ist ja noch jung 🙂

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