Säuglingsanfangsnahrung: Lasst Omega-3-Fettsäuren nicht alleine!
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Dienstag, 28. Januar 2020
Wenn im Februar 2020 die neuen EU-Standards für Säuglings- und Folgenahrungen in Kraft treten, wird ein deutlich höherer Zusatz von Docosahexaensäure (DHA) verpflichtend. Dass im selben Zug keine verbindliche Regelung für Arachidonsäure getroffen wurde, findet die Europäische Akademie für Pädiatrie und die Stiftung Kindergesundheit bedenklich.
Ab Februar 2020 müssen in der EU vermarktete Säuglingsanfangsnahrungen 20-50 Milligramm der Omega-3-Fettsäure DHA pro 100 Kalorien Endprodukt enthalten, was einem Anteil von 0,5 bis 1 Prozent an allen Fettsäuren entspricht. Damit ist die DHA-Konzentration etwa zwei- bis dreifach höher als bislang üblich.
Der neu vorgeschriebene DHA-Gehalt ist dann sogar höher als in der Muttermilch. Der Nutzen dieser neuartigen Zusammensetzung wurde bislang nicht angemessen in klinischen Studien belegt. Daher hat die Stiftung Kindergesundheit gemeinsam mit der Europäischen Akademie für Kinderheilkunde Experten auf diesem Gebiet sowie Vertreter von Elternorganisationen zu einem Workshop eingeladen mit dem Ziel, die Eignung und Sicherheit der neu zusammengesetzten Produkte zu diskutieren. Die Ergebnisse dieses Workshops und die daraus abgeleiteten Empfehlungen wurden unlängst im American Journal of Clinical Nutrition veröffentlicht.
Nach Ansicht der Experten ist Muttermilch die erste Wahl in der Ernährung am Lebensanfang und gilt als Goldstandard für die Wahl der Inhaltsstoffe von Flaschennahrung. Muttermilch liefert immer sowohl DHA als auch die Omega-6-Fettsäure Arachidonsäure. Weltweit sind in der Muttermilch die Arachidonsäure-Konzentrationen meist deutlich höher als jene von DHA. „Die Fettsäuren DHA und Arachidonsäure beeinflussen die Aktivität vieler funktionell wichtiger Enzyme in den biologischen Membranen des Nervensystems und im Neurotransmitter-Stoffwechsel“, erläutert Prof. Berthold Koletzko, Stoffwechselexperte der Universitäts-Kinderklinik München und Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Einfacher ausgedrückt: Sie sind für die Feineinstellung des Gehirns und des Nervensystems sowie des Immunsystems zuständig. Eine unausgewogene Ernährung oder eine fehlerhafte Zusammensetzung der Babynahrung können für die aktuelle Gesundheit der Kinder und sogar für ihr späteres Leben von entscheidender Bedeutung sein. Studien haben Säuglingsnahrungen mit verschiedenen Gehalten verglichen. Sie zeigen bei hoher DHA-Konzentration, aber niedrigem Arachidonsäure-Gehalt, Nachteile in der kindlichen Entwicklung bis zum Alter von 9 Jahren und bei Tieren auch eine Verminderung des normalen Arachidonsäuregehaltes im Gehirngewebe“, ist in der Pressemitteilung der Stiftung Kindergesundheit zu lesen.
Die Experten empfehlen daher eindringlich, Säuglingsnahrungen zu verwenden, die neben DHA auch mindestens die gleiche Menge Arachidonsäure enthalten. Dies gilt sowohl für Säuglinge, die ausschließlich Säuglingsanfangsnahrung erhalten, als auch für teilgestillte Babies. Außerdem sei es erforderlich, in gut konzipierten Studien die optimale Aufnahmemenge von DHA und Arachidonsäure in Abhängigkeit vom Alter der Säuglinge zu untersuchen.
Quellen einblenden
- B. Koletzko, K. Bergmann, J. T. Brenna (2019): Should formula for infants provide arachidonic acid along with DHA? A position paper of the European Academy of Paediatrics and the Child Health Foundation. American Journal of Clinical Nutrition, Online-Vorabveröffentlichung
- G. Roggenkamp (2019): Sollen Säuglings- und Folgenahrung künftig weiterhin auch Arachidonsäure enthalten? idw, Pressemitteilung vom 04.11.2019
- Glocalist (2019): Was gehört in Babys Fläschchen? Kritik an EU-Vorgaben. Onlineartikel vom 11.11.2019
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 28. Januar 2020 um 10:01
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