Säure-Basen-Haushalt und Ernährung – was stimmt?
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Mittwoch, 4. Januar 2012
Wir essen zu energiereich, zu Eiweiß-haltig, zu fettig, zu süß, zu salzig und ernähren uns damit insgesamt ungesund. Doch versauert und verschlackt der Körper deshalb? Trennkost-Anhänger und Fasten-Fans haben die feste Überzeugung, dass dies der Fall sei. Hat die Nahrung, die wir essen, überhaupt einen Einfluss auf den Säure-Basen-Haushalt? Und was ist eigentlich unter einem solchen zu verstehen? Fragen über Fragen…

Proteine und Kohlenhydrate: Aus Sicht der Trennkost ist von Müsli abzuraten
Trennköstler glauben, dass der Körper durch die gemeinsame Aufnahme von Proteinen und Kohlenhydraten überlastet würde und es zu Gärungsvorgängen im Dünndarm und einer Ansammlung von gesundheitsschädlichen „Schlacken“ käme. Das wichtigste Gegenargument dürfte wohl sein, dass kein Lebensmittel nur aus Kohlenhydraten oder Proteinen besteht, sondern stets beide Nährstoffe enthält, wenn auch in unterschiedlichen Anteilen. Würde die Theorie zutreffen, wäre Muttermilch, die sowohl Eiweiß als auch Kohlenhydrate beinhaltet, als erste und ausschließliche Energiequelle von Säuglingen komplett ungeeignet. So gesehen ist das Konzept der Trennkost nicht aufrecht zu halten. Darüber hinaus kann ein Verzicht auf angeblich säureüberschüssige Lebensmittel wie Milchprodukte und Getreide zu einem Mangel an Magnesium, Calcium, Eisen, Eiweiß und Vitaminen der B-Gruppe führen.
Fasten soll nach Meinung seiner Verfechter dem Zweck dienen, „Schlacken“ und „Gifte“ aus dem Körper zu schwemmen, indem der Nahrungsverzehr weitestgehend eingestellt und möglichst viel Flüssigkeit zugeführt wird. Wissenschaftlich ist diese Annahme ebenfalls nicht haltbar, denn im menschlichen Körper gibt es keine Ansammlung von „Schlacken“. Unter normalen physiologischen Bedingungen werden nicht verwertbare Stoffwechselendprodukte umgehend über die Nieren, den Darm, die Atmung oder die Haut ausgeschieden.
Längeres Fasten kann, im Gegensatz zur zugeschriebenen positiven Wirkung sogar gesundheitsschädlich sein. Denn im Hungerstoffwechsel entstehen Ketonkörper, die zu einer Übersäuerung des Blutes (Azidose) führen und auf diese Weise den Säure-Basen-Haushalt also nicht ins, sondern aus dem Gleichgewicht bringen können. Eine vermehrte Ausscheidung von Ketonkörpern wiederum hemmt die Ausscheidung von Harnsäure über die Nieren. Folgen können ein akuter Gichtanfall und die Entstehung von Harnsäuresteinen sein.
Die Idee einer Übersäuerung des Körpers kam bereits vor über einem Jahrhundert auf. Doch nicht nur die Idee, auch die theoretischen Grundlagen, auf denen diese beruht, sind älteren Datums. Aktuelle Erkenntnisse lassen Abstand nehmen von so abstrakten Begriffen wie einer „Übersäuerung“ oder „Verschlackung“, die sich wissenschaftlich nicht belegen lassen.
Richtig ist, dass für den Ablauf von Stoffwechselfunktionen ein ausgeglichener Säure-Basen-Haushalt sehr wichtig ist. So wichtig, dass der Körper den pH-Wert (1) im Blut und Gewebe streng reguliert und sich dabei gleich auf mehrere Mechanismen stützt. An der Säure-Basen-Regulation sind vor allem die Organe Leber, Lunge und Nieren beteiligt, daneben aber auch verschiedene Puffersysteme. Zu diesen gehören Hydrogencarbonat, Hämoglobin, Proteinat und Phosphat. Dank der großzügig ausgelegten Kapazität der Puffersysteme ist der Körper unter normalen Bedingungen ohne Weiteres in der Lage, den pH-Wert optimal einzustellen.
Falls doch einmal Störungen im Säure-Basen-Haushalt (Azidose, Alkalose) auftreten, ist dies in der Regel eine Folge von ernsten behandlungsbedürftigen Erkrankungen (beispielsweise ein entgleister Diabetes). Hier führt die zugrunde liegende Erkrankung – und nicht die Ernährung – zu einer Entgleisung des Stoffwechsels (Ausnahmen: Hungern/Fasten s. oben, daneben auch: intensive körperliche Aktivität). In diesem Fall kann die Ernährung die Entgleisung auf der einen Seite verschlimmern, aber sie kann auch therapeutisch mit dem Ziel einer positiven Beeinflussung eingesetzt werden.

Ein gewisser Einfluss der Nahrung lässt sich übrigens über die Messung des Urin-pHs ablesen. Obst, Gemüse, Salate und Fruchtsäfte wirken leicht alkalisierend. Der Saft von Zitrusfrüchten erhöht das puffernde Hydrogencarbonat im Körper. Getreide und proteinreiche Nahrungsmittel tierischer Herkunft wie Fleisch, Fisch, Wurstwaren und Käse, aber auch phosphatreiche Getränke wie Cola gehören hingegen zu den Lebensmitteln, die den pH-Wert im Urin senken können. Durch eine abwechslungsreiche Ernährung mit moderater Proteinaufnahme ließe sich die Pufferkapazität des Organismus demnach erhöhen. Eine obst- und gemüsereiche Ernährung ist aber auch empfehlenswert, weil dadurch reichlich Vitamine, Mineralstoffe, sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe und Ballaststoffe zugeführt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt deshalb, täglich 250 g Obst und 400 g Gemüse zu verzehren. Doch sollte der Einfluss der Ernährung nicht überschätzt werden: Gegenüber den Puffersystemen kommt Lebensmitteln nur eine sehr untergeordnete Bedeutung bei der Regulation des Säure-Basen-Haushalts zu.
(1) Der pH-Wert ist ein Maß für den sauren oder basischen Charakter einer Lösung. Bei einem pH-Wert von 7 spricht man von einer neutralen Lösung, bei Werten zwischen 0 und 7 überwiegt der saure Charakter (je kleiner der pH-Wert, desto stärker sauer), zwischen 7 und 14 steigt der basische Charakter mit zunehmendem Zahlenwert.
Quellen einblenden
- Siener R (2011): Säure-Basen-Haushalt und Ernährung. Ernährungsumschau 2011: 562-568.
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) (1998): Haysche Trennkost ist als langfristige Ernährungsform nicht zu empfehlen. DGE-special 02/98.
- Michael Kindt (2006): Die Haysche Trennkost.
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 4. Januar 2012 um 09:48
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Hallo Frau Dr. Bächle,
ich bin in der Ökotrophologie mehr als unbewandert und hier über einen Link gelandet, der unter einem Artikel der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zum Thema Intervallfasten angegeben war, für das ich mich interessiere. Halten Sie das Intervallfasten auch für gesundheitsschädlich?
Hallo Nicole,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ob und inwieweit Intervallfasten gesundheitsschädlich sein kann, ist schwer zu sagen, da m. W. wenig zu den langfristigen Folgen des Intervallfastens bei Menschen bekannt ist. Einige bisherige Studienergebnisse deuten auf eine günstige Wirkung des Intervallfastens auf Gesundheit und Gewichtsabnahme hin. Wenn das Intervallfasten nicht mit einer Umstellung der Ernährungsweise/Lebensmittelauswahl einhergeht, droht bei Beendung des Fastens der Jojo-Effekt.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Christina Bächle
Danke für diesen Beitrag. Unsere Biochemie macht es unmöglich eine Übersäuerung des Körpers zu erleiden.
Das ist alles reine Geldmacherei. Schade, dass sich das Ammemmärchen der Übersäuerung so lange hält.
Leider sind die Informationen im Internet nicht immer vertrauenswürdig. Es gibt keine wissenschaftlichen Belege für das Ablagerung von „Schlacken“ im Körper.
Bis vor wenigen Jahren habe ich selbst, viele Jahre, an einer Übersäuerung des Körpers gelitten. Die Folge davon waren langjährige Kopf-, Glieder- und Gelenkschmerzen. Auch die Darmtätigkeit ließ zu wünschen übrig. Hinzu kamen Müdigkeit, Erschöpfung und das vermehrte Auftreten von Infektionen. Seit ich jedoch deutlich mehr auf meine Ernährung achte, nur noch wenig säurelastige Lebensmittel zu mir nehme, nach dem Sport etwas Basenpulver trinke und mich ausreichend mit Calcium und Magnesium vor dem Schlafengehen versorge, geht es mir langsam schon fast wieder optimal gut. Selbst Zahnschmerzen habe ich nun keine mehr. Allerdings schmecken mir nun auch stark zucker- oder salzhaltige Produkte wie Wurst oder Süßigkeiten nicht mehr. Dafür liebe ich grüne Gurke, Sellerie und Möhren, die mir früher nur „wie Pappe“ geschmeckt haben. Heute spüre und genieße ich wieder ihren frischen Geschmack.
Wer richtig fastet, weiß mit Sicherheit, dass zum Ausgleich Gemüsebrühe oder Basenpulver notwendig sind. Auch die Behauptung, dass im menschlichen Körper keine Schlacken existieren würden, halte ich für nicht belegt und sehr gefährlich. Im Bindegewebe befinden sich reichlich Schlacken, bei allen Menschen. Sie warten dort auf Abtransport oder dass die Zellen Bedarf anmelden. Die Nährstoffzufuhr zu den Zellen übersteigt oft deren Bedarf, und das Lymphsystem, der Abtransport, kommt manchmal nicht nach. Dann häufen sich diese Schlacken u. U. über Jahre an – prima Bakterienfutter – und entzündet sich. Hin und wieder sollten bei unserem heutigen Überangebot an Lebensmitteln die Reste nach draußen geschafft werden. Um gesund zu bleiben. Und gerade Eiweiße, denaturiert durch Kochen oder Braten, sind häufig ein Urheber für Krankheiten. Das Immunsystem stürzt sich auf diese nicht zu identifizierenden „Keime“. Ärzte lieben eine Eiweißabbaudiät.
Das ganze hat mit Glauben nichts zu tun. Das sind wissenschaftlich belegte Tatsachen, wofür es Tausende von Facts im Internet gibt.
Ich frage mich, ob die Erfinder dieser Theorien wirklich daran glauben oder der Kommerz von Anfang an im Vordergrund steht, aber oftmals scheint es ja zu klappen.
Genau liebe Steffi!
Ich finde es so traurig, dass es quasi wissenschaftlich behauptet wird, dass Festen und Säure-Basen-Haushalt nicht belegt wären und dass die Menschen es nur einbilden würden. Die Ernährung hat einen enormen Einfluss auf unsere Gesundheit und Befinden.
Man soll sich davor nur wirklich umfassend informieren.
Weil sehr viele Halbwahrheiten erzählen und jeder Organismus sehr individuell ist.
Aber es lohnt sich die eigene Ernährungsweise zu hinterfragen und die Alternativen auszuprobieren!