Stress während der Schwangerschaft begünstigt Essstörungen

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Freitag, 1. September 2017

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München berichten, dass Stress während der Schwangerschaft das Gehirn des Ungeborenen für spätere Heißhungerattacken programmieren kann. Die gute Nachricht: Die Forscher entdeckten außerdem eine Möglichkeit, diese Heißhungerattacken zu unterbinden.

Nicht nur in der Wissenschaft ist bekannt, dass die Lebensumstände einer werdenden Mutter langfristige Folgen für die Gesundheit und die Entwicklung des Nachwuchses haben können. Bekannte Beispiele hierfür sind der Konsum von Alkohol oder das Rauchen von Zigaretten. Die Ernährungssituation der Schwangeren kann zudem das Risiko ihres Kindes, im späteren Leben an Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Typ-2-Diabetes zu erkranken, beeinflussen. Dr. Mariana Schroeder und ihre Kollegen haben nun untersucht, welchen Einfluss Stress während der Schwangerschaft auf die Entstehung von Heißhungerattacken in der nächsten Generation hat.

Mit Hilfe eines Mausmodells gelang es den Wissenschaftlern, die Folgen einer zentralen Stressantwort in der fortgeschrittenen Schwangerschaft zu erforschen. Als die Tiere der nächsten Generation in die Pubertät kamen, testeten die Wissenschaftler deren Neigung zu Heißhungerattacken.

Interessanterweise scheint der weibliche Nachwuchs stärker auf Stress während der Schwangerschaft zu reagieren als der männliche: Weibliche Tiere, deren Mütter gestresst waren, hatten eine höhere Anfälligkeit für Heißhungerattacken als männliche Tiere. „Nun wollten wir wissen, wie Stress genau Heißhungerattacken verursacht“, erläutert Dr. Schroeder den nächsten Schritt ihrer Studie. „Wir haben herausgefunden, dass viele Moleküle im Hypothalamus1 der betroffenen Nachkommen epigenetisch2 verändert waren. Diese Programmierung während der Schwangerschaft führt jedoch nicht immer zu gestörtem Essverhalten. Erst wenn während der Pubertät bestimmte Auslöser auftreten, machen sich die bereits durch pränatale Programmierung gegebenen Veränderungen bemerkbar.“

„Das Bemerkenswerteste an der Studie ist, dass wir den Ausbruch von Heißhungerattacken vollständig unterbinden konnten, indem wir den heranwachsenden Mäusen eine ausgewogene Diät verabreichten“, ergänzt Prof. Alon Chen, Direktor des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie. „Diese Studie ist der Beweis dafür, dass Heißhungerattacken eine pränatale Programmierung zugrunde liegt. Außerdem gibt sie uns einen entscheidenden Einblick in ein bislang sehr vernachlässigtes Forschungsgebiet.“ Die Wissenschaftler um Dr. Schroeder und Prof. Chen hoffen, mit ihren Erkenntnissen zu einem besseren Verständnis für die Binge-Eating-Störung bei Frauen und Fortschritten in der Therapie beizutragen. Besonders der Schutz vor Heißhungerattacken durch eine ausgewogene Ernährung trotz bestehender Prädisposition weckt Hoffnungen.

1 Lebenswichtiger Teil des Zwischenhirns, der unter anderem die Atmung, den Kreislauf, die Körpertemperatur, das Sexualverhalten sowie die Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme steuert.
2 Erbliche genetische Modifikation, die nicht auf Veränderung der DNA-Sequenz beruht.

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verfasst von am 1. September 2017 um 09:02

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