Tipp zum harmonischen Streiten: lieber nicht mit leerem Magen
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Dienstag, 6. Mai 2014
Schon Goethe wusste: „In der Ehe ist der gelegentliche Streit sehr nützlich: Dadurch erfährt man etwas voneinander.“ Was damals galt, ist nach wie vor aktuell und Streit kommt wohl in jeder Partnerschaft vor. Doch bei hungrigem Magen können angeregte Diskussionen leicht eskalieren. Wissenschaftler der Ohio State University sind dem Phänomen auf der Spur.
Paarbeziehungen lassen sich nicht ohne weiteres im Labor untersuchen und ein ständiger Beobachter zu Hause würde wohl selten die reale Beziehung von Partnern im Alltag miterleben. Deshalb lag die erste Herausforderung bereits in der Planung der Studie zur Erforschung von Aggressionen bei Ehepaaren. Die Experimente, die dabei entstanden, sind ungewöhnlich, aber gerade das macht sie interessant.
An der Studie nahmen 107 Ehepaare teil, die durchschnittlich 12 Jahre verheiratetet waren. Zu Beginn der Studie ermittelten die Forscher mithilfe eines Fragebogens die Beziehungszufriedenheit jedes Ehepartners. Außerdem wurden die Teilnehmer in die Studie eingewiesen und lernten, selbst ihren Blutzuckerspiegel zu messen. In den folgenden drei Wochen sollte jeder Ehepartner morgens vor dem Frühstück und abends vor dem Zubettgehen seinen Blutzuckerspiegel messen.
So weit, so gut. Nun kommt der etwas skurrile Teil der Studie: Jeder Teilnehmer erhielt außerdem eine Puppe, die seinen Partner symbolisieren sollte. Diese Puppe galt es nun in Abwesenheit des Partners jeden Abend mit bis zu 51 Nadeln zu bestücken – je nachdem, wie groß der Ärger und die Wut auf den Ehepartner gerade ausfiel.
Nach Abschluss der Erhebungsphase wurden die Blutzuckerwerte und die Angaben zum Ärger auf den Partner gemeinsam ausgewertet. Die Wissenschaftler stellten dabei fest: Mit sinkenden Blutzuckerwerten stieg die Anzahl der Nadeln in der Puppe und damit die Aggressivität gegenüber dem Partner. Dieses Ergebnis bestand unabhängig davon, wie zufrieden die Partner mit ihrer Beziehung waren.
Im zweiten Teil der Studie wurden die Paare zu einem Computerspiel eingeladen. Sie glaubten, dabei gegeneinander anzutreten und konnten nach jeder Runde, die sie für sich entschieden, bestimmen, wie lange und in welcher Lautstärke ihr Partner unangenehme Geräusche über einen Kopfhörer anhören musste. In Wirklichkeit spielten die Ehepartner allerdings gegen einen neutralen Computer und ihre Reaktionen auf Sieg und Niederlage während des Computerspiels wurden aufgezeichnet. Nach Ende des Tests wurden die Partner über die wahre Situation aufgeklärt.
Auch in diesem Experiment stieg mit einem niedrigen Blutzuckerspiegel die Intensität des Geräuschangriffs.
Beide Experimente zeigen, dass die Aggressivität und eventuell auch die Bereitschaft handgreiflich zu werden, mit sinkendem Blutzuckerspiegel zunimmt. Die Wissenschaftler führen dies auf einen Energiemangel im Gehirn zurück: Es fehlt an Energie zur Aufrechterhaltung der Selbstkontrolle, wodurch Emotionen und (ungewollte) Impulse schlechter gesteuert werden können. Aggressives Verhalten könnte die Folge sein, so die Vermutung. Die Wissenschaftler empfehlen, die Zusammenhänge in weiteren Studien zu untersuchen. Einstweilen lautet der Rat, schwierige Gespräche und Konfrontationen lieber nicht mit leerem Magen anzugehen.
Quelle:
B. J. Bushman, C. N. DeWall, R. S. Pond, M. D. Hanus (2014): Low glucose relates to greater aggression in married couples. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), Online-Vorabveröffentlichung
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 6. Mai 2014 um 08:31
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