Trotz Glyphosat in der Muttermilch: Stillen wird weiterhin empfohlen
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Donnerstag, 3. September 2015
Im Gegensatz zur Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen schätzen das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die Nationale Stillkommission die aktuell gemessenen Glyphosat-Gehalte in Muttermilch als gesundheitlich unbedenklich ein. Muttermilch bleibt nach wie vor die natürliche und folglich beste Nahrung für Säuglinge. Mütter sollten weiterhin stillen wie bisher.
Glyphosat ist als biologisch wirksame Hauptkomponente in verschiedenen Breitbandherbiziden enthalten. In der Landwirtschaft wird es zur Bekämpfung von Unkraut und Beschleunigung der Erntereife von Nutzpflanzen eingesetzt. In der Vergangenheit stand Glyphosat wiederholt im Verdacht, gesundheitsschädigende Wirkungen zu haben und unter anderem die Entstehung von Krebs zu begünstigen.
Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat kürzlich ein Leipziger Labor damit beauftragt, insgesamt 16 Muttermilchproben auf ihren Glyphosat-Gehalt zu analysieren. Da die aus Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz stammenden Frauen selbst kein Glyphosat angewandt hatten, wäre ein Gehalt an Glyphosat in der Muttermilch auf Umweltfaktoren oder die Aufnahme von Nahrungsmitteln zurückzuführen, argumentieren Die Grünen.
In den Proben wurden tatsächlich Glyphosat-Gehalte von bis zu 0,43 Nanogramm pro Milliliter nachgewiesen, einer Konzentration, die die Bundestagsfraktion als „sehr besorgniserregend“ bezeichnete. Nachdem sich wiederholt besorgte Mütter beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erkundigt hatten, ob das Stillen unter diesen Bedingungen immer noch empfehlenswert sei, hat das BfR nun gemeinsam mit der Nationalen Stillkommission eine entsprechende offizielle Stellungnahme herausgegeben.
Um die Gefahr, die von den gemessenen Glyphosatgehalten in den Muttermilchproben ausgeht, abschätzen zu können, wurde die höchste gemessene Konzentration in Relation zur Trinkmenge und dem Körpergewicht von Säuglingen betrachtet. Demnach würde ein ausschließlich gestilltes Neugeborenes täglich eine Menge von Glyphosat über die Muttermilch zu sich nehmen, die über 4000-mal niedriger ist als der Wert (Obergrenze), der in der EU noch als gesundheitlich unbedenklich angesehen wird. Für das BfR und die Nationale Stillkommission ist es „wissenschaftlich nicht begründbar…, bei dieser Größenordnung eine Besorgnis festzustellen„.
Außerdem bemängelt das BfR die Methodik der angewendeten Tests. Zum einen sei nicht bekannt, ob die verwendete Analysemethode (ELISA-Tests) sich für den Nachweis von Glyphosat in Milch und anderen fetthaltigen Medien eignet, da diese Analysemethode bislang nur für Wasserproben validiert sei. Außerdem hat das BfR Zweifel an der Nachweisgrenze der Methode. Selbst mit der empfindlichsten eingesetzten Analysemethode lassen sich bislang nur Gehalte von mindestens 10 Nanogramm pro Milliliter nachweisen. Die in der Muttermilch gefundenen Glyphosat-Gehalte waren um das 25- bis 50-fache geringer.
Daher sind sich das BfR und die Nationale Stillkommission einig: „Muttermilch ist die beste Nahrung für Säuglinge. Sie ist gut verdaulich und so zusammengesetzt, dass sie im ersten Lebenshalbjahr den Bedarf an Nährstoffen und Flüssigkeit deckt. Säuglinge, die vier bis sechs Monate lang ausschließlich gestillt wurden, haben ein deutlich geringeres Infektionsrisiko zum Beispiel für Atemwegsinfekte. Weitere Krankheiten, die bei gestillten Kindern im späteren Leben seltener auftreten können, sind Übergewicht und Diabetes mellitus Typ 2.“
Quellen einblenden
- Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen (2015): Glyphosat in Muttermilch. Überarbeitete Pressemitteilung vom 02.07.2015
- Bundesinstitut für Risikobewertung (2015): Nationale Stillkommission und BfR empfehlen Müttern, weiterhin zu stillen. Pressemitteilung vom 30.06.2015
- BfR (2015): Einschätzung zu Gehalten von Glyphosat in Muttermilch und Urin. Mitteilung Nr. 019/2015 vom 26.06.2015
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 3. September 2015 um 07:09
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