Übergewicht: Lebensdauer nur bedingt beeinträchtigt?
Autor/in: Sabrina Rauth,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Freitag, 26. Oktober 2012
Übergewicht wird nachgesagt, das Sterberisiko zu erhöhen. Dies sei nur eingeschränkt der Fall, informieren Forscher der UC Davis, die diese Annahme prüften. Lediglich wenn eine stark ausgeprägte Fettleibigkeit (BMI > 35 kg/m²) gleichzeitig auf einen Diabetes mellitus oder einen Bluthochdruck treffe, verkürze sich die Lebensdauer.
„Gegenwärtig ist der Glaube weit verbreitet, dass jeder Grad von Übergewicht oder Adipositas das Sterberisiko erhöht“, meint Anthony Jerant, leitender Autor der Untersuchung.„Aber unsere Ergebnisse legen nahe, dass dies vielleicht nicht der Fall ist.“ Fast 51.000 Erwachsene zwischen 18 und 90 Jahren lieferten ihm und seinem Team die Daten für ihre Studie. Drei Prozent dieser Menschen starben zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2005. Betrachteten die Forscher nur die Gruppe der stark Übergewichtigen, so hatten diese im Vergleich zu den Normalgewichtigen ein 1,26fach höheres Sterberisiko. Wurden jedoch Diabetiker und Hypertoniker außen vor gelassen, zeigte sich für übergewichtige oder fettleibige Menschen ein vergleichbares oder sogar ein niedrigeres Risiko. Untergewichtige wiesen dagegen ein beinahe doppelt so hohes Sterberisiko im Vergleich zu den Normalgewichtigen auf, unabhängig davon, ob sie zusätzlich Diabetes oder Bluthochdruck hatten oder nicht.
Die Beziehung zwischen Gewicht und Sterblichkeit wird im Bereich öffentliche Gesundheit kontrovers diskutiert. Ältere Studien fanden: je mehr Gewicht, desto höher das Risiko. Neuere Studien, darunter auch die der UC Davis-Forscher stellen diesen Zusammenhang infrage. Jerant bewertet seine Ergebnisse so: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Risiko, das durch einen BMI über dem Normbereich entsteht, heute niedriger sein könnte als in der Vergangenheit.“ Es wäre möglich, dass durch die Zunahme von Übergewicht und Adipositas das Bewusstsein der Ärzte für damit verbundene gesundheitliche Probleme gestiegen sei und sie diese früher festgestellt und behandelt haben, glaubt Jerant.
„Unsere Ergebnisse bedeuten nicht, dass übergewichtig oder fettleibig zu sein keine Gefahr für die individuelle oder öffentliche Gesundheit bedeutet“, unterstreicht der leitende Autor. „Diese Bedingungen können eine bedeutende Auswirkung auf die Lebensqualität haben, schon deshalb kann eine Gewichtsreduktion empfehlenswert sein“, sagt er. Mögliche gesundheitliche Probleme, die sich durch Übergewicht oder Adipositas ergeben können, sind neben Diabetes und Bluthochdruck Herzerkrankungen, Arthritis und Schlafapnoe. Jerant spricht sich dafür aus, Übergewichtige oder Adipöse, die noch nicht stark übergewichtig sind, über mögliche Folgen für Körper und Psyche aufzuklären. Stark Übergewichtige mit Diabetes oder Bluthochdruck sollten seiner Meinung nach zusätzlich über ihr kurzzeitig erhöhtes Sterberisiko unterrichtet werden.
Sechs Jahre seien zu kurz, um Aussagen über einen längeren Zeitraum zu erlauben. Jerant hofft daher auf weitere Studien, die den Zusammenhang zwischen Sterberisiko und Gewicht über eine längere Zeitspanne hinweg als Ziel haben.
Quelle:
Finney K (EurekAlert, 6.6.2012): UC Davis study finds that above-normal weight alone does not increase the short-term risk of death
Zum Thema
- Seaman AM (Reuters, 01.01.2013): More evidence for „obesity paradox“
- Flegel et al.: Association of All-Cause Mortality With Overweight and Obesity Using Standard Body Mass Index Categories. A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA. 2013;309(1):71-82. doi:10.1001/jama.2012.113905
- BBC News Health (02.01.2013): ‚Weight is healthy‘ study criticised
verfasst von Sabrina Rauth am 26. Oktober 2012 um 06:37
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