Und wer isst nun die gesunden Alternativen bei McDonald’s und Co?
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Donnerstag, 21. Januar 2021
Die hartnäckige Kritik war erfolgreich: Mittlerweile bieten namhafte Fast Food-Restaurants neben den klassischen Pommes Frites und Limonaden auch gesündere Beilagen wie Obst und Wasser an. Allerdings scheinen viele Kunden bei der Wahl der gesünderen Alternativen zurückhaltend zu sein. Schuld sind wohl soziale Normen.
Es ist schon paradox: Bei der Auswahl des Fast Food-Restaurants wird darauf geachtet, dass gesunde Alternativen angeboten werden. Und dann entscheiden sich die Kunden doch für andere Gerichte…
Gerade für Kinder bieten die Restaurants für den schnellen Genuss inzwischen gesündere Beilagen an. Allerdings bleibt deren Anteil am Umsatz hinter den klassischen Beilagen zurück. „Da viele Eltern noch keine der alternativen Beilagen wählen, wollten wir herausfinden, wie sie sich verstärkt für diese gesünderen Angebote von Fast-Food Restaurants gewinnen lassen“, erläutert Prof. Jens Hogreve von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU). Hogreve hat dort den Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement inne. „Unser Ansatzpunkt für eine mögliche Veränderung beruht auf der Erkenntnis, dass Netzwerke, in denen sich Eltern bewegen, die Diskussionen und Entscheidungen um und für ihre Kinder stark prägen – sei es im Hinblick auf Impfungen oder zur Frage, wie sehr man sich für die Schulgemeinschaft engagiert“, fährt Hogreve fort. Der Einfluss solcher Netzwerke auf die Auswahl von Essen sei bislang jedoch noch nicht untersucht worden – obwohl Eltern erwiesenermaßen entscheidend die zukünftigen Essgewohnheiten ihrer Kinder beeinflussen. Daher galt es insbesondere zu erforschen, welche Charaktere und Gruppen unter den Eltern potenziell empfänglich für eine solche Veränderung sind.
In einer Pilotstudie analysierte Hogreve zunächst mit drei weiteren Wissenschaftlern Bestellungen von Kindermenüs. Zugleich wurden die bestellenden Eltern befragt. Das Ziel dieser Studie bestand darin, Erkenntnisse über die sozialen Normen der Eltern zu erhalten. „Die Ergebnisse zeigten, dass die Wahl weniger gesunder Beilagen als die soziale Norm wahrgenommen wird“, erklärt Kollege Prof. Sashi Matta vom Lehrstuhl Innovation und Kreativität der KU.
Nun stellte sich die Frage, welche äußeren Faktoren oder Einflüsse dazu beitragen, dass sich Eltern bei der Kindermenüauswahl für gesunde oder weniger gesunde Alternativen entscheiden. Hierfür planten die Wissenschaftler eine Intervention in einer McDonald’s Filiale: Eltern wurden gebeten, vor ihrer Bestellung einen Fragebogen zu verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen auszufüllen. Darin wurden sie beispielsweise gefragt, ob sie ihr Handeln oft mit anderen Personen verglichen, ob sie versuchen würden herauszufinden, wie andere ein Problem lösten und ob sie der Ansicht seien, dass man seine grundlegenden Einstellungen ändern könnte. In dem Fragebogen wurde das Thema Essen/Ernährung bewusst nicht angesprochen. Als Dank für ihre Teilnahme erhielten die Eltern einen Gutschein für ein Kindermenü, den sie anschließend einlösten. Später konnten die Wissenschaftler Assoziationen zwischen den Antworten auf ihre Fragen und der Bestellung der Eltern ziehen. Hier zeigte sich, dass die Wahl der gesunden Beilagen bei den Eltern zwar relativ konstant war. Auffallend war allerdings, dass die Mütter und Väter, die sich stark an ihrem Umfeld orientierten und davon ausgingen, dass der Charakter eines Menschen wandelbar ist, öfter weniger gesunde Beilagen für ihre Kinder auswählten.
Würden die Menschen dieser Gruppe eine andere Wahl treffen, wenn ihnen eine andere Norm vorgegeben wird? Um dies herauszufinden, änderte das Forscherteam seinen Versuchsaufbau ein wenig. Diesmal erhielten die Eltern zusätzlich zum Fragebogen einen kurzen Zeitungsartikel. Darin war zu lesen, dass 75 Prozent aller Eltern gesunde Beilagen für ihre Kinder auswählen würden. Eine Vergleichsgruppe erhielt den Fragebogen ohne Zusatzartikel. Das Augenmerk der Wissenschaftler lag nun auf Unterschieden im Auswahlverhalten beider Gruppen unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsmerkmale der Eltern. „Die Ergebnisse zeigen, dass Personen, die sich stärker an anderen Eltern orientieren, nach Lektüre des Beitrags tatsächlich zu 30% gesündere Beilagen auswählen als die Vergleichsgruppe“, so Hogreve. Durch die Anpassung der Beilagen bei der Menü-Zusammenstellung wurden außerdem bis zu 70% weniger Kalorien geordert.
Interessant wären in diesem Zusammenhang auch die Berücksichtigung der Vorlieben und Abneigungen der Kinder sowie die Essgewohnheiten der Eltern (Vorbildfunktion). Laut Hogreve und Kollegen eröffnen die Ergebnisse der Studie konkrete Perspektiven für ein „Social Norms Marketing“. Zur Förderung der Auswahl gesunder Alternativbeilagen könnte vor Ort Informationsmaterial zur Verfügung gestellt werden oder authentische Familien könnten sich in der Werbung für gesunde Beilagen starkmachen. Auch die Fast Food-Restaurants könnten profitieren, indem durch elterliche Netzwerke neue Kundenkreise erschlossen werden, die Wert auf gesunde Alternativen legen.
Quellen einblenden
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- Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (2020): Äpfel statt Pommes: Marketing mit sozialen Normen. Pressemitteilung vom 14.12.2020
- J. Hogreve, S. Matta, A. S. Hettich, R. Walker Reczek (2020): How do social norms influence parents’ food choices for their children? The role of social comparison and implicit self-theories. Journal of Retailing, Online-Vorabveröffentlichung
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 21. Januar 2021 um 08:00
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