Vegetarische Ernährung und Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Eine zweischneidige Angelegenheit
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Dienstag, 15. Oktober 2019
Laut einer renommierten Studie haben Vegetarier zwar seltener Herzinfarkte und andere ischämische Herzerkrankungen, dafür aber häufiger Schlaganfälle. Unterschiede im Lebensstil können diese Diskrepanz nur teilweise erklären.
In den letzten Jahren sind vegetarische und vegane Ernährungsweisen zunehmend populär geworden. Die Beweggründe, warum Menschen auf Fleisch, Fisch und Wurstwaren (Vegetarismus) oder auf alle tierischen Lebensmittel (Veganismus) verzichten, sind vielfältig. Häufig werden Klimaschutz und individuelle Gesundheitsvorteile genannt. Tatsächlich sind die Vor- und Nachteile, die eine vegetarische oder vegane Ernährungsweise mit sich bringt, noch nicht ausreichend erforscht. In Bezug auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit weisen Studien zwar darauf hin, dass Vegetarier ein geringeres Risiko für ischämische Herzerkrankungen haben als Nicht-Vegetarier, ob dies allerdings auch auf das Schlaganfallrisiko zutrifft, war bislang nicht bekannt.
Nun hat der britische Zweig der europaweiten Studie „European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition“ (kurz EPIC) eine Besonderheit, die es ermöglicht, den Zusammenhang zwischen verschiedenen Ernährungsweisen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen genauer zu erforschen. Bereits zu Beginn der Studie 1993-2001 waren vergleichsweise viele Probanden Vegetarier oder Veganer (insgesamt 16.254 Menschen), 7.506 Probanden verzehrten zwar Fisch, aber kein Fleisch und daraus hergestellte Produkte (sog. Pescetarier). Hinzu kamen 24.428 Probanden, die Fleisch verzehrten. Um das Jahr 2010 wurden alle Probanden nochmals zu ihrer Ernährungsweise befragt. So war es möglich, den Einfluss eines langfristigen Verzichts auf Fleisch/-produkte auf die Rate von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu untersuchen.
Bis zum Jahr 2016 wurden alle ischämischen Herzerkrankungen (hierzu zählen beispielsweise Herzinfarkte) und Schlaganfälle innerhalb der verschiedenen Ernährungsgruppen dokumentiert. Während des durchschnittlichen Beobachtungszeitraums von 18,1 Jahren verzeichneten die Wissenschaftler 2.820 Fälle von ischämischen Herzerkrankungen und 1.072 Schlaganfälle. Von den Schlaganfällen zählten 300 zur Subgruppe der hämorrhagischen Schlaganfälle mit Blutungen im Gehirn oder zwischen den inneren und äußeren Gewebeschichten, die das Gehirn umgeben.
Bei der Analyse berücksichtigten die Wissenschaftler soziodemographische Unterschiede (z.B. Alter, Geschlecht, Bildung, Deprivation) und verschiedene Lebensstilfaktoren (darunter Rauchen, Alkoholkonsum, körperliche Aktivität, Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln). Trotz dieser umfangreichen Adjustierung hatten Vegetarier (und Veganer) ein 22 Prozent geringeres Risiko für ischämische Herzerkrankungen und auch das Erkrankungsrisiko der Pescetarier war 13 Prozent geringer als jenes der Nicht-Vegetarier. Übersetzt in Erkrankungsfälle bedeutet dies, dass über einen Zeitraum von 10 Jahren 10 Fälle ischämischer Herzerkrankungen pro 1.000 Personen weniger auftreten, wenn die Personen sich vegetarisch ernähren anstatt Fleisch zu essen (Vegetarier: 36,2/1000, Pescetarier: 40,4/1.000, Fleischesser: 46,2/1.000). Ein Teil dieses Zusammenhangs konnte auf Unterschiede im Vorkommen von Bluthochdruck, hohen Cholsterinwerten, Diabetes und Adipositas zurückgeführt werden.
Anders sah die Situation aus, wenn anstelle von ischämischer Herzerkrankungen das Auftreten von Schlaganfällen analysiert wurde. Hier war das Schlaganfallrisiko der Vegetarier (und Veganer) 20 Prozent höher als jenes der Vergleichsgruppe mit Fleischverzehr. Ursache hierfür war vor allem das um 43 Prozent erhöhte Risiko für hämorrhagische Schlaganfälle der Vegetarier. Auch für Pescetarier bestand ein tendenziell erhöhtes Schlaganfallrisiko. Die absolute Zahl von Schlaganfällen war bei Vegetariern um etwa 3 Fälle pro 1.000 Personen in 10 Jahren höher als bei Fleischessern (Vegetarier: 18,3/1.000, Pescetarier: 17,5/1.000, Fleischesser: 15,4/1.000).
Weshalb eine vegetarische Ernährungsweise das Risiko für Schlaganfälle erhöht, ist bislang nicht geklärt. Zu den Erklärungsansätzen zählt eine schlechtere Versorgung mit Vitamin B12, Vitamin D oder essentiellen Aminosäuren (Eiweiß-Bausteine).
Quellen einblenden
- T. Y. N. Tong, P. N. Appleby, K. E. Bradbury et al. (2019): Risks of ischaemic heart disease and stroke in meat eaters, fish eaters, and vegetarians over 18 years follow-up: results from the prospective EPIC-Oxford study. British Medical Journal 366: 14897
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 15. Oktober 2019 um 07:10
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In der Tat kann ein hohes Schlaganfallrisiko vielfältige Ursachen haben, welche nicht zwangsweise nur mit der Ernährung verbunden sind. Zwar ist es durchaus förderlich, den Konsum stark cholesterinhaltiger Lebensmittel, worunter viele tierische Produkte fallen, vor allem mit zunehmendem Alter zu reduzieren, dennoch schließt eine ausgewogene Ernährung keine Herzerkrankungen aus. Aus diesem Grund empfehlen sich regelmäßige Kontrollen bei einem Arzt für innere Medizin, um potenzielle Erkrankungen möglichst früh zu erkennen und zu behandeln.
Tatsächlich hat sich der Verzicht auf Fleisch als förderlich für die Gesundheit erwiesen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben jedoch viele Ursachen, weshalb eine gesunde Ernährung zwar das Risiko betroffen zu sein, reduziert, jedoch nicht völlig ausschließt. In jedem Fall sollten Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht ignoriert, sondern im Sinne eines positiven Wohlbefindens behandelt werden.
Neben der Ernährung und Bewegung ist auch Stress ein sehr großer Faktor, welches das Herz belasten und auch schädigen kann.