Wann sind Nahrungsmittelallergie-Tests bei Kindern sinnvoll?

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Donnerstag, 9. April 2015

Werden Nahrungsmittelallergien bei Kindern auf Basis der Ergebnisse eines Serum-IgE-Tests diagnostiziert, ist das Risiko einer Fehldiagnose hoch. So lautete das Ergebnis einer Überprüfung der Erstbefunde von 284 jungen Patienten in einem US-amerikanischen Allergiezentrum. Zur Verbesserung der Diagnosestellung sollten Allergietests bei Kindern nur unter bestimmten Bedingungen durchgeführt werden.

Bei immer mehr Menschen wird eine Nahrungsmittelallergie diagnostiziert, darunter sind auch viele Kinder. Mit der Häufigkeit der Diagnose steigt die Sensibilität für die Erkrankung in der Bevölkerung. Inzwischen glauben viele Menschen, allergisch auf bestimmte Lebensmittel zu reagieren und meiden diese daher vorsorglich. Häufig ohne Grund, wie sich mit einem Allergietest nachweisen ließe. Doch auch ein Serum-IgE-Test, der zumindest als erste Stufe in der Allergiediagnostik üblich ist, bringt keine Sicherheit.

In den USA wurden 274 Kinder, die aufgrund eines auffälligen IgE-Tests an ein Allergiezentrum überwiesen wurden, eingehend untersucht. Nach weiteren Untersuchungen (Anamnese, wiederholter spezifischer Serum-IgE-Test, Prick-Test, Lebensmittelprovokationen) bestätigte sich der Allergieverdacht bei lediglich jedem dritten Patienten (34 Prozent).

Trotz der noch ausstehenden Diagnosesicherung hatten viele Familien bereits Empfehlungen erhalten, bestimmte Lebensmittel zu meiden. Von den 126 Kindern, die diese Ratschläge befolgt hatten, bestand bei 72 Kindern (57 Prozent) nach Ansicht der Experten überhaupt keine Notwendigkeit, die entsprechenden Lebensmittel zu meiden. Die verbliebenen 54 Kinder hatten zwar eine Nahrungsmittelallergie, die meisten von ihnen verzichteten aber auf mehr Lebensmittel als eigentlich erforderlich gewesen wäre.

Die Wissenschaftler führen die Diskrepanz der Ergebnisse auf die mangelnde Aussagekraft verschiedener Testverfahren zurück. Bei Verwendung eines IgE-Tests lasse sich nicht unterscheiden, ob ein Kind lediglich sensibilisiert für ein bestimmtes Allergen ist oder tatsächlich allergisch (mit klinischen Symptomen) reagiert. Daher sollten solche Ergebnisse immer im Kontext der Krankengeschichte betrachtet werden und gegebenenfalls durch eine gezielte, ärztlich begleitete Nahrungsmittelprovokation abgesichert werden.

Um die Zahl der Fehldiagnosen zu reduzieren und unnötige Einschränkungen in der Lebensmittelauswahl zu vermeiden, sollten IgE-Tests nach Ansicht der Allergieexperten nur bei Patienten durchgeführt werden, die innerhalb von Minuten bis Stunden nach der Aufnahme eines Lebensmitteln mit allergischen Symptomen bis hin zur Anaphylaxie reagiert haben oder an einer mittelgradig bis stark ausgeprägten atopischen Dermatits (Neurodermitis) erkrankt sind. Häufig werden jedoch auch Kinder mit geringer ausgeprägter atopischer Dermatits, allergischem Schnupfen oder Urtikaria (Nesselsucht) unbekannter Ursache auf Nahrungsmittelallergien getestet. In der aktuellen Studie bestätigte sich der Allergieverdacht nur bei 4 der 184 Kinder dieser Gruppe (2,2 Prozent).

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verfasst von am 9. April 2015 um 06:36

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3 Kommentare zu “Wann sind Nahrungsmittelallergie-Tests bei Kindern sinnvoll?”

  1. Niels sagt:

    Hallo zusammen,

    vielen Dank für den interessanten Artikel. Wir überlegen nämlich auch gerade für unseren Sohn einen Allergie-Test durchzuführen.

    Grüße
    Niels

  2. Nils sagt:

    Ein guter Beitrag. Sehr aufführlich und Informativ. Ich bin aber in dem Punkt entgegengesetzter Meinung das die behauptung aufgestellt ist ein Test würde keinen Sinn. Auch um ggfs. Diagnosen ausschließen zu können sind Tests durchaus sinnvoll. Aber sonst … alles Top 🙂

    Nils

  3. Christian sagt:

    Im Grund ja nichts neues und auch nicht nur für Kinder gültig. Deshalb aber auf Tests zu verzichten, kann auch nicht die Lösung sein. Man muss Allergietests als das sehen was sie sind: Ein (!) Bestandteil einer Diagnose. Das zu solch einer Diagnose unter anderem auch eine ausführliche Anamnese gehört und ggf. weitere Tests, darf eben nicht vergessen werden.

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