Was macht Kinder übergewichtig?
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Freitag, 15. Mai 2015
Wenn ein Kind übergewichtig ist, hat dies meist mehrere Ursachen, allen voran einen ungünstigen Lebensstil mit hoher Energieaufnahme bei zu wenig körperlicher Aktivität. Häufig wird auch mit einer erblichen Vorbelastung argumentiert. Eine aktuelle Studie zeigt allerdings, dass die Bedeutung der Gene bei der Entstehung von Übergewicht häufig überschätzt wird.
Übergewichtige Eltern haben häufig auch Kinder mit Übergewicht. Dies gilt insbesondere dann, wenn sowohl die Mutter als auch der Vater übergewichtig sind. Bislang war nicht bekannt, ob die genetische Veranlagung oder von den Eltern übernommene Lebensstilfaktoren für diesen Zusammenhang verantwortlich sind. In einer großen englischen Studie, an der beinahe 14.000 Kinder und deren Eltern beziehungsweise Adoptiveltern teilgenommen haben, sind Wissenschaftlern der Antwort auf diese Frage näher gekommen.
Unter Verwendung von Studiendaten aus den Jahren 1997 bis 2009 des Health Surveys for England (HSE) untersuchten die Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen dem Körpergewicht der Kinder und ihrer Eltern. Hierfür wurden die Familien in zwei Gruppen eingeteilt: Zum einen Familien mit Kindern, die bei ihren biologischen Eltern lebten, zum anderen Familien, bei denen das Kind adoptiert worden war. Auf diese Weise war es möglich, zwischen dem Einfluss von Lebensstilfaktoren (Ernährung, Bewegung), der in beiden Gruppen vorhanden ist, und genetischen Ursachen von Übergewicht (nur bei Kindern mit biologischen Eltern) zu unterscheiden. Als Störgrößen wurden die ethnische Zugehörigkeit, Bildung der Eltern, Einkommen, Wohnungseigentum und Passivrauchen berücksichtigt.
Waren beide Elternteile übergewichtig, so war die Wahrscheinlichkeit, ebenfalls übergewichtig zu sein, für Kinder, die bei ihren biologischen Eltern lebten, 27 Prozent höher. Bei adoptierten Kindern war die Wahrscheinlichkeit für Übergewicht dagegen nur 21 Prozent höher. Die Wissenschaftler schließen daraus, dass der genetische Einfluss auf die Entstehung von Übergewicht eher gering ist (Differenz zwischen beiden Gruppen: 6 Prozent). War lediglich die Mutter übergewichtig, bestand eine um 13 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit für Übergewicht bei den Kindern, die bei ihren biologischen Eltern lebten, jedoch nicht bei Adoptivkindern. Dagegen war väterliches Übergewicht in beiden Gruppen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für Übergewicht assoziiert (Erhöhung um 12 Prozent bei Kindern mit biologischen Eltern versus 24 Prozent bei adoptierten Kindern). Ein ähnlicher, jedoch weniger stark ausgeprägter Zusammenhang wurde auch bei adipösen Kindern festgestellt. Interessanterweise hatte die Berufstätigkeit der Mutter keinen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen elterlichem und kindlichem Übergewicht bis hin zur Adipositas.
„Die gute Nachricht unserer Studie ist, dass wir gegen die Gewichtsprobleme von Kindern etwas tun können„, unterstreicht die an der Studie beteiligte Professorin für Wirtschaftswissenschaften Mireia Jofre-Bonet. „Obwohl auf Schulen und Kinder selbst ausgerichtete Initiativen löblich sind, weisen unsere Ergebnisse darauf hin, dass es wichtiger ist, die Eltern darin zu bestärken, einen gesünderen Lebensstil anzunehmen und durch eine gesündere Ernährung und sportliche Aktivitäten zu besseren Vorbildern zu werden.“
Quellen einblenden
- City University London (2015): ‚Nurture‘ more important than ’nature‘ for overweight children. Pressemitteilung vom 13.02.2015.
- J. Costa-Font, M. Jofre-Bonet, J. Le Grand (2015): Vertical transmission of overweigt: Evidence from English adoptees. Center für Economic Performance, CEP Discussion Paper No 1234.
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 15. Mai 2015 um 06:09
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