Was motiviert Zöliakiepatienten zur Einhaltung einer glutenfreien Diät?
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Mittwoch, 4. Februar 2015
Eine kürzlich publizierte Studie gibt Aufschluss über die Motive, die Zöliakiepatienten anspornen, die medizinisch erforderliche strikt glutenfreie Diät einzuhalten. Untersucht wurde auch, wie diese Motive mit der unbeabsichtigten oder vorsätzlichen Aufnahme von glutenhaltigen Lebensmitteln assoziiert sind.
Zöliakie lässt sich nicht heilen. Für Menschen, die von der Autoimmunerkrankung betroffen sind, gibt es bislang nur eine wirksame Therapie: eine möglichst lebenslange glutenfreie Ernährung. Obwohl bei Nichteinhaltung der Diät akute gastrointestinale Beschwerden und langfristige Folgeerkrankungen drohen, befolgen nur 42 bis 91 Prozent der an Zöliakie Erkrankten streng die Diätvorschriften. In früheren Studien identifizierten Wissenschaftler Hindernisse und Strategien für die Einhaltung einer glutenfreien Ernährung. Die zugrunde liegenden Motive wurden bisher nicht näher betrachtet.
Wissenschaftler der kanadischen University of British Columbia und der University of Toronto haben nun mit Unterstützung durch die Kanadische Zöliakiegesellschaft untersucht, welche Motive Menschen mit einer Zöliakie leiten, sich streng an eine glutenfreie Ernährung zu halten. Untersucht wurde auch, weshalb manche Zöliakiepatienten sich nicht an die Ernährungsempfehlungen halten. Für die Wissenschaftler war darüber hinaus interessant, inwieweit die genannten Motive mit einer unbeabsichtigten oder vorsätzlichen Glutenaufnahme der Probanden verbunden waren.
An der kanadischen Studie nahmen 203 Erwachsene mit einer durch einen Bluttest oder eine Biopsie bestätigten Zöliakie teil. Die Probanden waren im Mittel 42 Jahre alt und seit knapp sieben Jahren an einer Zöliakie erkrankt. Zunächst wurden alle Teilnehmer gefragt, wie häufig sie während der letzten Woche glutenhaltige Speisen verzehrt hatten. Dabei unterschieden die Wissenschaftler zwei Situationen:
- Verzehr von Lebensmitteln, vor deren Verzehr die Probanden nicht wussten, dass sie Gluten enthielten (unbeabsichtigte Glutenaufnahme)
- Verzehr von glutenhaltigen Lebensmitteln, obwohl dies den Probanden vor dem Verzehr bekannt war (vorsätzliche Glutenaufnahme)
Im nächsten Schritt sollten die Teilnehmer in eigenen Worten notieren, welcher Grund oder Anlass sie dazu bewogen hat, sich streng glutenfrei zu ernähren (mehrere Angaben möglich). Es folgte eine Frage nach den Gründen für keine strikte Einhaltung einer glutenfreien Ernährung (falls zutreffend).
Motive für die Einhaltung einer strengen glutenfreien Ernährung
Mehr als zwei Drittel der Probanden (71 Prozent) nannte die eigene Zöliakiediagnose als Motiv sich glutenfrei zu ernähren. Die Hälfte der Probanden (50 Prozent) verzichtete auf glutenfreie Lebensmittel aufgrund von allgemeinen körperliche Symptomen ohne starken Schmerzen (beispielsweise blutigen Durchfällen). Zwischen 10 und 15 Prozent der Probanden gaben jeweils an, sich aus Sorgen vor langfristigen körperlichen Folgen, Verzweiflung, aufgrund von schmerzhaften körperlichen Symptomen, dem Wunsch nach einer Gewichtszunahme beziehungsweise aufgrund ihres besseren Wohlbefindens glutenfrei zu ernähren. Seltener genannt wurde die Zöliakiediagnose eines Familienmitglieds (7 Prozent) und die Absicht zur Gewichtsreduktion (11 Prozent).
Motive für die Nicht-Einhaltung einer strengen glutenfreien Ernährung
Lediglich 21 der 203 Probanden gaben an, sich nicht streng glutenfrei zu ernähren. Als Gründe nannten sie Schwierigkeiten beim Außer-Haus-Verzehr und Verzehr auf Reisen, eine Vorliebe für den Geschmack glutenhaltiger Lebensmittel, Kreuzkontaminationen (Verunreinigungen eigentlich glutenfreier Speisen), Kostengründe und die Aufnahme von Gluten beim Alkoholkonsum.
Zusammenhang zwischen den genannten Motiven und einer unbeabsichtigten Glutenaufnahme.
Die Wissenschaftler stellten fest, das Menschen mit einer Zöliakie, die sich aufgrund von Schmerzen, Verzweiflung oder dem Wunsch, Gewicht zu- oder abzunehmen, streng glutenfrei ernährten, am seltensten unbeabsichtigt glutenhaltige Speisen zu sich nahmen. Besonders groß war die Gefahr dagegen bei Menschen, welche die eigene Diagnose als Motiv nannten oder sich um ihre langfristige Gesundheit sorgten.
Zusammenhang zwischen den genannten Motiven und einer unbeabsichtigten Glutenaufnahme
Gut 7 Prozent der Probanden gaben an, während der vergangenen Woche wissentlich glutenhaltige Lebensmittel verzehrt zu haben. Dies trat wiederum besonders häufig bei Teilnehmern auf, die als Motiv die Vermeidung von Schmerzen genannt hatten. Zählte der Wunsch nach einer Gewichtsreduktion beziehungsweise Gewichtszunahme oder Verzweiflung zu den Motiven, wurde dagegen gar nicht oder nur sehr selten absichtlich Glutenhaltiges aufgenommen.
Aufgrund ihrer Studienergebnisse empfehlen die Autoren, Menschen mit einer Zöliakie weniger durch Fakten wie ihre Diagnose oder zukünftige gesundheitliche Gefahren zur Einhaltung einer glutenfreien Ernährung zu motivieren. Stattdessen sollten Möglichkeiten gefunden werden, Betroffenen zu helfen, ihre glutenfreie Ernährung zu genießen. Die Umsetzung der Forschungsergebnisse in konkrete Interventionen zur Verbesserung der Therapieadhärenz sollte zum Gegenstand zukünftiger Forschungsprojekte werden.
Quellen einblenden
- A. J. Dowd, K. A. Tamminen, M. E. Jung, S. Case , D. McEwan, M. R. Beauchamp (2014): Motives for adherence to a gluten-free diet: a qualitative investigation involving adults with coeliac disease. Journal of Human Nutrition and Dietetics 27: Seite 542-549
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 4. Februar 2015 um 20:25
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