Was wäre wenn…? Viele Herz-Kreislauf-Todesfälle wären vermeidbar
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Dienstag, 13. Oktober 2015
Hand aufs Herz: Viele Todesfälle an Herz-Kreislauf-Erkrankungen ließen sich vermeiden, denn allzu häufig sind Laster des modernen Lebensstils mit im Spiel. Wie viele Todesfälle sind tatsächlich auf Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht und erhöhte Cholesterinwerte zurückzuführen? US-amerikanische Wissenschaftler wagen eine Abschätzung.
Für die Studie wurden über 500.000 US-Bürger telefonisch zu ihren persönlichen Risikofaktoren befragt. Alle Teilnehmer waren zwischen 45 und 79 Jahren alt. Die Ergebnisse der Befragung wurden um Ergebnisse der Nationalen Gesundheits- und Ernährungsstudie (NHANES; National Health and Nutrition Examination Survey) und Daten aus dem nationalen Todesregister ergänzt und gemeinsam ausgewertet. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, wie viele der Herz-Kreislauf-Todesfälle durch die Vermeidung der fünf wichtigsten beeinflussbaren Risikofaktoren zu verhindern gewesen wären. Zu diesen Risikofaktoren zählten Rauchen, Bluthochdruck, Fettleibigkeit (Adipositas), Diabetes und erhöhte Cholesterinwerte.
Bei mehr als vier von fünf US-amerikanischen Männern und Frauen lag mindestens einer der genannten Risikofaktoren vor. Besonders verbreitet waren erhöhte Cholesterinwerte (47 Prozent der Männer, 46 Prozent der Frauen) und Bluthochdruck (47 Prozent der Männer, 45 Prozent der Frauen). Fast zwei von fünf Männern und Frauen waren adipös und etwa jede(r) sechste Teilnehmer/in war an Diabetes erkrankt. Außerdem gab jeder vierte Mann und jede sechste Frau an, aktuell zu rauchen.
Zunächst berechneten die Wissenschaftler den Anteil der Todesfälle, die vermeidbar gewesen wären, wenn tatsächlich alle Risikofaktoren zugleich eliminiert worden wären. Im Erhebungszeitraum 2009/2010 wären dies gut die Hälfte aller Todesfälle gewesen (Männer: -54 Prozent, Frauen: -50 Prozent). Durch die Vermeidung aller Komponenten des metabolischen Syndroms (Bluthochdruck, Adipositas, Diabetes, erhöhte Cholesterinwerte) wären 40 Prozent der Todesfälle bei Männern und 57 Prozent der Todesfälle weggefallen.
Da in der Realität allerdings kaum damit zu rechnen ist, dass sich alle Risikofaktoren zugleich und noch dazu komplett ausschalten lassen, berechneten die Wissenschaftler zusätzlich alltagsnähere Szenarien. Wie viele Todesfälle hätten sich beispielsweise vermeiden lassen, wenn die Verbreitung eines Risikofaktors in allen Bundesstaaten auf das Niveau des Bundesstaates mit dem jeweiligen besten Ergebnis gesenkt würde? Die höchsten Rückgänge der Mortalität ließen sich unter dieser Annahme durch einen Rauchstopp (Männer: -5 Prozent, Frauen: -4 Prozent) und die Reduzierung des Blutdrucks (Männer: -4 Prozent, Frauen: -7 Prozent) erzielen. Durch eine gute Blutzuckereinstellung ließen sich knapp 2 Prozent der Herz-Kreislauf-bedingten Todesfälle bei Männern und immerhin 4 Prozent bei Frauen verhindern. Einen positiven Effekt hätten auch Maßnahmen zur Bekämpfung der Adipositas (Männer: -3 Prozent, Frauen -2 Prozent). Von einer Normalisierung des Cholesterinspiegels profitierten nur die Männer (Rückgang der Mortalität um 2 Prozent), während die Mortalität der Frauen marginal zunahm (+0,1 Prozent).
Trotz erkennbarer Fortschritte sei die derzeitige Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach wie vor weit vom theoretisch möglichen Minimum entfernt, geben die Wissenschaftler zu bedenken. Maßnahmen zur Reduktion vermeidbarer Risikofaktoren hätten damit nichts an Aktualität eingebüßt haben und könnten pro Jahr tausende Herz-Kreislauf-Todesfälle verhindern. In Deutschland verstarben im Jahr 2011 über 340.000 Menschen an den Folgen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Quellen einblenden
- S.A. Patel, M. Winkel, M.K. Ali, K.M. Narayan, N.K. Mehta (2015): Cardiovascular mortality associated with 5 leading risk factors: national and state preventable fractions estimated from survey data. Annals of Internal Medicine 163; Seite 245-53
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 13. Oktober 2015 um 09:41
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