Weniger Übergewicht dank Geschwister
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Dienstag, 6. November 2012
Wer Geschwister hat, ist nur halb so häufig übergewichtig wie ein Einzelkind. Zu diesem Ergebnis kam die IDEFICS-Studie, eine Studie, die in acht europäischen Staaten durchgeführt wurde.

Kinder mit Geschwistern haben seltener Übergewicht.
Für die Untersuchung wurden Daten von 12.720 Kindern im Alter von zwei bis neun Jahren ausgewertet. Bei allen Kindern wurden Größe und Gewicht bestimmt und der BMI berechnet. Die Eltern der teilnehmenden Kinder machten in einem Fragebogen Angaben zu demographischen und sozioökonomischen Gegebenheiten. Außerdem beantworteten sie Fragen zu Verhaltensweisen und Lebensgewohnheiten ihres Kindes, beispielsweise zur Anzahl von Stunden, die ihr Kind draußen spielt, der Zeit, die es mit Fernsehen verbringt und seinen Ernährungsgewohnheiten. Bei allen Kindern war bekannt, ob sie alleine aufwachsen oder Geschwister haben.
Die Forscher interessierten sich in dieser Studie für den Zusammenhang zwischen der Geschwisteranzahl und dem Auftreten von Übergewicht. Da bekannt ist, dass Bildungsstand und Körpergewicht der Eltern, Alter von Mutter und Kind, das Geburtsgewicht, das Geschlecht des Kindes sowie das Land, in dem ein Kind aufwächst, mit dem Auftreten von Übergewicht assoziiert sind, wurden alle Berechnungen um den Einfluss dieser potentiellen Störfaktoren korrigiert. Es zeigte sich, dass Einzelkinder ein doppelt so hohes Risiko für Übergewicht und Fettleibigkeit haben wie Kinder, die gemeinsam mit Geschwistern aufwachsen. Um den Ursachen dieses Unterschieds auf die Spur zu kommen, untersuchten die Wissenschaftler den Einfluss verschiedener Verhaltensweisen und Lebensbedingungen der Kinder. Hierzu zählten die Spielzeit im Freien, die tägliche Zeit vor dem Bildschirm, die Wahrscheinlichkeit für den Konsum fett- oder zuckerreicher Lebensmittel, die Einstellung der Eltern zu Lebensmitteln und das Vorhandensein eines Fernsehers im Kinderzimmer. Doch all diese Faktoren konnten den gefundenen Unterschied nicht erklären.
Interessant war auch ein auffälliger Süd-Nord-Gradient im Auftreten von Übergewicht, der sich nicht durch die unterschiedliche Familiengröße in den teilnehmenden Ländern erklären ließ. Übergewicht kommt in den südlichen Ländern Europas bei Kindern rund dreimal häufiger vor als in nördlichen Ländern. Trauriger Spitzenreiter in dieser Studie war Italien, wo circa 42 Prozent der untersuchten Kinder Übergewicht hatten, gefolgt von Zypern (circa 25 Prozent) und Spanien (20 Prozent). Am anderen Ende der Skala waren Schweden (zehn Prozent der Kinder haben Übergewicht) und Belgien (acht Prozent). Die untersuchten Kinder in Deutschland befanden sich mit 15 Prozent im Mittelfeld. Hält man sich vor Augen, dass bereits in diesem jungen Alter jedes achte Kind in Deutschland von Übergewicht betroffen ist und aus übergewichtigen Kindern häufig übergewichtige Erwachsene werden, ist dies sicher kein Grund zum Aufatmen.
Bis jetzt konnte noch nicht abschließend geklärt werden, welche Faktoren für die Entstehung von Übergewicht bereits in frühen Jahren verantwortlich sind. Auch fehlen wirksame Präventions- und Behandlungsprogramme. Hier besteht weiterhin Forschungsbedarf. Die Forscher der IDEFICS-Studie indessen wollen in einer Folgestudie herausfinden, ob die Unterschiede im Auftreten von Übergewicht und Adipositas bei Kindern mit und ohne Geschwistern auf unterschiedliche Familienstrukturen zurückzuführen sind.
Quelle:
M. Hunsberger, A. Formisano, L. A. Reisch, K. Bammann, L. Moreno, S. de Henauw, .D Molnar, M. Tornaritis, T. Veidebaum, A. Siani, L. Lissner (2012): Overweight in singletons compared to children with siblings: the IDEFICS study. Nutrition and Diabetes 2, e35
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 6. November 2012 um 06:43
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