Wie Ballaststoffe vor Asthma schützen
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Dienstag, 19. Mai 2015
Wer regelmäßig Vollkornprodukte und andere ballaststoffreiche Lebensmittel zu sich nimmt, kann auf viele gesundheitsfördernde Wirkungen hoffen. Denn Ballaststoffe wirken Übergewicht entgegen, schützen Herz und Kreislauf und stabilisieren den Blutzuckerspiegel. Weniger bekannt dürfte ihre entzündungshemmende Wirkung in der Lunge sein.
Während der letzten fünfzig Jahre sind immer mehr Menschen an allergischem Asthma erkrankt. Zugleich haben sich die Lebensumstände drastisch geändert. In Bezug auf die Ernährung essen viele Menschen heute weniger Obst und Gemüse, dagegen stehen Fast Food und Fleisch vergleichsweise häufig auf dem Speiseplan. Sind diese beiden Entwicklungen nur zufällig gemeinsam eingetreten oder gibt es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Ernährungsweise und der Erkrankung an allergischem Asthma? Diese Frage beschäftigte auch Wissenschaftler verschiedener Forschungseinrichtungen aus Lausanne und Basel.
In einem Tiermodell sammelten sie erste Erkenntnisse. Für ihr Experiment fütterten Benjamin Marsland vom Universitätsspital Lausanne und seine Kollegen Mäuse entweder mit einem Standardfutter (vier Prozent Ballaststoffe) oder einem Spezialfutter, das extrem wenig Ballaststoffe enthielt (0,3 Prozent). Diese Niedrigfaserernährung ist vergleichbar mit der sogenannten „westlichen Ernährungsweise“, die lediglich ca. 0,6 Prozent Ballaststoffe enthält. Im nächsten Schritt kamen beide Mäusegruppen mit Hausstaubmilben in Kontakt, um zu ermitteln, wie häufig die Tiere beider Gruppen an allergischem Asthma erkrankten.
Anhand des Schleims in der Lunge war ersichtlich, dass die ballaststoffarm ernährten Mäuse stärker allergisch reagierten als jene Mäuse, die mit dem Standardfutter gefüttert wurden. Dieser Unterschied verstärkte sich, wenn das Standardfutter zusätzlich mit dem wasserlöslichen Ballaststoff Pektin angereicht wurde. Auf der Suche nach einer Erklärung für den Unterschied zwischen den beiden Gruppen stießen die Wissenschaftler auf eine interessante Reaktionskette, die von den Darmbakterien ausgelöst wird. Denn in ihrer ursprünglichen Form können Ballaststoffe vom menschlichen Körper nicht metabolisiert werden. Gelangen Ballaststoffe in den Darm, werden sie von Darmbakterien teilweise zu kurzkettigen Fettsäuren fermentiert. Diese wiederum werden ins Blut abgegeben und gelangen so ins Knochenmark, wo sie die Reifung dendritischer Zellen, einer speziellen Art von Immunzellen, beeinflussen. Wenn Hausstaubmilben in die Lunge geraten, wandern die dendritischen Zellen ebenfalls dorthin und verhindern eine übersteigerte Abwehrreaktion.
„Unsere Daten belegen, dass der Fasergehalt der Nahrung eine wichtige Rolle für unsere Gesundheit spielt„, resümieren die Wissenschaftler. Weil sich die Immunsysteme von Menschen und Mäusen kaum unterscheiden, sind die Ergebnisse sehr wahrscheinlich auf den menschlichen Organismus übertragbar. „Zusammengenommen sprechen unsere Ergebnisse dafür, dass Interventionen, die an der Ernährung ansetzen, nicht nur für Erkrankungen des Verdauungstrakts wertvoll und sinnvoll sind, sondern auch für entzündliche Erkrankungen der Atemwege und Lungen“, folgern Marsland und seine Kollegen. Als nächsten Schritt planen die Wissenschaftler klinische Studien mit Menschen. Dabei geht es darum, zu verstehen, ob und wie sich eine mit fermentierbaren Ballaststoffen angereicherte Kost auf Allergien und Entzündungen auswirkt. Bei einer Sache sind sich die Wissenschaftler aber bereits jetzt sicher: Zu den vielen Argumenten für einen höheren Obst- und Gemüsekonsum ist ein weiteres hinzugekommen.
Quellen einblenden
- Scinexx (2014): Ballaststoffe schützen vor Asthma. Online-Artikel vom 06.01.2014.
- A. Trompette, E. S. Gollwitzer, K. Yadava, A. K Sichelstiel, N. Sprenger, C. Ngom-Bru, C. Blanchard, T. Junt, L. P. Nicod, N. L. Harris, B. J. Marsland (2014): Gut microbiota metabolism of dietary fiber influences allergic airway disease and hematopoiesis. Nature Medicine 20: 159-168.
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 19. Mai 2015 um 06:22
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Merkwürdig bei der üblichen Asthmaerklärung ist gewiss die Ignoranz über die Reflexe. Drückt man nämlich mit der Fingerspitze gegen eine Lippe, so wird die Atmung, auch beim Asthmatiker, vertieft. Die Wirkung ist wie die des berüchtigten Sprays aber ohne Nebeneffekte. Es hat sich in Fachkreisen herumgesprochen, dass der Reflex statt Asthmaspray von Vorteil ist. Training mit der steifen Oberlippe und selbstredend mit diesem Trigeminusreflex hat ein hohes Potential bei der Therapie. Mein Internist in München geht so mit Asthma um.
Was die Eltern-Kindbeziehung angeht, so ist es für diese förderlich, dass ein Kind die Nasenatmung als vorteilhaft erlebt. Es ist sehr bedauerlich, dass die „Lippenbremse“ als Übung bei Asthmaschulungen eher eine schlaffe Haltung der Lippen empfiehlt. Ich sehe die „Asthmaindustrie“ mit so viel Pharmavermarktung in vielen fällen als Nachteil an. Um kräftig und natürlich Luft zu holen, ist die chemische Keule wirklich überflüssig.