Wie beeinflusst Sport das Ernährungsverhalten?
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Mittwoch, 12. Mai 2021
Dieser Frage ist ein internationales Forschungsteam der Universitäten München und Nebraska (Lincoln, USA) nachgegangen. Ihre Erkenntnisse könnten bisherige Strategien zur erfolgreichen Gewichtsabnahme verändern.
Übergewicht und Adipositas sind in Deutschland weit verbreitet und dementspechend auch der Wunsch zur Gewichtsabnahme. Laut der Verbrauchs- und Medienanalyse von 2020 stimmten rund 7,17 Millionen Menschen in Deutschland der Aussage „Ich wäre froh, wenn ich etwas abnehmen könnte“ „voll und ganz“ zu.
Wer eine Gewichtsabnahme erreichen möchte, sollte mehr Energie verbrauchen als er zu sich nimmt. Demnach ist neben der Ernährung die körperliche Bewegung die wichtigste Stellschraube der Energiebilanz. Doch wie hängen Sport und Ernährung zusammen? Mit dieser Frage befassten sich Prof. Karsten Köhler, Leiter der Professur für Bewegung, Ernährung und Gesundheit an der Technischen Universität München, und seine Kollegen aus München und von der University of Nebraska in Lincoln.
„Im Sportkontext haben wir das Phänomen, dass Menschen nach körperlicher Bewegung zu viel essen“, erläutert Prof. Köhler. „Man will sich und den Körper dafür belohnen, dass man aktiv war. Wir wollten deshalb anhand eines hypothetischen Experiments herausfinden, warum Menschen nach dem Sport mehr essen als wenn sie keinen Sport treiben.“
Im Rahmen einer randomisierten Überkreuzstudie untersuchten sie, welchen Einfluss ein 45-minütiges aerobes Training auf hypothetische Entscheidungen der Probanden bezüglich des Zeitpunkts und der Menge der Nahrungsaufnahme hatte. An der Studie nahmen 23 Frauen und 18 Männer im Alter von 19 bis 29 Jahren teil, deren durchschnittlicher BMI im Normalbereich lag (23,7). Bei ihrem ersten Besuch im Studienzentrum wurden die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip (randomisiert) entweder dem Trainingsarm oder dem Kontrollarm der Studie zugewiesen, bei ihrem darauffolgenden zweiten Besuch absolvierten sie den jeweils anderen Studienarm (Überkreuzdesign).
Alle Teilnehmer beantworteten jeweils zu Beginn einen elektronischen Fragebogen über ihre subjektive Einschätzung von Hunger und Sättigung und zu ihrer präferierten Verzehrsmenge verschiedener Nahrungsmittel, wobei die Probanden die von ihnen bevorzugte Portionsgröße für jedes Nahrungsmittel angaben. Außerdem wurden ihre Präferenzen für den sofortigen und einen späteren Verzehr nach vier Studien ermittelt.
Nachdem sie den Fragebogen beantwortet hatten, unterzogen sich die Teilnehmer des Trainingsarms einem 45-minütigen Fahrradergometertraining. Direkt im Anschluss und nach einer halbstündigen Pause wurde der Fragebogen erneut beantwortet. Der Ablauf der Probanden des Kontrollarms war vergleichbar, nur hatten diese anstelle des Ergometertrainings eine Ruhepause.
Die Auswertung der Studiendaten ergab, dass die aktiven Probanden sowohl unmittelbar nach dem Training als auch 30 Minuten danach eine größere Nahrungsmenge wählten als die Probanden der Kontrollgruppe. Außerdem hatten sie ein größeres Verlangen für einen sofortigen Verzehr von Nahrungsmitteln direkt nach ihrer körperlichen Betätigung sowie eine halbe Stunde später. „Auf Basis der Studie konnten wir erstmals zeigen, dass sich bestimmte Eigenschaften, wie die Menge und die Dringlichkeit, mit der eine Person essen möchte, über den Verlauf einer körperlichen Belastung verändern“, fasst Prof. Köhler zusammen. „Diese Befunde helfen uns bei der Entwicklung neuer Interventionen, um eine Gewichtsreduktion durch Sport zu optimieren.“ Köhler weiter: „Die vorliegenden Resultate deuten darauf hin, dass die körperliche Anstrengung Sporttreibende dazu verleiten kann, nach dem Sport eher schneller und größere Mengen Nahrung zu sich zu nehmen.“ Er rät: „Da die Gewichtsabnahme für viele ein Hauptmotiv für das Sporttreiben ist und ein Nichterreichen der gewünschten Gewichtsabnahme den Ausstieg aus dem Sport wahrscheinlich macht, könnte es eine gute Strategie sein, sich schon vor dem Training zu überlegen, was man nachher essen möchte.“
In weiteren Projekten möchte das Forschungsteam die Nachhaltigkeit dieser und weiterer Strategien untersuchen und erforschen, ob sich dadurch die langfristige Einhaltung von Trainingsprogrammen und Erzielung gesundheitlicher Ergebnisse wie eine Gewichtsabnahme verbessern lassen. Außerdem interessiert die Wissenschaftler, ob sich der Einfluss der körperlichen Aktivität auf das Ernährungsverhalten mit der Zeit abschwächt.
Quellen einblenden
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- K. Koehler, S. E. Beckford, E. Thayer et al. (2021): Exercise shifts hypothetical food choices toward greater amounts and more immediate consumption. Nutrients 13; Seite 347
- Technische Universität München (2021): Abnehmen durch Sport. Warum körperliche Bewegung zu mehr Essen verleitet und wie man dem begegnet. Pressemitteilung vom 07.04.2021
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 12. Mai 2021 um 09:34
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Dass nach Sport der Hunger grösser ist, ist doch normal. Ein höherer Verbrauch generiert einen höheren Bedarf. Sport per se, ist also nicht zum Abnehmen geeignet. Der Benefit ist ein besseres Körpergefühl und Stärkung der Gesundheit.