Wie entwickeln sich pingelig essende Kindergartenkinder?
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Donnerstag, 20. August 2020
Vierjährige mit sehr wählerischem Essverhalten sind häufig auch im Grundschulalter eher kritische Esser. Dies kann aber auch positive Seiten haben, wie eine US-amerikanische Studie zeigt.
Dr. Meghan Pesch von der Universität Michigan und ihre Kollegen befragten wiederholt 317 Mütter zu den Essgewohnheiten ihrer Kinder im Alter von vier bis neun Jahren. Außerdem beantworteten die Mütter Fragen zu ihren Einstellungen und Reaktionen auf das Ernährungsverhalten ihrer Kinder. Ferner wurde aus Größe und Gewicht der Kinder deren BMI bestimmt und anhand von alters- und geschlechtsspezifischen Normwertkurven eingeordnet.
„Pingeliges Essen ist in der Kindheit üblich, und Eltern hören oft, dass ihre Kinder irgendwann 'daraus herauswachsen' werden“, erläutert Dr. Pesch. „Dies ist jedoch nicht immer der Fall.“ Denn laut den Ergebnissen der aktuellen Studie kann sich ein extrem selektives Essverhalten bis zum vierten Lebensjahr fest etablieren: Kinder, die schon im Kleinkindalter sehr kritisch bei ihrer Lebensmittelauswahl waren, blieben dies häufig auch im Schulalter. Pesch und ihre Kollegen empfehlen daher, Kindern möglichst früh eine abwechslungsreiche Kost mit viel Obst und Gemüse schmackhaft zu machen. Allerdings sollte dabei möglichst kein Druck ausgeübt werden. „Wir stellten fest, dass Kinder, die wählerischer waren, Mütter hatten, die den Verzehr ungesunder Nahrungsmittel und Süßigkeiten stärker einschränkten“, berichtet Pesch. „Diese Mütter von wählerischen Essern versuchen möglicherweise, die Vorlieben ihrer Kinder für schmackhaftere und selektivere Diäten so zu beeinflussen, dass sie gesünder sind. Aber nicht immer hat dies die gewünschte Wirkung.“ Tatsächlich war die Lebensmittelauswahl der Kinder mit zunehmendem elterlichem Druck sogar eingeschränkter.
Dagegen zeigte sich in einem anderen Bereich eine erfreuliche Entwicklung. Kinder, die durchgängig der Gruppe der extrem wählerisch Essenden zugeordnet wurden, hatten einen geringeren BMI, der allerdings überwiegend im normalen Bereich lag. Damit hatten sie im Vergleich zu Gleichaltrigen mit ausgewogenerem Essverhalten ein geringeres Risiko für Übergewicht und Adipositas.
Wie sich allerdings die begrenzte Nahrungsmittelauswahl langfristig auf das Wachstum und die Gewichtszunahme der Kinder auswirkt, ist bislang nicht hinlänglich bekannt. Außerdem stammten alle Kinder dieser Studie aus schlechter gestellten Familien, was die Generalisierbarkeit der Ergebnisse einschränkt. Ferner ist nicht bekannt, ob die elterliche Kontrolle das restriktive Essverhalten der Kinder befeuerte oder nicht sogar Schlimmeres verhinderte, weil niemand sagen kann, wie sich die Kinder ohne diesen Druck entwickelt hätten. Zukünftige Studien sollten daher die langfristigen Folgen eines extrem eingeschränkten Ernährungsverhaltens untersuchen und analysieren, wie an Eltern und Kinder gerichtete Interventionen zur Veränderung des Ernährungsverhaltens pingeliges Essverhalten beeinflussen.
Quellen einblenden
- Science Daily (2020): Children may not always grow out of being picky eaters. Onlineartikel vom 26.05.2020
- C. Fernandez, H. McCaffery, A. L. Miller et al. (2020): Trajectories of Picky Eating in Low-Income US Children. Pediatrics 145 (6) e20192018
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 20. August 2020 um 08:07
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