Wie Gene unser Ernährungsverhalten beeinflussen
Autor/in: Dr. oec. troph. Christina Bächle,
Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit
Mittwoch, 28. Juni 2017
Warum essen wir bestimmte Lebensmittel, auch wenn wir wissen, dass sie nicht gesund für uns sind? Eine Erklärung hierfür könnte in den Genen liegen, wie Wissenschaftler erstmals auf der Konferenz für experimentelle Biologie in Chicago berichteten.
„Den meisten Menschen fällt es sehr schwer, ihre Ernährungsgewohnheiten zu ändern, selbst wenn sie wissen, dass es zu ihrem Besten geschieht“, erläutert Silvia Berciano, Doktorandin an der Universität von Madrid. „Dies ist darauf zurückzuführen, dass unsere Nahrungspräferenzen und unsere Fähigkeit, auf Ziele hinzuarbeiten und Pläne einzuhalten, Einfluss darauf nehmen, was wir essen und wie wir Ernährungsmodifikationen befolgen.“
Der Einfluss des Erbguts auf das Ernährungsverhalten wurde bislang überwiegend im Zusammenhang mit der Entstehung und Persistenz von Essstörungen untersucht. „Unsere Studie beschreibt erstmals, wie Gene des Gehirns die Nahrungsaufnahme und Ernährungsvorliebe gesunder Menschen beeinflussen“, betont Berciano.
Für die aktuelle Studie analysierten Berciano und ihre Kollegen das Erbgut von 404 Männern und 414 Frauen aus Minneapolis und Salt Lake City mit europäischen Vorfahren. In ihrer aktuellen Auswertung beschränkten sich sie Wissenschaftler auf 38 Genlocki, die bekanntermaßen mit verhaltensbezogenen und psychologischen Merkmalen (beispielsweise Stress, Impulsivität, Neugier, unkontrolliertem Essen, Sucht, Depression) assoziiert sind. Außerdem füllten alle Teilnehmer einen vom Nationalen Krebsinstitut konzipierten Fragebogen zu ihrer Ernährungsvorgeschichte aus.
Die aktuellen Ergebnisse sprechen dafür, dass Gene des Gehirns unser Ernährungsverhalten (mit) beeinflussen. Beispielsweise fanden die Forscher einen statistisch bedeutsamen Zusammenhang zwischen einem höheren Schokoladeverzehr, einem größeren Taillenumfang und bestimmten Varianten des Oxytocin-Rezeptorgens. Interessant war auch der Zusammenhang zwischen einem als Adipositasgen bekannten Gen und dem Verzehr von Gemüse und Ballaststoffen. Weitere Gene waren mit der Salz- beziehungsweise Fettaufnahme assoziiert.
Bislang wurde der Zusammenhang zwischen den Genen und dem Ernährungsverhalten nur bei Menschen mit europäischen Wurzeln untersucht. Daher planen Berciano und ihre Kollegen bereits die nächste Studie mit Probanden, die sich in ihrer ethnischen Herkunft und anderen Merkmalen unterscheiden. Dies gibt Aufschluss über die Verallgemeinerbarkeit der bisherigen Ergebnisse. Außerdem möchten die Wissenschaftler untersuchen, ob die von ihnen identifizierten für das Ernährungsverhalten relevanten Gene mit einem erhöhten Risiko für gesundheitliche Probleme und Erkrankungen verbunden sind.
„Das durch unsere Studie gewonnene Wissen ebnet den Weg zu einem besseren Verständnis des Essverhaltens und erleichtert die Planung einer personalisierten Ernährungsberatung, die für den einzelnen besser zugänglich ist, was wiederum zu einer besseren Compliance [Einhaltung] und erfolgreicheren Ergebnissen führt“, prophezeit Berciano.
Quellen einblenden
- S. Berciano, C.-Q. Lai, J. Herranz et al. (2017): Behavior related genes, dietary preferences and anthropometric traits. Experimental Biology, Abstract 299.1
- Medicalxpress(2017): Could genetics influence what we like to eat? Onlineartikel vom 22.04.2017
verfasst von Dr. oec. troph. Christina Bächle am 28. Juni 2017 um 06:27
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Dass Gene in Zusammenhang mit unserer Ernährung stehen macht Sinn. Dieses Forschungsfeld nennt man Nutrigenetik und könnte in den nächsten Jahren spannende Ergebnisse zur Ernährungswissenschaft liefern.